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Der erste Meteorologe
Vor 125 Jahren starb Christoph Buys Ballot

Regen und Sonnenschein vorherzusagen, das haben wohl schon seit eh und je Menschen versucht. Doch erst der niederländische Gelehrte Christoph Buys Ballot machte aus der Wetterkunde eine Wissenschaft. Er initiierte unter anderem den Aufbau eines internationalen Wetterbeobachtungsnetzes, das die Daten für erste professionelle Vorhersagen lieferte.

Von Mathias Schulenburg | 03.02.2015
    Sonnenstrahlen durchbrechen eine Wolkendecke.
    Christoph Buys Ballot versuchte, das komplexe System Wetter zu durchdringen. (Imago / Blickwinkel)
    "Es hätte ein Konzert für Dadaisten sein können: An der Lokomotive, die am 3. Juni 1845 auf den Geleisen zwischen Utrecht und Maarssen in Holland hin und her fuhr, hing ein einziger offener Wagen, auf dem drei Männer standen. Einer notierte auf einem Formular Zahlen, ein zweiter spielte auf seiner Trompete ein G, sobald ihm der dritte das Zeichen dazu gab."
    So Reto U. Schneider in der "Neuen Zürcher Zeitung". Am Rande der Strecke wartete der
    28 Jahre junge niederländische Wissenschaftler Christoph Buys Ballot mit weiteren Blasmusikern, die lauschten, ob sich der Trompetenton – wie von Christian Doppler, einem österreichischen Physiker, vorhergesagt – beim Nahen des Trompeters hob und nach dessen Vorbeifahrt senkte. In der schnellen Welt von heute sind Doppler-Effekte vertraute Töne. Das Spektakel trug Buys-Ballot bleibenden Ruhm ein, kurz darauf wurde er Dozent für Mineralogie und Geologie an der Universität Utrecht.
    Buys-Ballot und das Barische Windgesetz
    Der Gelehrte war ausgesprochen vielseitig. So korrigierte er die kinetische Gastheorie nach Rudolf Clausius, der zufolge die Energie eines Gases in schnell fliegenden Molekülen steckte. Dem hielt Buys Ballot Schwefelwasserstoff entgegen, wie ihn ein hart gekochtes Ei verströmt; die streng riechende Substanz, in einer Ecke eines Raumes freigesetzt, hätte – von ungehemmten, schnellen Molekülen getragen – augenblicklich im ganzen Raum wahrnehmbar sein müssen, was nicht der Fall ist. Clausius nahm daraufhin richtig an, dass die Moleküle durch Zusammenstöße verlangsamt würden. 1847 ernannte die Universität Utrecht Buys Ballot zum Professor für Physik. Mathematik kam später.
    Die bedeutendsten Beiträge aber gelangen dem Niederländer auf dem Gebiet der Meteorologie. Sein sogenanntes Barisches Windgesetz – das auch andere entdeckt hatten, wovon er nichts wusste – kann man so beschreiben:
    "Der zwischen einem Hochdruck- und einem Tiefdruckgebiet ausgleichende Wind bläst großenteils senkrecht zur Verbindungslinie der Gebiete."
    Der erstaunliche Befund, dass Hochdruck und Tiefdruck nicht auf dem direkten, geraden Wege durch Luftströmungen ausgeglichen werden, ist auf die Erddrehung zurückzuführen, die sogenannte Corioliskräfte bewirkt. Das Barische Windgesetz ist nicht ganz genau, und in Äquatornähe gar nicht anwendbar; über- und unterhalb des Äquators aber liefert es gute Daumenregeln, etwa um Hurrikanes auszumachen, weiß die Fachliteratur:
    "Wenn man sich im Norden gegen den Wind stellt und seinen rechten Arm im rechten Winkel zur Nase ausstreckt, zeigt der Arm ungefähr auf das Zentrum des Sturms. Wenn man das wieder und wieder macht, kann man den relativen Weg verfolgen, den der Sturm nimmt."
    Buys Ballot machte aus der Wetterkunde tatsächlich eine Wissenschaft. Er initiierte den Aufbau eines internationalen Wetterbeobachtungsnetzes, das die Daten für erste professionelle Wettervorhersagen lieferte, engagierte sich mit eigenem Geld für den niederländischen Beitrag zum Ersten Internationalen Polarjahr – vom Sommer 1882 bis zum Sommer 1883 –, bei dem meteorologische und geologische Messdaten gesammelt wurden und verschwand, als er schließlich pensioniert wurde, ganztägig in seinem meteorologischen Observatorium auf der Bastion Sonnenborgh in Utrecht. Er starb, mit Ehrungen überhäuft, am 3. Februar 1890.
    Was aber, im Übrigen, hatten die Blasmusiker, die 1845 an der Doppler-Teststrecke standen, außer Lauschen noch zu tun? Sie beschallten ihrerseits die Musiker auf dem Güterwagen, die feststellen sollten, ob der Doppler-Effekt auch für bewegte Beobachter zu hören ist. Er ist es. Damit war der akustische Dopplereffekt experimentell bewiesen.