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Der Druck auf Kraftwerksbetreiber wächst

Die schwarze Serie beginnt am 28. Juni: Nach einem Kurzschluss und einem kleinen Schwelbrand geht das Kernkraftwerk Brunsbüttel vom Netz. Gut eineinhalb Stunden später kommt es etwa 100 Kilometer elbaufwärts zur Schnellabschaltung des Kernkraftwerks Krümmel in Geesthacht - ein Trafo-Gebäude außerhalb des Reaktorgebäudes brennt. Radioaktivität tritt nicht aus. Niemand wird verletzt.

Von Matthias Günther und Gerhard Irmler | 13.07.2007
    Die Ursachenforschung beginnt. Am nächsten Morgen betritt der Brandschutz-Experte Joachim Klindt als erster das immer noch mehrere hundert Grad heiße Trafo-Gebäude in Krümmel. Er berichtet anschließend:

    "Ich habe einen normalen Schutzanzug angehabt, den Helm, wie sich das gehört, und habe den Raum praktisch von drinnen besichtigt. Der Traf hat ungefähr ein Ölvolumen von 80 Kubikmeter, und man kann sich vorstellen, 80 Kubikmeter brennbares Öl ist eine hohe Brandlast. Und das Öl ist auch in dem Gebäude ausgelaufen und hat letzten Endes auch gebrannt."

    Der Fachmann geht von einem Kurzschluss als Brandursache aus. Haben Spannungsschwankungen im Stromnetz durch die Schnellabschaltung von Brunsbüttel dazu geführt? Die für die Atomaufsicht zuständige schleswig-holsteinische Sozialministerin, Gitta Trauernicht, will dies geklärt wissen:

    "Sicherheit hat für uns absolute Priorität. Ich erwarte von dem Betreiber, dass die Aufklärung über die Ursachen umfänglich, konsequent und abschließend erfolgt sind, bevor die Kernkraftwerke wieder ans Netz gehen."

    Aber schon zwei Tage später willigt sie ein, das Kernkraftwerk Brunsbüttel wieder ans Netz gehen zu lassen. Krümmel hingegen bleibt weiter abgeschaltet. Betreiber Vattenfall legt in einer Presseinformation Wert auf die Feststellung, dass die Störungen nicht mit dem Nuklearbereich in Verbindung gestanden hätten. Einige Tage später wird aber bekannt: Während des Trafo-Brandes war im Wasserkreislauf des Reaktors von Krümmel eine Pumpe ausgefallen, und ein Mitarbeiter in der Kontrollwarte des Kernkraftwerks hatte aufgrund eines Missverständnisses zwei Ventile geöffnet und so die eigentlich nicht notwendige Schnellabschaltung ausgelöst. Was Vattenfall zunächst auch verschweigt: während des Trafo-Brandes war außerdem Rauchgas in die Kontrollwarte eingedrungen. Das kommt erst durch den TÜV heraus. Nach dem Brand vergeht eine Woche bis Vattenfall-Geschäftsführer Bruno Thomauske an die Öffentlichkeit geht - und auch den Vorfall mit dem Rauchgas einräumt:

    "Einige Leute klagten über leichte Reizung der Schleimhäute, und andere waren weniger davon betroffen oder haben das weniger stark bemerkt. Der Reaktorfahrer selbst hat dann eine Maske angelegt, und insofern eine gefilterte Belüftung der Atemluft gehabt."

    Der Druck auf Vattenfall nimmt zu. Ministerin Trauernicht will prüfen lassen, ob Vattenfall die für den Betrieb von Kernkraftwerken nötige Zuverlässigkeit noch mitbringt.

    "Die Frage der Betriebserlaubnis aufgrund der Zuverlässigkeit des Betreibers ist eine berechtigte Frage. Diese Frage ist hochkomplex vor dem Hintergrund atomgesetzlicher Voraussetzungen. Ich werde hier die Expertise eines externen Sachverständigen bei der Beantwortung dieser Frage zuziehen."

    Dann wird eine weitere Panne bekannt - und wieder informiert Vattenfall erst mit Verzögerung darüber. Beim Wiederanfahren des Kernkraftwerks Brunsbüttel war es offenbar durch Fehler des Personals gleich zweimal zu ungewollten Absperrungen im Reaktorwasserreinigungssystem gekommen. Das Bundesumweltministerium schaltet sich ein und bittet Vattenfall zu einem so genannten bundesaufsichtlichen Gespräch in das Kieler Sozialministerium. Dort meldet Vattenfall-Geschäftsführer Thomauske gleich den nächsten Vorfall: Im Kernkraftwerk Brunsbüttel bildet sich an einer Leitung vermehrt Wasserstoff. Dies könnte im schlimmsten Fall zu einer Explosion führen. Der Reaktor muss deshalb auf ein Viertel seiner Leistung heruntergefahren werden. Vattenfall-Geschäftsführer Thomauske sieht aber keinen Grund, dem Konzern die Betriebsgenehmigung zu entziehen.

    "Im Hinblick auf die Zuverlässigkeit bin ich sicher, dass keine Erkenntnisse an der Stelle vorliegen, die die Zuverlässigkeit des Betreibers in Frage stellen können."

    Tags drauf hat Vattenfall schon wieder eine Meldung für die Atomaufsicht: Im Kernkraftwerk Krümmel sind nicht erdbebensichere Dübel verwendet worden. Jetzt ist endgültig klar: Krümmel geht vorerst nicht wieder ans Netz - aber die Pannenserie ist noch nicht zu Ende: Gestern wird gemeldet, Mittwoch sei ein kleines Leck an der Vorwärm-Anlage des Kraftwerks gefunden worden. Der schadhafte Entlüftungsstutzen sei ausgetauscht worden.

    Berlin Chausseestraße. Während eine Schadensmeldung nach der anderen an die Öffentlichkeit dringt, bemüht man sich am Firmensitz von "Vattenfall Europe" um Schadensbegrenzung.

    "Wir haben, wie Sie wissen, ja in unseren Kernkraftwerken in Brunsbüttel und in Krümmel die eine oder andere Auffälligkeit ... "

    ... sagt Reinhard Hasser, zuständig im Vattenfall-Vorstand für den Kraftwerksbereich. Dass es sich bei der Pannenserie in Krümmel und in Brunsbüttel nicht bloß um "die eine oder andere Auffälligkeit" handelt, hat der Vorstandsvorsitzende Klaus Rauscher inzwischen eingesehen, nach der heftigen Kritik an der Informationspolitik des Energiekonzerns, den offensichtlichen Mängeln im Sicherheitsbereich und dem vermuteten Fehlverhalten des Reaktorpersonals.

    "Wir haben die Behörde in Kiel unverzüglich und umfassend informiert, und es war zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der Menschen in der Anlage oder der Umgebung gegeben. Aber wir wissen wohl, Kernenergie hat eine besondere Aufmerksamkeit. Wir dürfen uns als Vattenfall jetzt nicht zum bloßen Opfer einer politischen Kampagne gegen die Kernkraft darstellen, sondern wir müssen uns selbstkritisch fragen, ob wir im Umgang mit den Vorfällen Fehler gemacht haben, und das heißt, ob wir alles richtig gemacht haben auf der einen Seite im Bereich der Technik, aber andererseits auch in der Kommunikation."

    In den Vorstandsetagen der Vattenfall-Konkurrenten und beim deutschen Atomforum ist man entsetzt darüber, wie die deutschen Statthalter des schwedischen Staatskonzerns die Pannenserie in Krümmel und Brunsbüttel gemanagt haben. Immerhin läuft zur Zeit die millionenschwere Werbekampagne "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer", mit der man das Image der Atomkraftwerke aufpolieren möchte. Der Präsident des deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder:

    "Es ist völlig klar, dass bei einer so sensiblen Technik, die die Öffentlichkeit auch wirklich berührt, es absolut notwendig ist, transparent und - sobald man was weiß - die Öffentlichkeit zu informieren."

    Hoch und heilig versprachen die Herren aus der Berliner Chausseestraße, allen voran der Vorstandsvorsitzende Klaus Rauscher, meldepflichtige Ereignisse in den Kraftwerken Krümmel und Brunsbüttel würden ab sofort nicht mehr nur der zuständigen Aufsichtsbehörde in Kiel, sondern unverzüglich auch der Öffentlichkeit per Internet mitgeteilt. Über andere wichtige Vorkommnisse werde man ebenfalls unmittelbar berichten. Die Botschaft soll lauten: "Wir haben verstanden, dass die Öffentlichkeit schnellere und umfassendere Informationen erwartet". Für Umweltminister Siegmar Gabriel - einen bekennenden Atomausstiegs-Befürworter - ist die Pannenserie bei Vattenfall Wasser auf die Mühlen.

    "Wenn man einen Unfall hat und dann dafür sorgt, dass die entsprechenden Informationen - das scheint ja sozusagen zur Regel zu werden bei einigen Betreibern - die Information, was da wirklich passiert ist, immer stückweise erfährt in der Öffentlichkeit, steigert nicht gerade das Vertrauen in die Betreiber. Und eine Kampagne "Pro Atom", in deren Mitte zwei Kraftwerke in Brand geraten, ist eine ziemlich teure, weil nutzlose Werbekampagne."

    Die Abschaltung der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel wertete der SPD-Minister gleich nach Bekanntwerden als Beleg dafür, dass der Atomausstieg aus Sicherheitsgründen notwendig sei. Unterstützung für seine Position bekommt der Minister vom Bundesamt für Strahlenschutz. Das hatte in seinem Jahresbericht eine steigende Zahl meldepflichtiger Ereignisse bei älteren Atomkraftwerken verzeichnet. Auch deshalb empfindet Gabriel die Anträge von Kernkraftwerksbetreibern, die Laufzeiten von älteren Atom-Anlagen zu verlängern, als Zumutung.

    "Der Antrag der Betreiber lautet ja: Ich verkürze die Laufzeit eines modernen Kraftwerks, damit ich die Laufzeit eines alten Kraftwerks verlängere. Da würde ich sagen, sagt einem schon der gesunde Menschenverstand, und erst recht der juristische, dass das einer besonderen Begründung bedarf. Denn dass ein neueres Kraftwerk vermutlich sicherheitsoptimierter ist als ein altes, das dreißig Jahre alt ist, dafür muss man vermutlich kein Anlagenbauer sein, um dem zuzustimmen."

    Dem widerspricht der hessische Ministerpräsident Koch.

    "Kernkraftwerke, die heute in Deutschland ihren Betrieb sicher leisten, sollen solange genutzt werden können, solange sie sicher diesen Betrieb leisten. Das ist das Kriterium."

    Und sicher, so Koch, sind Deutschlands Kernkraftwerke allemal.

    "Kerntechnische Anlagen sind ganz normales Menschenwerk, das heißt, in ihnen können Fehler vorkommen. Was wir gemacht haben, ist, die Sicherheitstechnik so vielfach auszustatten, dass ein Fehler, der an einer Stelle gemacht wird, durch die nächste Sicherheitsebene aufgehoben wird. Wie die Grünen es immer wieder versuchen, jeden einzelnen menschlichen Fehler, der dort geschieht, zu einer Frage des Systems zu machen, das ist falsch."

    Auch für die großen Energiekonzerne sind Umweltminister Gabriel, die Mehrheit der Sozialdemokraten und selbstverständlich auch die Grünen ideologisch verblendet, wenn es um die friedliche Nutzung der Kernenergie geht. Vattenfall-Vorstandschef Klaus Rauscher spricht deshalb auch von einer politischen Instrumentalisierung der jüngsten Störfälle.

    "Sie wissen ja, dass es in verschiedenen politischen Lagern unterschiedliche Bewertungen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie gibt, und natürlich gibt es Teile der Politik, die eine Politik gegen die Kernkraftwerke verfolgen, und dass Anlässe, wie jetzt in Brunsbüttel oder in Krümmel instrumentalisiert werden von politisch interessierter Seite."

    Walter Hohlefelder, Präsident des Atomforums, räumt zwar einen großen Imageschaden für die Atomenergie ein, bestreitet aber, dass die Kernkraft ein technisch zu großes Risiko darstellt. Für klimaschützerisch besonders wertvoll, hält Hohlefelder die Kernkraft ohnehin.

    "Das ist eine günstige Gelegenheit für alle diejenigen, dieses Thema hochzuziehen, um Argumente für den Ausstieg aus der Kernenergie zu gewinnen. Von der rein sicherheitstechnischen Seite hat es hier nie irgendeine Gefährdungslage gegeben. Trotzdem ist von der rein technischen Betrachtungsweise die öffentliche Wahrnehmung zu unterscheiden, und die öffentliche Wahrnehmung ist im Leben nun auch mal eine Realität. Deswegen ist es in der Tat so, dass wir hier mit diesem Vorgang im Hinblick auf die Frage Zukunft der Kernenergie in Deutschland einen Dämpfer erhalten haben."

    Der "Dämpfer", von dem der Präsident des Atomforums spricht, lässt sich in Zahlen ausdrücken. Jörg Schönenborn fasst die Umfragewerte zur Kernkraft im ARD-Deutschland-Trend zusammen:

    "Wir haben dieses Jahr eigentlich eine ganz interessante Entwicklung. Im Winter, bei der Klimadebatte, waren die beiden Lager fast gleichauf, es gab nur noch eine geringe Mehrheit für den Atomausstieg, 45 Prozent haben gesagt, das muss man überdenken, und jetzt ist es wieder auf 40 Prozent abgerutscht. ( ... ) Wir haben historisch in allen Umfragen eigentlich einen harten Kern für die Atomenergie, den man so auf rund 25 Prozent beziffern kann. Zwei Drittel haben den Atomausstieg immer unterstützt."

    Durch die Klimadebatte, hatte man in der Union gehofft, würde sich das Meinungsklima zugunsten der Kernkraft drehen. Dies war und ist nicht in dem erwarteten Ausmaß eingetroffen. Dessen ungeachtet will sich der hessische Ministerpräsident Roland Koch zumindest die Option auf einen Wiedereinstieg in die Kernkraft offenhalten und hofft auf eine andere Mehrheit bei der Bundestagswahl 2009.

    "Ich glaube, dass die Kernenergie ein Bestandteil der deutschen Energiepolitik sein muss. Ich möchte, dass wir in der ersten Hälfte des nächsten Jahrzehnts uns anschauen, was in der Welt um uns herum passiert ist, um dann endgültig festzulegen, wie wir mit der Frage umgehen, möglichst schnell möglichst wenig CO2 auszustoßen und gleichzeitig wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben, mit unseren großen Wettbewerbsländern in der Welt."

    Mit der SPD ist eine Verlängerung der Kernkraftwerkslaufzeiten oder der Verzicht gar auf den zwischen den Kernkraftwerksbetreibern und der rot-grünen Bundesregierung vereinbarten Atomausstieg nicht zu machen.
    Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber, der in der Bundestagsfraktion für die Reaktorsicherheit, Energie und Umwelt zuständig ist:

    "In der SPD ist die Position sehr, sehr fest. Wir haben ja gerade unsere Mitgliederbefragung zum Grundsatzprogramm abgeschlossen, und zu keiner Frage gab es eine so klare Mehrheit in der Mitgliedschaft wie der Frage Atomausstieg beibehalten. Mit Ja haben 88 Prozent geantwortet."

    In Schleswig-Holstein müssen nach dem Atomkonsens gleich drei Kernkraftwerke abgeschaltet werden: Alle drei liegen an der Elbe - in Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel. Die Große Koalition in Kiel hatte den Weg zur Ansiedlung von zwei neuen Kohlekraftwerken schon freigemacht - gegen Kritik vor allem der Grünen. Mitten hinein in die Diskussion darüber, ob der Ausstieg aus der Atomenergie dem Klima schadet, platzten die Zwischenfälle von Brunsbüttel und Krümmel. Heute haben sie den Landtag in Kiel beschäftigt. Das Klima spielte dabei keine Rolle. Vattenfall stand am Pranger, aber auch die Sozialministerin selbst. Die Opposition warf ihr vor, sie habe selbst nicht schnell genug informiert, und sie habe Vattenfall keine Auflagen für eine schnellere Aufklärung gemacht. Es hätte beispielsweise viel früher geklärt werden müssen, was sich zum Zeitpunkt des Brandes im Kernkraftwerk Krümmel abspielte, sagte Karl-Martin Hentschel, der Fraktionschef der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag:

    "Es wurde berichtet, dass eine Leitwarte zum Zeitpunkt des Brandes statt der sechs üblichen Personen über 20 Personen anwesend waren. Als Rauch eintrat, seien nicht genügend Atemmasken vorhanden gewesen. Es soll Missverständnisse und Auseinandersetzungen gegeben haben. In der Folge gab es mehrere Fehlbedienungen. Die automatische Datensicherung hat nicht funktioniert. Hat da möglicherweise eine Feier stattgefunden? Hatten anwesende Personen Alkohol getrunken?"

    Sozialministerin Trauernicht habe zugelassen, dass Vattenfall solche Fragen bei dem so genannten bundesaufsichtlichen Gespräch am Montag nicht beantwortete, dass der Konzern erst jetzt einen Zwischenbericht dazu vorlegt und dass er die beteiligten Mitarbeiter erst am kommenden Montag befragen lassen will, so der Vorwurf an die Ministerin. Für die Grünen in Schleswig-Holstein sind außerdem die Voraussetzungen für eine Betriebsgenehmigung des Energie-Konzerns längst verfallen - vor allem wegen einer mangelnden Zuverlässigkeit muss ihrer Meinung nach die Lizenz entzogen werden. Ministerin Trauernicht hielt dem entgegen:

    "Ich lasse mich auch durch Drohungen mit Schadensersatzansprüchen nicht davon abhalten, bestmögliche Sicherheit von Vattenfall zu verlangen. Das aktuelle Verhalten von Vattenfall gibt alle Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob wir es hier noch mit einem zuverlässigen Betreiber zu tun haben. Deshalb habe ich die Prüfung für rechtliche Anknüpfungspunkte des Entzugs der Betriebsgenehmigung auf den Weg gebracht. Zur Zeit wird mit Hochdruck und Sorgfalt durch die Reaktoraufsicht und unabhängige Sachverständige der Sachverhalt aufgeklärt und auf gerichtsfeste Fakten hin überprüft."

    Das dauert der Opposition zu lange. Die FDP forderte ebenso wie die Grünen den Rücktritt der SPD-Ministerin. Die Große Koalition stellte sich aber hinter Gitta Trauernicht. CDU und SPD - in der Energiepolitik sonst zerstritten - hatten sich auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt, in dem eine konsequente Aufklärung der Vorfälle in Brunsbüttel und Krümmel gefordert wird. Die CDU akzeptierte auch, dass nach dem Landstagsbeschluss je nach Ausgang der Überprüfungen auch der Entzug der Betriebsgenehmigung in Frage kommen soll. Dies liegt eher auf der Linie des Koalitionspartners SPD. Dessen grundsätzliche Position machte der Abgeordnete Olaf Schulze deutlich:

    "Die Vorfälle in beiden Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel zeigen, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt. Menschliches und technisches Versagen können schnell zu größeren Problemen führen. Wir brauchen eine verantwortungsvolle Politik, das kann nur der Ausstieg aus der Atomkraft sein, deren Risiken nicht beherrschbar sind. Aus diesem Grund muss auch allen Forderungen nach längeren Laufzeiten eine Absage erteilt werden. "

    Diese längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke verlangt die schleswig-holsteinische CDU. Sie verzichtete aber heute darauf, dies in die Debatte zu werfen. Manfred Ritzek deutete den Kurs der CDU nur an:

    "Die beiden Störfälle dürfen nicht zur Panikmache verwendet werden. Wohl aber dafür, dass alle Probleme zu analysieren, abzustellen und zu kommunizieren sind. Es ist oberstes Gebot nach wie vor, die Sicherheit der Kernkraftwerke zu erhalten und das Vertrauen in den Betrieb von Kernkraftwerken wiederherzustellen."

    Das dürfte beim Koalitionspartner SPD aber schwer zu erreichen sein. Der Streit um den energiepolitischen Kurs in Schleswig-Holstein ist nur aufgeschoben. Denn auf dem Tisch liegt ein so genanntes Energie-Grünbuch des CDU-Wirtschaftsministers Austermann. Danach würde nach einem Abschalten von Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel dreimal soviel Kohlendioxid ausgestoßen wie heute, weil neue Kohlekraftwerke die Energie erzeugen müssten. Und das selbst dann, wenn die Menge des in Schleswig-Holstein aus Wind erzeugten Stroms bis zum Abschalten der Reaktoren verfünffacht würde. Der Wirtschaftsminister des Landes fordert deshalb, Kernkraftwerke so lange laufen zu lassen, bis neue Techniken zur klimaunschädlichen Energieerzeugung einsatzfähig sind. Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt diesen Kurs. Nicht in jeder Debatte werden die Koalitionspartner CDU und SPD dies ausklammern können.