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Der Buchdruck-Mogul

Anton Koberger war Druck-Magnat im 15. Jahrhundert, Marktführer bei lateinischen Gelehrtenbüchern und Taufpate von Albrecht Dürer. Humanisten feiern ihn als Förderer der Gelehrsamkeit, doch sein Imperium überlebte nicht.

Von Jürgen Bräunlein | 03.10.2013
    Ausbildung und Lehrjahre von Anton Koberger liegen weitgehend im Dunkeln, man weiß noch nicht einmal, ob er des Lateinischen mächtig war. Um 1440 in der aufstrebenden Metropole des Heiligen Römischen Reiches, der Reichsstadt Nürnberg, geboren, wird er in einer Bäckerfamilie groß und steigt durch Heirat ins Patriziat auf. Mit 30 Jahren gründet er eine eigene Druckerei, erkennt er doch die ökonomischen Möglichkeiten des neuen Wirtschaftszweiges. Wenn man es richtig anstellt, ist der noch junge Buchdruck, der die Handschrift abzulösen beginnt, eine Goldgrube.

    Koberger investiert in Druckpressen, mehr als 15 soll er in seiner Glanzzeit betrieben haben. Nicht alle gehören ihm, denn er achtet darauf, das finanzielle Risiko klein zu halten. Sein Unternehmen ähnelt auch mehr einer Fabrik als einem mittelalterlichen Handwerkerbetrieb. Arbeitsteilung, Produktion in hoher Stückzahl und die Vermeidung von Abhängigkeiten sind die Geschäftsprinzipien.

    Jürgen Geiß ist Experte für Handschriften und frühe Drucke an der Staatsbibliothek in Berlin:

    "Er hatte eigene Papiermühlen, er konnte sich das Papier dann immer besorgen lassen, er hat auch seine eigenen Drucke, die ja so eine Art Rohware waren - also Initialen noch nicht gedruckt, alles ganz einfach, nur den Text - mit Hilfe von Illuminationswerkstätten, Malerwerkstätten, dann auch ausmalen lassen, und zwar vor Ort. Und er hatte auch mehrere Buchbinder, die für ihn gearbeitet haben, in Nürnberg, die dann die Drucke soweit fertiggestellt hatten, dass sie auch verschickt werden konnten. Das ist - das muss man wissen - für die damalige Zeit unüblich, damals hat man eher die Rohware dann verschickt in Fässern."

    Koberger weiß sich zu vernetzen. Er knüpft Geschäftsbeziehungen zu den großen Druckzentren Europas - Basel, Straßburg, Venedig -, kauft ganze Auflagen von anderen Druckereien und vertreibt sie. Er baut Niederlassungen in Lyon und Paris auf, von denen aus Frankreich, Spanien und Italien beliefert werden. Koberger agiert mit Geschick und Weitsicht, versucht er doch, alle Teilbereiche, die mit der Produktion eines gedruckten Buches zu tun haben, selbst zu organisieren und davon zu profitieren. An technischen Innovationen ist er weniger interessiert.

    "Er greift auch, was sein Verlagsprogramm betrifft, also eher auf ganz klassische Sachen zurück, Sachen, die immer gingen. Er experimentiert vergleichsweise wenig, also mit Holzschnitten zum Beispiel, die ja auch von den Investitionen immer sehr hoch gewesen sind. Er hat auch relativ wenig in deutscher Sprache drucken lassen."

    Auf dem Sektor des lateinischen Gelehrtenbuchs ist Koberger Marktführer. Unter den rund 200 Drucken, die aus seiner Werkstatt kommen, sind auch opulente Prachtbände wie die deutsche Bibel von 1483 und die aus 15 Holzschnitten bestehende "Apokalypse" von Albrecht Dürer, dessen Taufpate Koberger war. Am spektakulärsten jedoch ist die "Schedelsche Weltchronik".

    "Schedel war ja Stadtarzt, aber gleichzeitig Humanist, hat diese Weltchronik auf eigene Kosten in den Druck gegeben. Er geht natürlich dann zu Koberger, weil er weiß, mit dem kann man dann schon besprechen, wie groß ist das Risiko. Schedel wollte natürlich nicht sein ganzes Geld in diese Chronik stecken, es waren über 1800 Holzschnitte. Und für Koberger und Schedel war das kein Erfolgsmodell, es gab dann schnell Raubdrucker, und die haben dann einfach das nachgedruckt ..."

    Anton Koberger stirbt am 3. Oktober 1513. Den Nachfolgern, darunter drei seiner Söhne, gelingt es nicht, sich auf die veränderte Marktlage einzustellen und es bleibt wahrscheinlich ihr größter Fehler, die buchhändlerische Zusammenarbeit mit Martin Luther auszuschlagen. Denn mit Schriften der Reformation lassen sich von nun an die höchsten Umsätze erzielen. 1520 wird dann auch die Niederlassung in Paris geschlossen, drei Jahre später folgt die in Lyon. Die Druckerei in Nürnberg besteht bis 1526, das Sortiment bis 1533. Der Name des Unternehmers bleibt noch einige Zeit in den Köpfen der Menschen präsent. Die Humanisten feiern Anton Koberger als bedeutenden Förderer der Gelehrsamkeit. Der Kobergerplatz und die Kobergerstraße in Nürnberg erinnern noch heute an ihn.