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Der Einfluss des Staates auf die Ökonomie

Die US-Ökonomen Christopher Sims und Thomas Sargent erhalten den Wirtschaftsnobelpreis. Den London-Korrespondenten des Handelsblatts, Olaf Storbeck, verwundert zumindest die Entscheidung für Sargent: Dessen Thesen vom wenig einflussreichen Staat seien längst widerlegt.

Olaf Storbeck im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 10.10.2011
    Tobias Armbrüster: Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, der geht in diesem Jahr an die beiden US-Ökonomen Christopher Sims und Thomas Sargent. Das hat die schwedische Akademie der Wissenschaften vor wenigen Minuten bekannt gegeben. Der Wirtschaftsnobelpreis wird erst seit 1968 verliehen, er ist damit der einzige der Nobelpreise, der nicht auf das Testament von Alfred Nobel zurückgeht. Trotzdem natürlich die begehrteste Auszeichnung für Ökonomen in aller Welt. Olaf Storbeck ist Korrespondent für das Handelsblatt in London, er hat sich in diesem Jahr eingehend mit den Kandidaten für diesen Nobelpreis befasst. Herr Storbeck, wofür genau werden die beiden Wissenschaftler geehrt?

    Olaf Storbeck: Ja, beide Preisträger sind Makroökonomen. Das heißt, sie beschäftigen sich mit dem großen Ganzen in der Wirtschaftspolitik, also der Frage, wie beeinflusst der Staat mit Konjunkturpolitik, mit Geldpolitik die Gesamtwirtschaft. Und beide haben versucht, Methoden zu finden, diesen Einfluss zu messen. Das ist ja schwieriger als in den Naturwissenschaften, wo man Experimente machen kann, das geht in der VWL ja nicht.

    Armbrüster: Können Sie das erklären? Wie zum Beispiel wird so was gemessen?

    Storbeck: Sims hat eine Methode ermittelt, das ist relativ komplex, indem man sich statistische Daten anguckt, Zeitreihen anschaut, dann versucht, unerwartete Schocks zu isolieren und zu erkennen, und dann aus diesen Schocks heraus zu sehen, wie sich dann verschiedene Größen zum einen verändern. Das kann man dem Laien nicht wirklich innerhalb von 30 Sekunden erklären.

    Armbrüster: Meinen Sie denn, könnten sich aus solchen Erkenntnissen, die diese beiden US-Ökonomen gewonnen haben, könnten sich daraus Hinweise oder praktische Anleitungen ergeben zum Beispiel für die aktuelle Politik?

    Storbeck: Sims - der war gerade selber in die Pressekonferenz per Telefon zugeschaltet - sagte: eigentlich nicht. Seine eigenen Erkenntnisse oder Methoden, die da ausgezeichnet wurden, haben keine direkte Antwort, sondern liefern im Grunde Wege, wie man, in welche Richtung man suchen muss. Aber es ist halt sozusagen kein Patentrezept, was sich daraus ableitet.

    Armbrüster: Sie haben jetzt angesprochen, es sind Makroökonomen, die hier ausgezeichnet werden, zwei Männer, die sich vor allem mit der Rolle des Staates in der Wirtschaft befassen. Ist das eine Richtung in der Ökonomie, die wichtiger wird in der derzeitigen Finanzkrise, die wir weltweit erleben?

    Storbeck: Ja die war eigentlich immer schon wichtig und das, was mich ein bisschen überrascht, ist, dass vor allen Dingen mit Thomas Sargent jemand ausgezeichnet wird, der eigentlich seine große Zeit in den 70ern hatte und da ein sehr starker Kritiker der Keynesianischen Makroökonomie war, die eigentlich jetzt im Zuge der Finanzkrise ja eine gewisse Renaissance gefeiert hat. Eigentlich ist die Wissenschaft da auch schon wieder einen Schritt weiter und lässt die Ideen und Thesen von Sargent weitgehend hinter sich, weil Sargent im Grunde gesagt hat, der Staat hat wenig Möglichkeiten, mit Konjunkturpolitik die Konjunktur zu beeinflussen. Und wir haben in der Finanzkrise gesehen, dass das eigentlich nicht der Fall ist.

    Armbrüster: Ganz kurz, Herr Storbeck. Sie haben die Pressekonferenz verfolgt: Wie ist die Auszeichnung bei den beiden angekommen?

    Storbeck: Beide sind natürlich hoch erfreut, das ist die größte Auszeichnung, die Ökonomen kriegen können. Sims hat gesagt, er hat das nicht erwartet; ich glaube das nicht ganz, weil beide schon lange auch als Kandidaten immer wieder gehandelt wurden.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.