Freitag, 19. April 2024

Archiv


Der Druck wächst

Seit einiger Zeit wird gegen Armstrong wegen Betrugs und Verschwörung ermittelt. Der Verdacht: Die US-Post wurde in ihrer Sponsorenrolle durch Doping um Millionen Dollar gebracht. Eine obskure Rolle spielt dabei eine Armstrongs Zeugin. Nun verdichten sich die Verdachtsmomenten - auch Dank Telefonaufzeichnungen aus dem Internet.

Von Jürgen Kalwa | 18.09.2010
    Es ist nicht einfach, in diesen Tagen als Rechtsanwalt den Radfahrer Lance Armstrong zu verteidigen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die durch die Enthüllungen von Floyd Landis ans Laufen kamen, finden hinter verschlossenen Türen statt. Fast jedes Detail, das heraussickert, erhärtet nur einen Verdacht: dass der Texaner im Laufe seiner Karriere wohl immer wieder zu Dopingmitteln gegriffen hat und außerdem dafür sorgte, dass sich in seinen Teams auch die Domestiken stark machten - mit verbotenen leistungsfördernden Mitteln.

    Als Advokat kann man in einer solchen Situation nicht viel machen außer auf Schritt und Tritt die Glaubwürdigkeit der Informationen und die Motivlage der Beteiligten zu attackieren. Doch damit stehen die Rechtsberater zunehmend auf verlorenem Posten. Das zeigte sich in dieser Woche, als bekannt wurde, dass sich die Ermittler mit einem Tondokument beschäftigen, das schon seit einer Weile im Internet herumschwirrt. Es handelt sich um den Mitschnitt eines Telefongesprächs aus dem Jahr 2004 zwischen Greg LeMond, Amerikas erstem Radrennfahrer der Extraklasse, und einer bis dato völlig unbekannten Frau: Stephanie McIlvain, einst die wichtigste Kontaktperson von Armstrong bei seinem Werbepartner, dem Brillenhersteller Oakley.

    Worüber sich die beiden damals unterhielten, könnte nicht nur Armstrong in Schwierigkeiten bringen, sondern vor allem auch McIlvain, die bereits von der Staatsanwaltschaft in Los Angeles eine Vorladung erhielt.

    Das Thema des aufgezeichneten Gesprächs: Hat Lance Armstrong 1996 im Krankenhaus vor Zeugen zugegeben, dass er als junger Radprofi Dopingmittel genommen hat.

    ""And I am not asking you to do anything you would never want to do. But if it would get down to where it was a lawsuit. Would you be willing to testify?”"

    "Ich bitte dich nicht darum, etwas zu tun, was du nie tun würdest”, sagte LeMond. "Aber wenn es einen Prozess gäbe, wärst du bereit, als Zeuge auszusagen?”

    Darauf Stephanie McIlvain:

    ""If I was subpoenaed I would. Cause I am not gonna lie. I was in that room. I heard it. You know. I definitely won't lie. If I am subpoenaed, you know ... .”"

    Sie würde aussagen, wenn sie vorgeladen würde, sagte sie: "Weil ich nicht lügen werde. Ich war in dem Zimmer. Ich habe es gehört.”

    Das Problem für die Frau aus Kalifornien, die wie so viele wirtschaftlich von der Armstrong-Industrie abhängig war: Ein Jahr später hat sie unter Eid in einem Schiedsgerichtsverfahren zwischen Armstrong und einem texanischen Versicherungsunternehmen genau das Gegenteil behauptet. Und das obwohl damals im Krankenhaus noch andere Zeugen waren, die bereits bestätigt haben, was der krebskranke Armstrong damals offensichtlich zugegeben hatte: Die Einnahme von Anabolika, Wachstumshormonen und EPO.

    Dessen Rechtsanwalt Mark Fabiani schmetterte die neuen Enthüllungen am Donnerstag öffentlich einfach ab. Die Tonbandaufnahme sei illegal gewesen, weil McIlvain nichts von der Aufzeichnung gewusst habe. Und überhaupt handle es sich dabei nur um einen von LeMonds erbärmlichen Versuchen, einen alten Disput zwischen zwei Radfahrern aufleben zu lassen.

    Die Taktik wirkt eher hilflos. Zumal jetzt auch die französische Anti-Doping-Agentur die Arbeit der amerikanischen Ermittler unterstützen will. Mit Armstrongs nachgetesteten B-Proben von der Tour de France 1999. In denen hatte das zuständige Labor EPO-Spuren gefunden.

    Pierre Bordry, der Chef der Agentur, ist von den Erfolgen der US-Behörden beeindruckt, die im Rahmen des BALCO-Skandals Dopingsünder wie Marion Jones ins Gefängnis gebracht hatten. "Sie können uns um alles bitten. Wir werden das machen.”