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Der blauen Erde ferner Bruder

Seitdem der italienische Astronom Giovanni Virginio Schiaparelli 1877 die "Canali" entdeckt und die zarten Linien auf der Oberfläche des Mars als Flusssysteme interpretiert hatte, regt der Rote Planet die Phantasie der Menschen an. Tatsächlich ist der Mars staubig, kalt und unwirtlich, doch die Sehnsucht des Menschen, im Roten Planeten einen Nachbarn zu finden, der die Geschichte der Erde teilt, ist geblieben.

Von Dagmar Röhrlich | 14.05.2006
    Niemand hätte in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts daran gedacht, dass unsere Welt beobachtet würde, dass andere intelligente Wesen, größer als die menschlichen und doch ebenso sterblich, uns bei unserem täglichen Tun fast ebenso intensiv belauschen und erforschen könnten, wie jemand mit dem Mikroskop jene kurzlebigen Lebewesen erforscht, die in einem Wassertropfen ihr Wesen treiben und sich darin vermehren. Mit einem unendlichen Behagen schlenderte die Menschheit mit ihren kleinen Sorgen kreuz und quer auf dem Erdball umher, in gelassenem Vertrauen auf ihre Herrschaft über die Materie. Es ist möglich, dass die mikroskopischen Lebewesen unter dem Brennglas dasselbe tun. Bedächtig und sicher schmiedeten sie ihre Pläne gegen uns.

    So beginnt H. G. Wells den "Krieg der Welten", den tödlichen Kampf gegen die Invasoren vom Mars. Seitdem der italienische Astronom Giovanni Virginio Schiaparelli 1877 die "Canali" entdeckt und die zarten Linien auf der Oberfläche des Roten Planeten als Flusssysteme interpretiert hatte, regt der Mars die Phantasie der Menschen an. Sie machten "Kanäle" aus ihnen, künstliche Bewässerungssysteme, angelegt von zivilisierten Lebewesen, um Wasser von den Polen zu den trockenen Äquatorialgebiete zu bringen. War es Angst, die die Gedanken der Erdbewohner um den roten Nachbarn kreisen ließ? Oder war es Hoffnung? Die Hoffnung, im Mars einen Bruder zu finden, der unsere Geschichte teilt?

    Heute ist Mars staubig, kalt und unwirtlich. Das Planetenschicksal hat ihm übel mitgespielt und ihn ins Abseits gedrängt. Doch einst könnte er warm gewesen sein, freundlich, mit Meeren, Flüssen und Seen - und vielleicht sogar mit Leben. Die Möglichkeit bestand, und so schickten die Weltraumagenturen ihre Sonden aus, Beweise zu finden.

    Es gab Wasser auf dem Mars! - Der Mars-Rover "Opportunity" hat den Beweis erbracht: Auf dem Roten Planeten ist einst Wasser im Überfluss geflossen - genügend, um Leben zu ermöglichen. Stern, 2. März 2004

    Vor zwei Jahren kam sie also endlich, die Nachricht auf die alle gewartet hatten. Doch auf die laute, enthusiastische Verkündung folgte - deutlich leiser - die Entzauberung, die keine Schlagzeilen mehr machte.

    " Unser Mars-Rover "Opportunity" fand Anzeichen dafür, dass es in der Tiefebene Meridiani planum reichlich flüssiges Wasser gegeben hat. Aber es handelte sich nicht um Süßwasser, sondern um schwefelsäurehaltiges Wasser vulkanischen Ursprungs, das meist unterirdisch blieb. Nur hin und wieder stieg es auf und bildete flache, vergängliche Tümpel. Ansonsten war die Gegend absolut trocken. Es war kein sehr schöner Platz, aber so war es nun einmal. "Steve Squyres, Chefwissenschaftler der Rover-Mission, im Dezember 2005 auf der Tagung der Amerikanischen Geophysikalischen Union.

    " Beginnen wir mit der wichtigen Tatsache, dass die Erde und der Mars sehr verschieden sind - nicht nur heute, sondern während ihrer gesamten Geschichte. "

    Jack Farmer von der Arizona State-University

    " Wenn Mr. Spock die Erde im Archaikum besucht hätte, also in ihrer Frühzeit vor mehr als drei Milliarden Jahren, dann wäre er am besten Mikrobiologe gewesen. Die Erde war damals ein Planet der Mikroben. Aufgrund der exzellenten Ausbildung an der Akademie wird Mr. Spock unzweifelhaft viel über die Mikrobiologie gewusst haben, und er konnte definitiv sagen, dass Mikroben die zentrale Rolle in den geobiologischen Zyklen spielten und dass sie die Erde nicht nur damals formten, sondern dass sie es auch in Zukunft tun würden. "

    " Wenn Mr. Spock heute mit uns zum Mars käme, stünde er vor einer sehr viel größeren Herausforderung. "

    Dabei sind die Voraussetzungen gar nicht so schlecht. Die erste Kruste des Mars, die vor viereinhalb Milliarden Jahren erstarrt ist, existiert noch. Die Krater auf der Südhalbkugel erzählen vom Großen Kosmischen Bombardement, als vor 3,8 Milliarden Jahren der Schutt aus der Planetenbildung das innere Sonnensystem traf. Dann brachen vor Jahrmilliarden mit gewaltigen Eruptionen die Vulkane der Tharsis-Region aus und die Schildvulkane der Elysium-Region, die sich heute noch hoch über die Landschaft erheben. Schließlich begann die Zeit der Starre. Seitdem schleift fast nur noch der Wind mit dem allgegenwärtigen Staub die Steine der Vergangenheit ab.

    Wir sind in Isua, einem entlegenen Landstrich im Südwesten Grönlands, eine knappe Stunde Helikopterflug von der Hauptstadt Nuuk entfernt. Das Geologencamp liegt an einem tiefblauen See, und der nächste Berg verbirgt den nächsten See, und sie alle stehen über zahllose Bäche und Flüsse miteinander in Verbindung. Es ist eine Landschaft aus Stein und Wasser - weit, karg und wild. Menschen sind hier Gäste. Eiszeitliche Moränen bedecken die Bergflanken, und riesige Felsblöcke, die ein abschmelzender Gletscher dort liegen gelassen hat, reihen sich wie Perlen auf den Hügelketten auf. Richtig dunkel wird es nicht an diesem Abend, nur dämmrig. Im Wind tanzen ein paar feine Schneeflocken, die auf einen uralten Ozeanboden fallen, dem ältesten Zeugnis für ein Meer auf der Erde.

    Unser Sonnensystem entstand vor etwas mehr als viereinhalb Milliarden Jahren. Damals flogen Staubkörnchen um den wachsenden Stern im Zentrum herum, deren Bahnen sich immer wieder kreuzten. Sie kollidierten. Geschah das mit der richtigen Geschwindigkeit, blieben sie aneinander haften, wurden zu Sandkörnern, die mit anderen Sandkörnern zusammenstießen und zu Steinchen verklebten, zu Steinen, zu Felsbrocken - und schließlich zu Planetenkeimen. Die gingen dann mit ihrer Schwerkraft gezielt auf die Jagd nach anderen. So wuchsen Mars und Erde heran.

    " Wahrscheinlich entstand die Atmosphäre gleichzeitig mit den Planeten. Dabei wurde nicht nur das lokale Material eingebaut, sondern auch wasserreiche Asteroide aus dem Asteroidengürtel, die Jupiter ins innere Sonnensystem schleuderte. So werden Mars und Erde ihr Wasser geliefert bekommen haben. Die Asteroiden brachten auch organische Verbindungen mit. Die Wucht des Einschlags zerstörte und verwandelte sie in Kohlendioxid."

    So wurden sie Teil der Atmosphäre, erklärt James Kasting von der Penn State University.

    Mars und Erde bedienten sich also mehr oder weniger aus einem Reservoir. Trotzdem kamen zwei sehr unterschiedliche Planeten dabei heraus. Zunächst einmal ist Mars kleiner - sehr viel kleiner. Zum Vergleich: Vor 4,527 Milliarden Jahren raste ein Planet in die Erde, Theia genannt - und obwohl Theia etwa marsgroß gewesen sein soll, vermochte sie die Erde nicht zu zerstören, sondern schlug "nur" den Mond aus ihr heraus.

    " Da ist aber nicht nur der reine Größenunterschied zwischen Mars und Erde, vielmehr war die Erde während ihrer gesamten Geschichte sehr dynamisch. Die Plattentektonik bestimmt die Entwicklung der Erde: Sie stabilisiert sie, indem sie über die Vulkane Kohlendioxid aus dem Erdinneren freisetzt und so für den natürlichen Treibhauseffekt sorgt. "

    Ohne sie läge die globale Durchschnittstemperatur auf unserem Planeten bei unwirtlichen minus 18 Grad. Für mehr reicht die reine Sonneneinstrahlung nicht. Hinter der Plattentektonik steckt ein riesiges Strömungssystem im Erdinneren. Das öffnet Ozeane und türmt Gebirge auf und verschiebt die Kontinente über die Erde.

    " Strömungen tief in der Erde sind eigentlich Bereiche, in denen warmes Material tief aus dem Planeten nahe an die Oberfläche gefördert wird, oder eben kälteres Material von der Nähe der Oberfläche dann eben langsam in die Tiefe des Planeten sinkt. Planeten machen solche Strömungsprozesse eigentlich, um sich effektiv abkühlen zu können. Das heißt also, jeder Planet von der Größe Mars, Venus, Erde müssen eigentlich konvektieren, um über geologische Zeiträume hinweg die Wärme, die sie innen aufstauen, auch effektiv an die Oberfläche abgeben zu können. "

    Nur - ob die Konvektion so stark ist, dass sie die Planetenkruste in Platten zerfallen lässt, die sie dann verschiebt, das ist eine andere Frage. Bei Mars scheint es dafür nicht gereicht zu haben: Er ist ein "Ein-Platten-Planet", sprich - seine Kruste umgab ihn immer wie eine harte Schale.

    " Natürlich muss dann immer nach wie vor noch Wärme tief aus dem Planetenkörper an die Oberfläche dringen. Das kann dann vielleicht dadurch stattfinden, dass sich eben große vulkanische Gebiete gebildet haben wie auf Tharsis auf dem Planeten Mars. "

    " Auf dem Mars gab es Vulkanismus, aber nie Plattentektonik. Das ist ein wirklich grundlegender Unterschied, der auf lange Sicht extreme Unterschiede in der Geschichte hervorgerufen hat."

    Denn die Plattentektonik ist nicht nur der Motor, mit dem die Erde ihre gewaltige innere Hitze los wird und mit dem sie ihr Aussehen permanent verändert - vor allem hält sie damit auf lange Sicht ihr Klima im Gleichgewicht, so dass es seit vielen Milliarden Jahren Meere auf ihr gibt, die dann wiederum die Plattentektonik "schmieren". Erde, Meere und Klima bilden eine Einheit.

    " Unsere Daten sagen jetzt, dass Mars sehr früh, schon nach den ersten paar hundert Millionen Jahren, also spätestens in der Periode zwischen 3,8 Milliarden Jahren und 3,5 Milliarden Jahren global sehr stark trocken gefallen ist, das heißt, er hat zumindest ab dieser Zeit, eventuell auch schon vorher, keinen globalen Ozean gehabt. Das ist ziemlich sicher. "

    urteilt Gerhard Neukum vom Geologischen Institut der Freien Universität Berlin. Erde und Mars gingen also recht schnell unterschiedliche Wege. Während die Erde wandelbar ist, ein tektonisch aktiver Planet, der fast alle Spuren seiner Frühzeit verwischt hat, scheint auf dem Mars die Zeit fast stehen geblieben zu sein. Sucht man nach Parallelen zwischen beiden Welten, wird man sie nur in der Frühzeit finden, in den ersten paar hundert Millionen Jahren.

    Niemand dachte daran, dass von anderen Planeten Gefahren für die Menschheit herrühren könnten. Jede Vorstellung, dass sie bewohnt sein könnten, wurde als unwahrscheinlich oder unmöglich abgetan. Es kam höchstens vor, dass Erdbewohner glaubten, es könnten minderwertige Wesen auf dem Mars leben, zumindest aber solche, die eine irdische Forschungsreise freudig begrüßen würden. Aber jenseits des gähnend leeren Weltraums blickten Geister, uns so überlegen wie wir den Tieren, ungeheure, kalte und unheimliche Geister, mit neidischen Augen auf unsere Erde. Bedächtig und sicher schmiedeten sie ihre Pläne gegen uns.

    Als vor 3,8 Milliarden Jahren am Meersgrund von Isua die Lava zu Kissen erstarrte, muss ein Mondaufgang gewaltig, ja bedrohlich gewesen sein. Noch bevor er erschien, kündigte ihn das tiefe Grollen eines Erdbebens an, denn er zog so stark an der Erde, dass er sie verformte. Der Mond füllte den ganzen Himmel, ließ die Sonne unbedeutend und fern erscheinen. Zwar borgte er sich sein Licht nur von ihr, aber er degradierte sie zur Statistin. Nach der Kollision mit Theia hatte die Erde schnell dicke Platten einer wärmeisolierenden Kruste bekommen, die die Oberfläche vor ihrem heißen Inneren schützte. Die Erde war übersät mit Vulkanen. Sie förderten gewaltige Mengen an Kohlendioxid und Wasserdampf in die Atmosphäre, heizten dem Treibhaus Erde ein. So sammelte sich der Wasserdampf dieser zahllosen Vulkane und der verdampfenden Einschlagskörper in der Atmosphäre, kondensierte zu gewaltigen Regenfällen. Jahrtausendelang fielen sie in Sturzbächen vom Himmel. Pfützen entstanden, Seen. Das Wasser stieg, und schließlich ragten nur noch die höchsten Vulkane als Inseln über den Ozean. Isua ist ein Teil dieser fremden Welt, aber in ihr hat irgendwann das Leben Fuß gefasst. Es sieht so aus, als sei damals alles sehr schnell gegangen.

    Noch vor 30 Jahren hätte niemand geglaubt, dass es auf der Erde damals schon Meere gegeben haben könnte. Man hielt sie für eine Art Hölle, in der Lava jederzeit eine dünne, steinerne Abkühlungshaut durchbrechen konnte, und in der Wasser höchstens als Dampf vorkam. Inzwischen scheint sicher, dass die ersten Ozeane älter sind als die Gesteine von Isua.

    Wasser ist ein ganz integraler Bestandteil der Erde. Was lag also näher, als es auch auf dem Mars zu suchen - angepasst an die heutigen Temperaturbedingungen, also als Eis. Das fanden die Sonden auch:

    Der Mars ist ein Idealziel für eine bemannte interplanetare Mission, weil auf ihm Wasser vorhanden ist. Die europäische Sonde Mars Express konnte Anfang 2004 erstmals den sicheren Nachweis führen, dass das für die Ausbildung von Leben elementare Elixier Wasser auf dem Roten Planeten in Form von Wassereis en masse vorhanden ist. Heise, 29. Juli 2005

    Das viele Eis schien eine gute Nachricht zu sein. Der Grundstoff war da - aber was heißt das?

    Damit auf einem Planeten Leben entstehen kann, braucht er nicht Eis, sondern flüssiges Wasser. Das gibt es nur in einem bestimmten Abstand von der Sonne, in der Ökosphäre.

    Vor dreieinhalb oder vier Milliarden Jahren lag diese Zone anders als heute, denn damals schien die Sonne kaum mehr als halb so stark. Und trotzdem - das weiß man - war es wärmer als heute.

    Das lässt sich nur mit einem Super-Treibhaus erklären:

    " So wie es aussieht, hat die Erde vor 4,3 oder 4,4 Milliarden Jahren eine sehr dichte Kohlendioxid-Atmosphäre gehabt, vergleichbar mit der auf der Venus. "

    Aber was ist mit Mars? Bruce Runnegar von der University of California in Los Angeles und Direktor des Astrobiologischen Instituts der NASA hat Zweifel:

    " Mars ist sehr kalt, und wegen seiner geringen Größe liegt er heute am äußersten Rand der Ökosphäre. Wäre er so groß wie die Erde und besäße einen aktiven Vulkanismus, könnte sich auf ihm flüssiges Wasser halten. Sein großes Problem ist aber, dass er zu klein ist, um sich langfristig den starken Vulkanismus zu erhalten. Deshalb konnte er kein Kohlendioxid mehr in seine Atmosphäre pumpen. "

    " Damit der junge Mars warm gewesen sein könnte, brauchen wir schon ein sehr effizientes Treibhausgas. Mars fliegt sehr viel weiter draußen im Sonnensystem als die Erde. Sie sehen, es ist ein echtes Rätsel, wie der junge Mars hätte warm gewesen sein sollen. "

    " Dieses Problem, wie der Treibhauseffekt die schwache junge Sonne kompensiert, haben wir noch nicht lösen können. Wenn wir die These vom jungen Mars mit flüssigem Wasser halten wollen, müssen wir von einem weiteren Mitspieler ausgehen. Es muss neben dem Kohlendioxid noch ein wirksameres Treibhausgas gegeben haben, und da denken wir an Methan."

    Methan in der Mars-Atmosphäre entdeckt: Mars Society: Möglicher Hinweis auf "biologische Aktivitäten" - Die ESA-Sonde Mars Express hat nach Informationen der Mars Society Deutschland Methan in der Atmosphäre des Roten Planeten gefunden. ZDF, heute-journal, 28. März 2004.

    Wieder gab es große Aufregung. - Doch tatsächlich ging es bei dem Fund um minimale Mengen, so wenig, dass es auch Messfehler sein konnten. Auf der Erde ist Methan ein Zeichen für Leben: Sieht man vom Menschen ab, wird es fast ausschließlich von Bakterien produziert. Gibt es also auch Mikroben auf dem Mars, die es sich tief im Boden gemütlich gemacht haben, an hydrothermalen Quellen in der Tharsis-Vulkanregion beispielsweise? Das ist die Hoffnung der einen Forschergemeinde. Andere weisen darauf hin, dass es auch anorganische Wege gibt:

    " Die Mars-Meteoriten verraten, dass die Mantelgesteine etwas anders zusammengesetzt sein könnten als die in der Erde. Methan könnte anorganisch entstehen, wenn heißes, vulkanisches Wasser über das Mineral Olivin fließt. "

    Modellrechnungen zufolge reicht dieser Prozess, um die geringen Mengen an Methan zu produzieren. Um den Mars zu wärmen, wäre das jedoch viel zu wenig gewesen. Dafür müsste man tausendmal mehr herstellen als es alle irdischen Organismen heute gemeinsam zuwege bringen.

    Es sieht ganz so aus, als sei Mars von Anfang an ein Eishaus gewesen.

    " Vielleicht hat er in den ersten 100, 200 Millionen Jahren - relativ kurzzeitig - einen Ozean gehabt, das können wir nicht ausschließen, aber auch nicht bestätigen. "

    " Wir sehen keine Spuren der potentiellen Ozeane oder Seen, an die wir geglaubt haben, weder in der Landschaft, noch in den Steinen. Es gibt keine Kalksteine, wie sie sich auf jedem Planeten mit einem Meer und einer kohlendioxidreichen Atmosphäre hätten bilden müssen. "

    Es ist früher Morgen in Isua. Wir machen uns auf, um die Steine anzuschauen, in denen manche Forscher die frühesten Lebensspuren der Erde vermuten. Kurz vor Mittag gelangen wir zu einem Plateau. Ein steil abfallender Hang geht in eine sanft gewellte Wiese über. Der arktische Sommer hat die kargen Matten mit einem Meer von Blüten überzogen. In der Ferne rauscht ein reißender Strom, der das Schmelzwasser der Gletscher zum Meer schafft. Von diesem dunklen Felsen dort glaubten Geologen ein paar Jahre lang, dass sich darin die ersten chemischen Anzeichen für Leben auf der Erde fänden: winzige Graphitkristalle, Kristalle aus Kohlenstoff, der von Mikroben stammen sollte, die am Anfang der Welt im Ozean schwammen. Aber dieser Meeresboden ist seit seiner Entstehung tief im Erdinneren begraben worden. Hitze und Stress machten ihn plastisch wie Kaugummi. Er wurde gequetscht und gewürgt und gepresst und gedehnt, von heißen, kohlendioxidhaltigen Flüssigkeiten durchdrungen, neue Minerale entstanden. So kann Leben vorgegaukelt werden, wo keines war. Es ist schwer, die Botschaften der Steine zu entziffern.

    Für die Antwort auf die Frage nach vergangenem oder noch heute auf Mars existierenden Leben ist die Suche nach Wasser - insbesondere nach flüssigem Wasser - von großer Bedeutung. Für die weit zurück liegende Vergangenheit ist die Frage nach flüssigem Wasser eindeutig mit Ja zu beantworten. Die Bilder aus der Umlaufbahn und vom Marsboden sprechen eine eindeutige Sprache. März 2003, Astrolexikon.de

    Auf dem Mars gibt es uralte Strukturen, die von Wasser erzählen. Sie gleichen Stromtälern, sind Hunderte von Kilometern lang und mehrere Kilometer breit. Aber sie beginnen abrupt, zeigen keine Zuflüsse - das heißt, sie entstehen nicht wie Flüsse auf der Erde, indem sich Wasser zu Rinnsalen sammelt, zu Bächen und schließlich Strömen. Auf dem Mars war der Ursprung der "Flüsse" vulkanisch:

    " Es kristallisiert sich sehr stark heraus, dass Vulkanismus auf dem Mars die treibende Kraft war, die immer mal wieder wasserführende Schichten mobilisiert hat, dass Eis geschmolzen worden ist, das dann auch zu solchen hydrothermalen Aktivitäten geführt hat. "

    Auch wenn es keine Ozeane gegeben hat - Wasser muss es trotzdem gegeben haben. Denn in den ersten 100 Millionen Jahren bildeten sich Tonminerale, wie sie auf der Erde nur dort entstehen, wo Basalt über längere Zeit Kontakt mit Wasser hat. Das Problem dabei: auf dem Mars finden die Forscher diese Minerale nicht da, wo sie Flussbetten, Seen oder Meere vermutet hatten, sondern in den zerkraterten Hochländern der Südhalbkugel. Formten sich diese Tone aber unter der Oberfläche, im Grundwasser - oder gab es vereinzelt flache Seen, die spurlos verschwunden sind? Niemand weiß das.

    Sie scheinen ihren Angriff mit erstaunlicher Genauigkeit berechnet zu haben - ihre mathematischen Kenntnisse sind den unserigen offenbar weit überlegen - und ihre Vorbereitungen trafen sie in Einmütigkeit. Hätten unsere Instrumente es erlaubt, so hätten wir die drohende Gefahr schon früh im 19. Jahrhundert sehen können. Männer wie Schiaparelli beobachteten den roten Planeten - beiläufig bemerkt, ist es nicht seltsam, dass seit ungezählten Jahrhunderten der Mars der Stern des Krieges war? - aber sie waren außerstande, die schwankenden Erscheinungen zu erklären, die sie auf ihren Karten so genau verzeichneten. Während dieser ganzen Zeit müssen die Marsbewohner sich vorbereitet haben.

    Anders als der Dynamo in der Erde ist der des Mars schnell erstarrt. Sein Magnetfeld brach zusammen - und der Sonnenwind trug die Atmosphäre ungehindert ab. Als vor mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren die gewaltigen Vulkane der Tharsis- und der Elysium-Region auszubrechen begannen, war sie wohl nur noch ein dünner Schleier:

    " Damals hatte Mars einen globalen Klimawandel durchlaufen. Durch diese gewaltige vulkanische Aktivität wurden gigantische Mengen an Schwefel in die Luft geblasen, den wir überall auf dem Mars finden. Wenn dann durch die vulkanische Aktivität Grundwasser an die Oberfläche getrieben wurde, konnten dort Sulfate entstehen."

    Genau das hatte der Mars-Rover Opportunity an seinem Landeplatz Meridiani Planum gefunden: Sulfate, die von einem vergänglichen Schwefelsäure-Tümpel erzählen.

    " Wasser war zu jener Zeit schon nicht mehr an der Oberfläche stabil. Die Sulfate entstanden, und dann verschwand das Wasser in der dünnen Atmosphäre, es verdampfte. Es kann gar keine Seen mehr gegeben haben und erst recht keine Meere. Als diese Sulfate entstanden, gab es auf dem Mars keine Wasserkörper mehr, die lange stabil waren. "

    Schwefelsaure Seen sind alles andere als ideale Orte, wenn Leben entstehen soll. Auf der Erde gibt es zwar Spezialisten, die eine solch extreme Umwelt schätzen, aber in ihnen stecken unendlich lange Zeiträume der Evolution. Für den Übergang von organischer Chemie zur Biologie ist das wohl eher nichts.

    Könnte Leben aber trotzdem irgendwann auf dem Mars entstanden sein? Da ist die kurze Ära der Tone viel interessanter, die Phase unmittelbar nach der Planetenentstehung. Auch Frances Westall vom Centre de Biophysique Moléculaire in Orléans zieht ihre Schlüsse aus den vorliegenden Daten:

    " Im geologischen Kontext des Mars ist es recht deutlich, dass es - falls überhaupt - nur sehr früh stehendes Wasser gab. Um zu entstehen, braucht Leben keinen globalen Ozean, noch nicht einmal einen See, aber es braucht für ein paar hunderttausend oder Millionen Jahre einen stabilen Wasserkörper, Nährstoffe und Energie. Eine langlebige hydrothermale Quelle in einem großen Vulkangebiet reicht. Falls es das auf dem Mars gegeben hat, ist es sogar wahrscheinlich, dass auch Leben entstanden ist. "

    Allerdings wäre dieses Leben dann - anders als auf der Erde mit ihren globalen Ozeanen - auf seine enge Heimat beschränkt:

    " Das Leben wäre sehr heterogen gewesen und sehr vielfältig, weil es sich nicht so vernetzen konnte wie auf der Erde. Deshalb wäre es auch wieder verschwunden, denn isolierte Ökosysteme sind vergänglich. Falls es existiert hat, wird es aufgrund seiner beschränkten Ressourcen wohl auch nur geringe Mengen an organischer Substanz produziert haben, so dass es schwer sein wird, seine Relikte aufzuspüren. "

    Vielleicht gelingt es uns nie, denn noch nicht einmal auf der Erde beherrschen wir die Kunst, die frühesten Lebensspuren eindeutig zu erkennen. Um wie viel weniger auf einem Planeten wie dem Mars, der so anders ist als der unsere. Aber die Hoffnung auf Leben auch anderswo werden die Menschen wohl nie aufgeben. Die Suche geht weiter. Auf dem Mars, und anderswo.

    Wir Menschen müssen den Marsleuten mindestens so fremdartig und niedrig erscheinen wie die Affen und Lemuren uns. Diese Welt ist voller Leben, aber in ihren Augen ist es nur minderwertiges, tierisches. Den Krieg Richtung Sonne zu tragen, ist ihre einzige Rettung vor der Vernichtung, die von Geschlecht zu Geschlecht naht.

    Ogilvy äußerte in jener Nacht Mutmaßungen über die Beschaffenheit des Planeten Mars, und er machte sich über die landläufige Ansicht lustig, er könne Bewohner haben, die uns Zeichen geben.

    "Die Chancen, dass irgendwelche Wesen vom Mars kommen, stehen eine Million zu eins", sagte er.

    Und doch kommen sie - erzählt H.G. Wells.