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Der deutsch-türkische Comedy-Newcomer

Aydin Isik nennt sich gleichermaßen Deutscher wie Türke. Sein Ansatz lässt die übliche Migranten-Comedy im Stile eines Bülent Ceylan aber weit hinter sich: Er liefert eine kabarettistische Abhandlung der krisengeschüttelten politischen Kultur in Deutschland.

Von Peter Backof | 25.01.2013
    "Pass auf! Ich wird euch jetzt was vorlesen. Das hat so´n Schwachkopf geschrieben und der Autor heißt Goethe."

    Das ist Kenan, eines der Alter Egos des Kabarettisten Aydin Isik in seinem Soloprogramm "Qual oder Wahl".

    "Der Asi-Türke aus Kreuzberg! Aber ich wollte nicht, dass er einfach auf die Bühne geht, wie es fast alle Comedians machen: In seiner Asi-Deutsch-Sprache erzählt. Ich wollte, dass er etwas mit "Kultur" macht, dass er mal Goethe vorträgt oder Shakespeare vorträgt."

    Die Türken im Publikum lachen schallend, weil Goethe - also: göt – im Türkischen das Schimpfwort "Arsch" meint. Kenan also, mit seiner Interpretation der Handlung von Goethes "Faust 1", ein launiger Abriss, von Teufelspakt bis Gretchenfrage, garniert von einer Videoprojektion, in der Kenan – großer Kulturschock! – eine Stadtbibliothek betritt.

    "So pass auf, jetz! - ich will nach Hause."

    Kenan ist als hintergründiger Migrant konzipiert:

    "Ich guck mir keine Comedy an - ich schau mir liebend gerne politische Kabarettisten an. Ich wollte auch, dass die Leute doch vielleicht etwas mitnehmen, von dem ganzen Programm, dass sie doch irgendwelche Sachen erfahren, die sie nicht wussten, nicht hören wollten, nicht nur einfach lachen und sagen: es war lustig – der Abend ist vorbei!"
    Kenan ist nämlich - bei aller Stumpfheit - sehr wohl in der Lage, die komplexe Faust-Handlung zu erfassen und zu deuten: ein kabarettistisches Fäustchen also, ins Gesicht des elitären Bildungsbürgertums, des, ja, des "deutschen" Bildungsbürgertums?

    "Deswegen versuche ich, in der ganzen Show von "Wir" zu reden, ich sag nicht: Wir Türken, Ihr Deutsche. Sobald ich sage: Ihr Deutschen!, da kommt so ne Blockade: ok, da ist jemand, der uns vielleicht angreifen könnte."

    Auch das Wort "Integration" mag der Deutschtürke nicht mehr hören, es ist ihm zu abstrakt. Der Kölner Aydin Isik ist ausgebildeter Schauspieler. Seit anderthalb Jahren schreibt und spielt er auch eigene kabarettistische Programme, zuerst in türkischer Sprache, nun auch auf Deutsch. Pikanterweise trat er auch in Istanbul auf für deutsche Gastarbeiter vor Ort.

    In "Qual oder Wahl" nun sorgt er sich um die deutsche politische Kultur: Bedrohlich werden da Parteien und Politikernamen – per Parodie-Wahl-Video ins Publikum geraunt:

    "CSU! FDP! Rösler! Westerwelle! – es reicht! Wir brauchen einen frischen Wind, wir brauchen wieder einen charismatischen Bundeskanzler! Und hier ist er: Baran Osman Bala!"

    Von der P.D.A., der "Partei der anderen" - O Bala, klingt ja fast wie Obama.

    "Das ist so ein armer Kerl, der denkt, der kann Politik machen. Der meint das auch ernst!"
    Fordert Kita-Plätze für alle – da spricht das Klischeebild vom familienfreundlichen Türken – verspricht eine Döner- oder wahlweise Falafeltasche für die Veganer – pro Tag, für alle – das müsste doch möglich sein in einem Land, das mit Hunderten von Milliarden Banken und Staatshaushalte retten kann.

    Insgesamt schafft der ständige Wechsel zwischen leichteren Nummern und galligem Humor in den Kommentarflächen eine kluge Dramaturgie. Inhaltlich nicht viel Neues: die Politprominenz bekommt in gängiger Manier ihr Fett ab, aber Isik spielt emotional und originell.

    Die Eigenheit: Pointen, die das Publikum überhört, wiederholt er einfach, bis sie sitzen: zum Beispiel eine Aussage von Peer Steinbrück vor einigen Jahren, Steinbrück habe sich aus der Politik zurückgezogen und sei nur noch Bundestagsmitglied. Ein sprachlicher Lapsus, den Isik breit tritt zum Abgrund: Die politische Kultur in Deutschland sei generell in der Krise. So fällt auch sein Ausblick auf das Wahljahr 2013 pessimistisch aus.

    "Wen würdest du wählen? Und was hast du für eine Alternative? Ich wüsste es selber wirklich auch nicht! Die Demokratie ist gerade so gebaut: da sind immer dieselben Namen, die wir jetzt seit 10, 20, 30, 40 Jahren hören, weil die halt auch an der Parteispitze sind und die sind einfach nicht wegzuschaffen. Und die anderen Politiker in derselben Partei können vielleicht besser sein, aber so lange sie nicht – wenn ich das so sagen darf – in den Arsch der Parteispitze kriechen, kommen sie nicht auf diese Listen, in denen sie gewählt werden können."
    Döner für alle: Aydin Isik in seiner Rolle als Kanzlerkandidat Baran Osman Bala
    Döner für alle: Aydin Isik in seiner Rolle als Kanzlerkandidat Baran Osman Bala (Kadir Zeyrek)