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Der Dom, die drei Könige und Kardinal Frings

Im Jahr 313 ist erstmals ein Kölner Bischof mit Namen Maternus erwähnt. Doch erst 1164, mit der Überbringung der Gebeine der Heiligen Drei Könige an den Rhein, wird Köln zu einem Herzstück christlicher Frömmigkeit.

Von Kirsten Serup-Bilfeldt | 04.11.2013
    Ein Mann voller Kraft und Tatendrang. Ein enger Freund und Berater Karls des Großen und von überragender Bedeutung für das "Heilige Köln":

    "Nicht zuletzt, weil er der Erbauer des alten Doms gewesen sein dürfte. Als 'alter Dom' bezeichnet man die bischöfliche Kathedrale, die dem heutigen Dom, Grundsteinlegung 1248, unmittelbar vorausging."

    Ein Fußbodenmosaik im Dom zeigt den Erzbischof: In der einen Hand hält er den Krummstab, die andere ruht auf einem Modell "seines" Doms. Ein schmächtiger Mann mit schmalem Gesicht und blitzenden Brillengläsern – in einer Trümmerlandschaft. In den Händen hält er eine Schaufel:

    "Lasst uns unser Köln wieder aufbauen ... unser herrliches, unser heiliges Köln!"

    Über ein Jahrtausend liegt zwischen den Bildern dieser Männer, die beide Gesicht und Geschichte des Erzbistums Köln mitgeprägt haben. Die eine Darstellung zeigt Erzbischof Hildebold, der im 8. Jahrhundert den "alten Dom" erbaute; die andere Josef Kardinal Frings, wie er nach Kriegsende im völlig zerstörten Köln zur Schaufel greift, um Schuttberge beiseite zu räumen. Als Bischof Hildebold seine ehrgeizigen Baupläne in die Tat umsetzt, ist das Erzbistum Köln immerhin schon rund 400 Jahre alt. Joachim Oepen vom Historischen Archiv des Erzbistums Köln:

    "1700 Jahre Erzbistum Köln in diesem Jahr, ein Jubiläum, das zurückgeht auf die erste Erwähnung eines Kölner Bischofs mit Namen Maternus im Jahr 313. Dieser Maternus war Richter bei einer Kirchenversammlung in Rom. Und eine zweite Erwähnung schließt sich an aus dem Jahr 314: Maternus ist dann Teilnehmer einer weiteren Kirchenversammlung in Arles in Südfrankreich. Damit tritt das Bistum Köln sozusagen mit einem Paukenschlag in die Geschichte."

    Und ist nach Trier das Bistum, das sich am frühesten nachweisen lässt. Doch wer sind diese ersten Christen am Rhein? Wo versammeln sie sich? Wie leben sie ihren Glauben? Fragen, die sich kaum beantworten lassen, weil es viele Leerstellen in diesen frühen Aufzeichnungen gibt:

    "Wenn Sie sich die Kölner Bischofsliste ansehen, stellen Sie fest, dass auf Maternus zwei weitere Namen folgen: Euphrates und Severin, aber danach weist die Bischofsliste eine beträchtliche Lücke auf. Für das 5. Jahrhundert etwa kennen wir keinen Namen eines Kölner Bischofs. Da gehen die christlichen Zeugnisse deutlich zurück."

    Wohl, weil das Ende der Römerherrschaft heraufdämmert und die Frankenherrschaft beginnt. Die fränkischen Eroberer, die auf den Trümmern des Römerreichs ihre Herrschaft errichten, sind mehrheitlich keine Christen. Dennoch kommt es im Lauf des 6. Jahrhunderts zu einem neuen Aufschwung christlichen Lebens, zur Wiederbelebung kirchlicher Strukturen, ja, zu einer umfassenden, flächendeckenden Christianisierung:

    "Und auch unsere Kölner Bischofsliste kann wieder fortgesetzt werden und ist ab dem 8. Jahrhundert dann lückenlos – bis heute."

    In der Zeit des Hochmittelalters wird die Kirche mehr und mehr zu einer tragenden Säule des Reichs. Kaiser und Könige nutzen sie als Stütze ihrer Herrschaft; es kommt zu einer engen Verflechtung von weltlicher Macht und geistlichem Amt:

    "Wir haben in der Zeit vom 10. bis 13. Jahrhundert in Köln eine ganze Reihe von bedeutenden Erzbischöfen, die in sehr großer Nähe zu Kaiser und Reich wirkten."

    Einem von ihnen – er heißt Rainald von Dassel und sein Gönner ist der Kaiser Friedrich Barbarossa – gelingt der ganz große Wurf. Er sorgt dafür, dass Köln zu einem Herzstück christlicher Frömmigkeit, zu einem abendländischen Pilgerzentrum, zum "Rom des Nordens" wird. Denn nach der Eroberung Mailands bringt er 1164 die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln. Es ist eine bunt durcheinandergewürfelte, oft etwas skurrile Gesellschaft – die als Bischöfe in den folgenden Jahrhunderten die Kölner Kathedrale besteigen: unter ihnen Fromme und Sünder, Strenge und Milde, Friedfertige und Streithähne.

    Da ist der selbstherrliche Siegfried von Westerburg, der 1288 gegen ein Bündnis von Fürsten und Bürgern die berühmte Schlacht bei Worringen verliert, aus Köln verjagt und gezwungen wird, per Vertrag die Souveränität der stolzen Domstadt anzuerkennen. Und da ist Ende des 16. Jahrhunderts Gebhard von Truchsess-Waldburg, dessen hervorstechendste Eigenschaft nicht unbedingt die Sittsamkeit ist:

    "Der hatte ein Verhältnis mit einer Stiftsdame und dieses Verhältnis wollte er durch eine Heirat legalisieren und – evangelisch werden."

    Ein Kölner Erzbischof, der heiraten und evangelisch werden will? Doch das ist während des hitzigen Dramas der Reformation, nur ein "Skandal" von vielen. Das Erzbistum Köln, die "eleganteste Braut Christi" wird in dieser Zeitspanne von Unruhen heimgesucht. Es kommt zu Kriegen und Konfessionsstreitigkeiten, zu Konflikten zwischen geistlicher und weltlicher Macht:

    "In Köln gelang es den Erzbischöfen, auch ein weltliches Territorium zu formen. Das ist das, was man als Kurstaat bezeichnet. Teils unter Einsatz ganz erheblicher Finanzmittel fingen die Erzbischöfe an, Burgenbau zu betreiben. Lehenspolitik, Zollerhebung oder Vergabe von Stadtrechten. Am Ende dieser Entwicklung stand die Doppelfunktion der Kölner Erzbischöfe: als Erzbischöfe und als Landesherrn."

    1794 besetzen die Franzosen das linke Rheinufer, lösen 1802 fast alle katholischen Klöster und Stifte auf und verstaatlichen den Kirchenbesitz. Nur zwei Jahre später kommt es dann durch den Reichsdeputationshauptschluss, der das Reich neu ordnet, auch zur Auflösung des Kurstaates Köln:

    "Man muss sich klarmachen, dass mit dem Untergang des Kurstaates diese Doppelfunktion der Kölner Oberhirten als geistliche und weltliche Herrscher, als Erzbischöfe und Kurfürsten, die über so viele Jahrhunderte bestanden hatte, endgültig und unwiederbringlich beendet war."

    1814/1815 kommen die protestantischen Preußen! Sie zögern nicht, mit aufsässigen Katholiken auf dem Kölner Erzstuhl kurzen Prozess zu machen. Etwa mit Erzbischof Clemens August von Droste zu Vischering, der sich der preußischen Regierung in Fragen der "Mischehen" und Priesterausbildung widersetzt. Er wird verhaftet und eingesperrt. Es ist der erste Fall eines verhafteten und festgesetzten Kölner Erzbischofs. Allerdings nicht der letzte:

    "Der Kulturkampf ist ein einschneidendes Ereignis gewesen für ganz Deutschland, für Preußen, und im Erzbistum Köln hatte er einen Schwerpunkt."

    Dort nämlich, so Ulrich Helbach, Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums, widersetzt sich nun Erzbischof Paulus Melchers den 1873 bis 1875 erlassenen "Maigesetzen", nach denen etwa ein Bischof Ämter nicht mehr frei besetzen kann:

    "Melchers hat das nicht akzeptiert, er hat es boykottiert, er ist mit Geldstrafen belegt worden, er zahlte nicht, man hat sein Vermögen eingezogen, man hat gepfändet, man hat ihn dann im März 1874 verhaftet und im Klingelpütz für sechs Monate festgesetzt. Dann kam er wieder raus, es drohte abermalige Verhaftung und dann ist er ins Ausland geflohen."

    Die größten Bedrängnisse seiner Geschichte erlebt das Erzbistum Köln in den Tagen des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs. Über den Ruinen der zerstörten Stadt verkündet am 8. Mai 1945 der "Dicke Pitter", die berühmte Petersglocke, das Ende des Krieges.
    Und als Josef Kardinal Frings so tatkräftig zur Schaufel greift, demonstriert er eindrücklich Hoffnung und Neuanfang.