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Der Beginn der medialen Beschleunigung

Am 04.09.2012 jährt sich zum 175. Mal der Tag, an dem der New Yorker Erfinder Samuel Morse ein bahnbrechendes Gerät vorstellte, das die Kommunikationsgewohnheiten der Welt grundlegend veränderte. Der Code, den Morse entwickelte, machte eine beschleunigte Informationsübermittlung über lange Strecken erst möglich.

Von Godehard Weyerer | 01.09.2012
    Ein tragisches Ereignis veränderte das Leben von Samuel Morse. Die Nachricht vom plötzlichen Tod seiner Frau hatte ihn nicht rechtzeitig erreicht. Zeitlebens machte er sich Vorwürfe, nicht an ihr Totenbett geeilt zu sein, und grübelte darüber nach, wie Nachrichten schnell über eine lange Strecke verschickt werden könnten. Die Geburtsstunde des Morsealphabets.

    Dass Nachrichten nunmehr rascher am Ziel waren, als je ein Mensch sich fortzubewegen vermochte, war revolutionär. Codierte Informationen schossen als elektromagnetische Impulse durch Kupferleitungen und verwandelten sich zu guter Letzt in ein Meer ratternder Geräusche.

    Aus Drahtresten, Blechabfällen und einer Wanduhr hat er die Apparatur zusammengesetzt. Der Sender, auch Geber genannt, gibt einen Text ein, indem er die Taste unterschiedlich lang gedrückt hält und so den Stromkreis öffnet und schließt. Die elektrischen Impulse huschen durch die Elektroleitung zum Empfänger und steuern dort einen Magneten, dessen Anker die Impulse auf einen beweglichen Stift überträgt. Seine ratternden Auf- und Abwärtsbewegungen werden auf einen vorbeiziehenden Papierstreifen als Punkte, Striche von verschiedener Länge und unterschiedlich langen Pausen übertragen. Die Geburtsstunde des Morse-Alphabets.

    Die neue Übertragungstechnik machten sich zu aller erst die Herrschenden und Mächtigen zu eigen, der auswärtige Dienst, das Militär. Und – darauf verweist Professor Joseph Hoppe, stellvertretender Direktor des Deutschen Technikmuseum Berlin, die Morse-Telegrafen wurden an den Börsenplätzen dieser Welt aufgestellt.

    "Man hat damals auch schon mit Warenterminspekulationen begonnen. Die Preise von Waren, bevor die Ware überhaupt auf dem Markt eintraf, dem Markt ausgesetzt. Dann war es extrem wichtig zu wissen, wie ist denn jetzt die Ernte in einem bestimmten europäischen Land, wenn man von irgendwo anders her Weizen importieren konnte. Da war man sehr viel früher in die Lage versetzt durch Vorab-Kontrakte, von möglichen Preissteigerungen eines dann doch stärker nachgefragten oder weniger stark nachgefragten Gutes zu profitieren. Also, die Information löst sich ab von dem Kreislauf der Güter, der Waren und Menschen und bekommt eigene Kanäle und Geschwindigkeiten."

    Die Reduktion der Informationsübermittlung auf wenige Zeichen verlangte einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie man sich anderen mitteilte. Der Telegrammstil, der sprachliche Äußerungen auf einfache, kurze Satzstrukturen verkürzt und dabei keine Rücksicht auf grammatikalische Gesetzmäßigkeiten nimmt, setzte sich durch.