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Der Fall Alina Angel

Alina Angel ist ein Star unter den jungen moldauischen Journalisten. Unerschrocken hat sie Affären der korrupten Staatsführung aufgedeckt, vor einem Jahr musste sie dafür teuer bezahlen.

Von Sabine Adler | 01.08.2005
    Als sie sich an einem Sommermorgen auf den Weg in die Redaktion machte, wurde sie unmittelbar vor ihrem Hauseingang von zwei mit Eisenstangen bewaffneten Männern niedergeschlagen. Heute kündet für jeden sichtbar eine lange dunkelrote tiefe Narbe am linken Arm von diesem Überfall, die Narbe am Kopf verdeckt die blonde Mähne.

    "Ich wusste, dass es eines Tages passieren würde. Drei Monate lang hatte ich schon Drohanrufe bekommen, dass ich aufhören soll, solche Geschichten zu schreiben und dass ich am besten das Land verlassen soll, sofort. Ich machte weiter und da schlugen sie zu. Sie zielten ausschließlich auf den Kopf, aber weil ich ihn mit den Armen schützte, kam ich wohl mit dem Leben davon. Ich schrie und machte so die Leute aufmerksam. Sie flohen und konnten ihre Sache nicht zu Ende bringen. Wären die Leute nicht gewesen, hätten sie mich wohl erschlagen."

    Am schnellsten war die Gehirnerschütterung auskuriert, der zertrümmerte Unterarm musste innerhalb von acht Monaten mehrfach operiert werden, es wurde eine Metallplatte eingesetzt, aber jetzt ist sie wieder gesund. Das schlimmste hinterher, sagt sie leise, war die Angst.

    "In den ersten Monaten danach fürchtete ich mich vor jedem Fremden. Ich bewegte mich nur noch in Begleitung meiner Eltern, mochte in keinen Lift steigen, in dem ein Unbekannter stand, schreckte bei jedem Auto, das neben mir stoppte, zusammen. Das dauerte ein Vierteljahr. Später wich die Angst der Vorsicht."

    Wer sie so zugerichtet hat, ist für die moldauische Journalistin nicht wirklich wichtig. Die Polizei täuschte Aktionismus vor, verhaftete einen Unbeteiligten, doch für die Hintermänner, die Alina Angel in Regierungskreisen vermutet, interessierte sie sich nicht. Aus Angst?
    Mit zwei Geschichten glaubt Alina Angel ihre Gegner herausgefordert zu haben, beide führen in höchste Kreise.

    Bei dem ersten Korruptionsskandal ging es um die Entlassungen ranghoher Mitarbeiter im Innenministerium. Der korrupte mit einem gefälschten Juristendiplom ausgestattete Minister soll in seiner Umgebung nur noch geduldet haben, wer sich ihm unterordnete, seine krummen Geschäfte deckte.

    Bei der zweiten Geschichte ging es um einen geheimen Autokauf, für den die Regierung in dem bettelarmen Land zwischen der Ukraine und Rumänien Geld abzweigte. Die Autos waren bestimmt für die Provinzfürsten der 32 Kreise und einige andere hohe Beamte, alles dem Präsidenten treu ergebene Kommunisten.

    "Kurz vor den Wahlen machte Präsident Woronin jedem von ihnen so einen Skoda zum Geschenk. Im Dezember bekamen sie von ihm die Autoschlüssel überreicht, mit dem Hinweis, dass die Wahlen vor der Tür stehen und man gemeinsam alles daran setzen werde, dass die Macht zu erhalten. Und die Vorsitzenden arbeiteten dann entsprechend ihre Autos ab."

    Zum zweiten Mal hatte die Regierung bei dem ansässigen Skodahändler die Wagen gekauft. Beim ersten Mal 25, beim zweiten Mal 40 Autos, immer heimlich, bis Alina Angel Licht in das unerlaubte Geflecht von Regierung und Wirtschaft brachte.

    "Nach dem Überfall auf mich haben die Journalisten in Moldau verstanden, dass man sich mit dieser Regierung besser nicht anlegt. Alle waren schockiert und verängstigt und schrieben die ersten Monate kritische Geschichten nur noch unter Pseudonym. Aber mit der Zeit ist die Angst verschwunden und sie beginnen wieder, offen zu schreiben. Und auch ich mache weiter: Diese Regierung wird mich nicht einschüchtern."

    Statt sich bis zum Herbst in Deutschland nur zu erholen, was ihr die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte ermöglicht, schreibt sie schon wieder. Zum Beispiel über die niedrige Geburtenrate in Deutschland. Oder über den VW-Skandal, in dem Skoda-Chef Schuster eine wichtige Rolle einnimmt.

    "Das hat mir natürlich direkt in die Hände gespielt. Und irgendwie scheint es sich zu bewahrheiten: Immer wenn es um Skoda geht, riecht es nach Korruption, jedenfalls assoziiert man bei uns Skoda mit Skandal."

    Alina Angels Hoffnung ist nicht groß, dass die Presse zu Hause bald freier berichten kann und auch in der kleinen Republik Moldau, ähnlich wie beim Nachbarn Ukraine oder in Georgien, die Tage des Regimes gezählt sein könnten.

    "Wir haben keinen starken Oppositionsführer, keinen Juschtschenko und unsere Leute gehen nicht auf die Straße. Aber wenn ich an die Bürgermeisterwahlen in unserer Hauptstadt Chischinjau denke, dann entdecke ich doch so etwas wie Widerstand. Seit sechs Jahren versucht man in der Hauptstadt einen Bürgermeister zu wählen. Und weil sogar die große russischsprachige kommunistische Mehrheit verstanden hat, dass sie ohnehin nur betrogen wird, geht keiner mehr wählen. Ein paar Mal wurde die nötige Mindestbeteilung schon nicht erreicht. Vielleicht ist das die erste kleine Schwalbe, die die Revolution ja ankündigt."