Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Der Fall Khin Maung Win - Birma

Wir wissen nicht, ob der Kameramann Khin Maung Win sich für die landschaftlichen Reize Birmas interessiert hat. Für die zahllosen Naturwunder und Kulturschätze, die bis heute Tausende von Touristen ins Reich der goldenen Pagoden locken. Aber wir wissen, dass Khin Maung Win sich für die Demokratiebewegung in seinem Staat interessierte. Im Frühjahr '97 entschloss er sich, gemeinsam mit Kollegen, die prominenteste Oppositionspolitikerin des Landes zu interviewen: Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Die Videokassette mit dem Interview wollte das Team unter der Hand im Land verbreiten, eventuell auch ins Ausland lancieren. Doch dazu kam es nicht. Khin Maung Win fiel der Geheimpolizei der Regierung in die Hände.

Dorothea Jung | 01.09.2003
    Wir wissen über die Art, wie er verhaftet wurde, dass er auf offener Straße aufgegriffen wurde, zusammen mit anderen Mitgliedern der Demokratiebewegung. Er wurde verschleppt, mit Säcken über dem Kopf. Alle Verhafteten wurden an einen unbekannten Ort gebracht; die Familien wurden nicht darüber informiert, wo die Angehörigen inhaftiert wurden; und er wurde schließlich im Juni zu sieben Jahren Haft verurteilt.

    Birma-Expertin Almut Gersting von Amnesty International ist Rechtsanwältin. Almut Gersting hat ermittelt, dass nicht nur Win's Festnahme allen internationalen Rechtsstandards widersprach, sondern auch sein Gerichtsverfahren.

    Es gab keine anwaltliche Beratung, es gab keine Gerichtsverhandlung. Die Inhaftierten und eben auch Khin Maun Win wurden an einem Tag, der ihnen vorher nicht mitgeteilt wurde, vor Gericht geführt. Und dort wurde ihnen dann die zuvor schon ausgehandelte Haftstrafe genannt, eben sieben Jahre.

    Seit mehr als 40 Jahren herrschen in Birma Diktaturen. Wobei es die jetzige Junta in Sachen Menschenverachtung zur Perfektion gebracht hat. Die Methoden, mit denen das Regime seine Macht sichert, sind ebenso brutal wie effizient. Ethnische Konflikte schlägt es mit Waffengewalt nieder, jeder Bürger ist von Zwangsarbeit bedroht; und wer trotzdem noch eine abweichende Meinung vertritt, wird mit Hilfe von Spitzeln aufgespürt und ins Gefängnis geworfen. Dort muss dann jeder Häftling um sein Leben fürchten.

    Es werden ganz katastrophale Menschenrechtsverletzungen während der Haft begangen. Folter wird systematisch angewendet in der Haft. Das sieht dann so aus, dass zum Teil Dauerverhöre stattfinden über 36 Stunden, die Verhörten bekommen nichts zu essen, nichts zu trinken. Sie müssen zum Teil in Hundezwingern schlafen, auf Betonböden. Es gibt keine sanitären Anlagen, keine Toiletten. Sie werden nur ganz unzureichend ernährt, sie müssen zum Teil hungern. Aber - noch schlimmer - es wird auch systematische geschlagen; es wird mit Elektroschocks gefoltert; bei Frauen gibt es systematische Vergewaltigungen. Also: Ganz katastrophale Zustände.

    Khin Maung Win, den seine Freunde Sunny nennen, wusste von den Gefängnissen. Und hat trotzdem versucht, durch seine Arbeit der Stimme der Opposition Gehör zu verschaffen. Aung San Suu Kyi und ihre Nationale Liga für Demokratie hatten 1990 die Parlamentswahlen in Birma haushoch gewonnen, doch die Militärs ignorierten die Wahl und inszenierten eine beispiellose Unterdrückungskampagne. Mehrere Jahre lang stand Aung San Suu Kyi unter Hausarrest, viele ihrer Parteikollegen kamen ins Straflager. Gleichzeitig verschärfte das Militär die Zensur, verbot Fax- und Kopiergeräte verfügte eine lückenlose Telefonüberwachung und erfand mit dem Staatsschutzgesetz eine scheinbare Rechtsbasis für den staatlichen Terror.

    Nach diesem Staatsschutzgesetz wird den Behörden erlaubt, jede Person zu verhaften, jede Person unter Hausarrest zu stellen, oder auch ihr Gegenstände wegzunehmen, die verdächtigt wird eine Handlung durchzuführen, oder auch nur zu planen, die die Sicherheit des Staates gefährdet..

    Im letzten Jahr, während einer kurzen politischen Lockerungsphase, mit der das Regime bei der internationalen Gemeinschaft Pluspunkte sammeln wollte, haben Menschenrechtsgruppen erfahren, dass Khin Maung Win sich im Gefängnis an einem Hungerstreik beteiligt hat. Er streikte für die Freilassung politischer Gefangener. Erst kürzlich erfuhr seine Familie, dass die Sicherheitskräfte ihn deswegen in ein Straflager im Norden des Landes verbracht haben.

    Das ist eine Methode, um den Gefangenen zu isolieren, weiß der in Berlin lebende Birmese Kim Maun Yin.

    Gefangene werden weit von ihrem Wohnort verlegt. Und dann bekommen sie keinen Besuch von ihren Verwandten, und die wissen nicht, wie's ihm geht. Und wenn die Verwandten ihn dort besuchen wollen, dann brauchen die ein paar Tage bis dahin. Das ist ein Trick vom Militär, damit diese Gefangenen keinen Kontakt mit der Außenwelt haben.

    Sunnys jetzige Haftanstalt liegt im gleichen Distrikt, in dem die Junta kürzlich Aung San Suu Kyi verhaftete. Nach einem offenbar inszenierten Zusammenstoß zwischen Regimegegnern und Regierungsanhängern brachten die Generäle ihre prominenteste Widersacherin hinter Gitter. Das war Anfang Juni - und seitdem hat sich die Angst im Land verdichtet. Ausnahmslos jeder Mensch hat Angst, sagt der Berliner Birmese Yin.

    Alle Leute, alle normalen Bürger, alle Leute haben Angst. Wenn ich telefoniere mit meinen Verwandten, ich wollte wissen was passiert ist, sagen die: Wir haben Angst, wir dürfen nicht sprechen!

    Dennoch gibt es Widerstand im Land. Die Generäle haben Birma in Myanmar umgetauft - doch kein Dissident würde sein Land so nennen. Die Generäle haben auch den Namen Aung San Suu Kyi verboten, deshalb wird jetzt nur noch von der 'Lady' gesprochen, und trotzdem weiß jeder, wer gemeint ist. Außerdem steht das Wort Menschenrechte auf dem Index. Doch solange es Menschen gibt wie Sunny, die trotz Folterandrohung für die Freilassung politischer Gefangener in den Hungerstreik gehen, darf am Erfolg dieser Maßnahme gezweifelt werden.