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Der Brücke von Messina droht das Aus

Im krisengeschüttelten Italien spielt Sizilien eine Sonderrolle: Trotz leerer Kassen leistet sich die autonome Region auffällig viele Beamte und teure Prestigeobjekte. Dort, wo es möglich ist, hat Rom nun Gelder gestrichen. Ein Opfer könnte die Brücke von Messina werden, die Sizilien ans Festland anbinden sollte.

Von Karl Hoffmann | 05.09.2012
    Im Promovideo der Brückengesellschaft steht die größte - vor erst noch geplante - Straßenbrücke der Welt bereits. Prachtvoll überspannt sie die 3,3 Kilometer breite Meerenge zwischen Kalabrien und Sizilien. Schnelle Autos und Hochgeschwindigkeitszüge brausen ungestört in schwindelerregender Höhe über die Meerungeheuer Szylla und Charybdis hinweg, an denen der arme Odysseus einst scheiterte. Und wenn es nach Pietro Ciucci, dem Chef der staatlichen Brückenbaugesellschaft geht, dann steht der baldigen Realisierung des kolossalen Baus nichts mehr im Wege.

    "Wir treiben das Projekt zügig voran, schließlich ist das ja unser Auftrag . Es liegt uns sehr daran, die Brücke zu verwirklichen. Wir arbeiten ja schließlich schon seit Jahren daran, und ich persönlich mit besonderem Einsatz."

    Pietro Ciucci ist nicht der Einzige, dem die Riesenbrücke ein besonderes Anliegen ist, der aber nun fürchten muss, dass sein Traum von der Brücke mit Weltrekordspannweite platzen könnte.

    "Fünf Jahre lang haben wir am Brückenbau gearbeitet. Und nun hat es nur fünf Minuten gedauert, um unsere Arbeit zunichtezumachen . Da sieht man wieder mal genau den Unterschied zwischen uns und den Linken von der Opposition liegen."

    Der im vergangenen Herbst geschasste Ministerpräsident Berlusconi musste auch diese Niederlage noch einstecken. Die Europäische Union hat Italien Strukturfördermittel in Höhe von 31,7 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020 bewilligt aber die Brücke nach Sizilien überraschend von der Liste der vorgesehenen Projekte gestrichen. Und prompt hat das römische Parlament seinen Beitrag in Höhe von zwei Milliarden Euro ebenfalls umgeleitet. Das Projekt ist noch nicht gestorben, aber Geld ist auch keines mehr da. Für den leidenschaftlichen Brückenbauer Ciucci allerdings noch kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.

    "Wir wissen natürlich, dass die öffentlichen Gelder knapp sind. Und solch ein Bauwerk lässt sich nun mal nicht ohne staatliche Zuschüsse finanzieren . Wir warten jetzt ab, bis sich die Regierung entscheidet, welche Prioritäten sie bei den öffentlichen Bauten setzen will und wir richten uns dann danach."

    In der Zwischenzeit gehen die Vorbereitungen für den Brückenbau munter weiter, die ersten Erdbewegungen sind im Gange, Gerichte und Anwälte befassen sich mit der Entschädigung von einigen Hundert enteigneten Grund- und Hausbesitzern, ohne dass jemand weiß, wie das alles bezahlt werden soll. In den Kassen der Brückengesellschaft sind derzeit genau 12, 7 Millionen Euro - das reicht kaum mehr fürs Porto. Im Gegenteil: der vor allem von Umweltschützern und Mafiaexperten begrüßte de-facto Ausstieg aus dem Brückenprojekt könnte zum gewaltigen Aderlass werden. Denn die Gesellschaft hat sich trotz Finanzierungsstopp mit den Baufirmen auf eine Erhöhung der Bausumme von 6,3 auf 8 Milliarden Euro geeinigt und zu Konventionalstrafen von möglicherweise bis zu einer Milliarde Euro verpflichtet, sollte die Brücke nicht gebaut werden. Das wiederum sei ein guter Grund, die Brücke nun unbedingt und unverzüglich zu bauen, meinte jüngst Raffaele Lombardo, der Präsident der Region Sizilien:

    "Ja sollen wir wirklich 1 Milliarde Vertragsstrafe bezahlen, statt mit dem Geld den Bau zu beginnen, den ich mir als Sizilianer aus vielerlei Gründen von Herzen wünsche. Zum Beispiel statt Sizilien immer nur mit Mafia und Schlendrian in Verbindung zu bringen, wird man künftig nur noch an die größte Brücke der Welt denken, wenn von Sizilien die Rede ist vom 8. Weltwunder."
    Wenn der Staat kein Geld mehr zuschieße, dann werde er persönlich Geld bei seinen Landsleuten sammeln und die Brücke eben privat bauen. Vor dem achten Weltwunder - das laut Vertrag mit den Baufirmen im Jahr 2018 fertig werden soll, könnte Lombardo allerdings erst ein persönliches blaues Wunder erleben. Vor einem Monat trat er zurück, um vor Gericht aufzutreten. Als Angeklagter in einem Mafiaprozess. An dessen Ende allenfalls eine Seufzerbrücke auf Lombardo warten könnte. Für Gerichtsverfahren wie Brückenbauten gilt in Italien die gleiche Regel: Man weiß, wann sie beginnen, aber nie wann sie fertig werden.