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"Der Bundeswirtschaftsminister treibt ein mieses Spiel"

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler habe die Ökostrom-Umlage mit großzügigen Geschenken an die Wirtschaft in die Höhe getrieben, kritisiert Bärbel Höhn, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen. Zudem fließe nur ein Drittel der zusätzlich erhobenen Kosten tatsächlich in den Ausbau erneuerbarer Energien.

Bärbel Höhn im Gespräch mit Sandra Schulz | 15.10.2012
    Sandra Schulz: Die Verbraucher in Deutschland müssen im kommenden Jahr deutlich mehr für die Förderung des Ökostroms zahlen. Die <li_1893192>EEG-Umlage, also die Umlage nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz steigt<li_1893192> – das haben am Vormittag die Netzbetreiber offiziell gemacht – auf rund 5,3 Prozent je Kilowattstunde, bisher waren es knapp 3,6 Cent. Der Grund: Je mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, desto höher die Umlage. Was genau das heißt, dazu Jörg Brandscheid.

    Rund 60 Euro mehr pro Haushalt - EEG-Umlage lässt Strompreis steigen(MP3-Audio) Der Bericht von Jörg Brandscheid, und mit der Opposition kommen wir jetzt ins Gespräch, mitgehört hat die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/den Grünen, guten Tag, Bärbel Höhn!

    Bärbel Höhn: Guten Tag, Frau Schulz!

    Schulz: Ist der Ausbau der erneuerbaren Energien Opfer seines Erfolges geworden?

    Höhn: Also auf jeden Fall ist der Ausbau der Erneuerbaren sehr erfolgreich, und das ist es auch dank des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Wir haben nirgendwo auf der Welt ein so effizientes Instrument, um die Erneuerbaren auszubauen. Und deshalb will ich schon mal einmal drauf hinweisen, dass von diesen 1,8 Cent, die man jetzt mehr bezahlen soll, der Ausbau der Erneuerbaren aus diesem Jahr 2012 ... Nur ein Drittel gehen wirklich in die Kosten des Ausbaus der Erneuerbaren. Das andere sind zum großen Teil großzügige Geschenke des Bundeswirtschaftsministers Rösler an die Wirtschaft. Das heißt, das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird immer mehr befrachtet mit Punkten, die da eigentlich für den Ausbau der Erneuerbaren gar nichts zu suchen haben. Und damit verteuert sich das für die kleinen und mittelständischen Betriebe und für die Verbraucher.

    Schulz: An dem Punkt, den Sie gerade eingangs angesprochen haben, würde ich gerne bleiben: Sie sagen also, es kann – so wie die Förderung und die Garantien bisher gestrickt sind – genauso beim Erneuerbare-Energien-Gesetz bleiben?

    Höhn: Nein. Also wir haben ja das Erneuerbare-Energien-Gesetz so gemacht, dass es sich auch immer ändert. Anders als zum Beispiel die Subventionierung der Steinkohle ist es so, dass wir regelmäßig schon eingebaut haben, dass die Tarife gesenkt werden, was bei der Photovoltaik dazu geführt hat, dass sie mittlerweile nur noch zu einem Viertel dessen ist der Tarif wie vor acht Jahren, als die Photovoltaik angefangen hat. Da sind also enorme Kostensenkungen passiert, zu Recht und gut.

    Und ich glaube auch, dass jetzt so langsam der Punkt gekommen ist, dass Einzelne aus diesen erneuerbaren Energien sogar ... dass man sich Konzepte überlegen kann, wie sie außerhalb des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes auch schon erfolgreich arbeiten können. Das gilt für Kombinationen von Windkraft auf dem Land und Photovoltaik, die damit auch schon in der Lage sind, zu ungefähr 80 oder 90 Prozent auch Sicherheit der Stromabnahme, also des Verbrauchs, auch zusichern zu können. Also wir sind mittlerweile so erfolgreich, dass wir demnächst wahrscheinlich auch schon außerhalb des EEG einige Pilotprojekte machen könnten.

    Schulz: Aber Frau Höhn, es bleibt doch bei dem grundsätzlichen Webfehler, sagen die Kritiker, dass, je erfolgreicher die erneuerbaren Energie sind, desto teurer machen sie den Strom.

    Höhn: Nein. Wenn man die Erneuerbaren nicht hätte, dann würde der Strompreis ja trotzdem steigen. In den Jahren 2005 bis 2010, wo die Erneuerbaren ja eigentlich gar nicht der Preistreiber waren, da ist der Strompreis trotzdem enorm gestiegen, also da ist er gestiegen, weil wir das Monopol haben der großen Energiekonzerne. Und wir müssen uns auch nicht vertun: De facto werden die Energiepreise vom Ölpreis – selbst beim Strom – beeinflusst, und das heißt andersrum, dass wir wegkommen müssen sozusagen von den Importen von Energie, dass wir hinkommen müssen zu Strompreisen, die eben durch Wind und Sonne geregelt werden. Das heißt, die Erneuerbaren machen jetzt schon, jetzt schon den Strom für große Teile der Wirtschaft über den Börsenpreis um fast einen Cent billiger. Wir haben das Phänomen, dass die Verbraucher immer mehr zahlen müssen und die Teile der Wirtschaft, also 50 Prozent des Stroms der Wirtschaft weniger zahlt als 2008.

    Schulz: Aber darüber haben wir ja gerade gesprochen, Frau Höhn. Wir sprechen heute miteinander, weil heute Vormittag die Netzbetreiber bekannt gegeben haben, dass für den Durchschnittshaushalt die Stromrechnung im Schnitt im Jahr 60 Euro teurer wird. Wie erklären Sie das denn denjenigen, die ihre Stromrechnung jetzt schon kaum bezahlen mehr können, was ungefähr nach Schätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes 600.000 Menschen sind oder Haushalte?

    Höhn: Ich erkläre, dass sie das leider dem Bundeswirtschaftsminister zu verdanken haben, der mit großzügigen Geschenken an die Wirtschaft diese EEG-Umlage also wirklich in Höhen getrieben hat, die nicht nötig waren, und dass auch ein Teil von den Erneuerbaren kommt, nämlich ein Drittel, 0,5 Cent, aber de facto sollen sie 1,8 Cent mehr zahlen, also erheblich mehr – und diese Verteuerung des EEG, Belastungen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes durch die Geschenke an die Wirtschaft, die müssen aufhören. Der Bundeswirtschaftsminister treibt ein mieses Spiel. Er treibt die Kosten des EEG hoch und versucht es dann, den Erneuerbaren in die Schuhe zu schieben, und versucht damit, die Gewinne für die großen Monopolisten, für ihre Kohlekraftwerke weiter ein Stück noch zu sichern.

    Schulz: Aber wenn das EEG, Frau Höhn, so eine Erfolgsgeschichte ist, warum kann man nicht – wenn Sie sagen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien so erfolgreich war –, warum braucht es dann diese Förderung, diese Planwirtschaft, wie die Kritiker sagen, laut EEG überhaupt noch?

    Höhn: Ja, ganz einfach, weil jede neue Energieform natürlich auch eine Zeit eine Förderung braucht. Wenn Sie sehen, dass gestern die Wähler in den baltischen Staaten dort oben gegen ein Atomkraftwerk gestimmt haben, haben sie auch deshalb dagegen gestimmt, weil ein neues Atomkraftwerk viel teurer wäre als die erneuerbaren Energien, Großbritannien zum Beispiel, die rücken davon ab, und wenn Sie sehen, dass heute neue Kohlekraftwerke nicht mehr gebaut werden, weil die erneuerbaren Energien, die Windkraft, weil die günstiger ist – das heißt, wir haben in der Tat eine Super-Kostenreduktion bei den erneuerbaren Energien, und wir müssen uns jetzt einen Marktdesign für diese erfolgreichen neuen Energien überlegen. Deshalb sage ich, wir müssen wirklich Pilotprojekte uns überlegen, wie sie außerhalb des Erneuerbaren-Energien-Gesetz auch erfolgreich sein können und in Konkurrenz zu den fossilen Energieträgern treten können, und das ist die Aufgabe für die nächsten Monate.

    Schulz: Was für Pilotprojekte könnten das sein?

    Höhn: Ja, also wir haben natürlich auch mit sehr vielen Betreibern auch von Windkraftanlagen und Windrädern geredet oder Photovoltaik-Anlagen, und es gibt sicher jetzt schon Möglichkeiten, durch die gesunkenen Kosten der Windkraft und der Photovoltaik, dass man einen Mix anbieten kann, zum Beispiel in seiner Region, Verbrauchern, also Wirtschaftsbetrieben einen Mix an Strom anbieten kann von Windkraft und Photovoltaik, die den Strom zu ungefähr 80 Prozent auch absichern kann schon. Und dieser Mix ist günstiger, als andere Anbieter Ihnen das liefern können, wenn man zum Beispiel bestimmte bürokratische Hemmnisse oder auch bestimmte Steuern weglassen würde. Das heißt, wir würden schon dann zu Betreibermodellen kommen außerhalb des EEG, die sich auch rechnen würden.

    Schulz: Aber das verstehe ich immer noch nicht, Frau Höhn: Sie skizzieren jetzt Szenarien und Ideen und Projekte, die sich alle außerhalb des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes abspielen. Laut Umberechnungen oder Studien, die es gegeben hat, hat das EEG den Strompreis für die Verbraucher ganz erheblich in die Höhe getrieben. Wieso bestreiten Sie dann, dass das EEG Webfehler hat?

    Höhn: Na, ich habe ja gerade gesagt, die Webfehler hat Herr Rösler in den letzten Jahren systematisch reingebracht, und wenn die Leute jetzt sozusagen bei dieser Erhöhung nur ein Drittel der Erhöhung, die sie zahlen müssen, wirklich für den Ausbau der erneuerbaren Energien in 2012 zahlen und den Rest für alles mögliche andere, dann sind das Webfehler der jetzigen Bundesregierung, die die systematisch eingebaut haben, um die Umlage, das EEG hochzutreiben und damit die Erneuerbaren zu diskreditieren. So, und das muss endlich aufhören, weil das sind wieder Geschenke an die Wirtschaft zulasten der Verbraucher, und dann wird der schwarze Peter noch bei den erneuerbaren Energien abgeladen. Und dann wird noch von Herrn Teyssen von Eon gesagt, der Strompreis ist jetzt so hoch, wir brauchen Sozialtarife. Wir müssen deshalb gucken, dass wir diese Ausnahmen, diese überbordenden Ausnahmen, die den Strompreis wirklich teuer machen, dass wir die nicht zulassen und dass wir sie so schnell wie möglich wieder zurücknehmen, damit die Verbraucher und damit auch die kleinen Betriebe entlastet werden.

    Schulz: Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/den Grünen Bärbel Höhn heute Mittag hier bei uns in Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank, Frau Höhn!

    Höhn: Bitte!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.</li_1893192></li_1893192>