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Der Fall Maaßen
Beckstein: CSU ist froh, wenn heute eine Entscheidung fällt

Der CSU-Politiker Günther Beckstein sagte im Dlf, er schätze Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als qualifizierten Beamten und werde den Appell nicht aussprechen, ihn zu entlassen. Außerdem halte er es für ausgeschlossen, dass die Kanzlerin deshalb den Innenminister fallen lässt.

Günther Beckstein im Gespräch mit Philipp May | 18.09.2018
    Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), spricht auf einem Symposium.
    Wird Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen sein Amt behalten? (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Philipp May: Schon wieder ein Showdown in der Bundesregierung und schon wieder stehen sich dabei Angela Merkel und Horst Seehofer gegenüber. Die Kanzlerin und der CSU-Chef reden heute mit SPD-Chefin Andrea Nahles über die Zukunft von Hans-Georg Maaßen, dem Präsidenten des Verfassungsschutzes. Der hatte sich in der "Bild"-Zeitung höchst umstritten über die Vorfälle in Chemnitz geäußert, über den gewaltsamen Tod eines Mannes, mutmaßlich durch Asylbewerber, und über die Ausschreitungen nach der Tat. Die SPD fordert den Rücktritt des Verfassungsschutzchefs. Angeblich will Merkel das auch, zumindest laut einem Bericht der "Welt". Aber was will der zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer?
    Am Telefon ist jetzt Günther Beckstein, selbst lange bayerischer Ministerpräsident und Innenminister, natürlich für die CSU. Schönen guten Morgen, Herr Beckstein.
    Günther Beckstein: Einen guten Morgen!
    May: Herr Beckstein, kann sich die CSU einen Rauswurf Maaßens leisten?
    Beckstein: Ich persönlich meine, dass die Frage, ob Maaßen zurücktreten muss oder ob er bleibt, für die bayerische Landtagswahl keine entscheidende Bedeutung hat.
    May: Dann kann man ja nachgeben.
    Beckstein: Das ist eine Frage, die Horst Seehofer zu entscheiden hat, und Horst Seehofer ist ein Mensch, bei dem Nachgeben nicht die größte Tugend ist.
    CSU ist froh, wenn eine Entscheidung fällt
    May: Das heißt, ich höre da schon Absetzbewegung heraus. Die CSU selbst wird die Koalition nicht platzen lassen; das ist eine reine Sache zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel?
    Beckstein: Selbstverständlich ist der Chef der CSU Horst Seehofer, und was er mit Maaßen macht, wird in weiten Teilen der CSU als seine Entscheidung angesehen. Wobei allerdings man auch sagt: Ob es in einem demokratischen Staat ein Grund für einen Rauswurf ist, wenn ein Verfassungsschutzpräsident sich öffentlich äußert? Das mag etwas missverständlich gewesen sein, aber da hatte Seehofer ja gesagt, dass er weiter Vertrauen zu ihm hat. Ob das ein Grund für einen Rauswurf ist, darüber zweifeln schon viele.
    May: Ja, gut. Aber Seehofer ist ja der einzige, der noch Vertrauen zu ihm hat. Die Kanzlerin hat kein Vertrauen und die SPD hat kein Vertrauen mehr. Und Sie wissen es ja selbst, Sie sind ja lange genug Innenpolitiker gewesen. Vertrauen, das ist doch die Währung des Bundesverfassungsschutzpräsidenten.
    Beckstein: Aber Seehofer ist der Chef im Innenministerium. Ob eine solche Frage eine Richtlinienkompetenz der Kanzlerin ist, da habe ich große Zweifel. Ob überhaupt die Richtlinienkompetenz gegen einen Koalitionspartner angewendet werden kann, darüber hat es im Frühsommer wichtige Auseinandersetzungen gegeben. Aber ich glaube, dass die meisten in der CSU froh sind, wenn heute Abend eine Entscheidung fällt, in die eine oder in die andere Richtung.
    May: Ist das der versteckte Appell an Horst Seehofer nachzugeben?
    Beckstein: Ich selber werde diesen Appell nicht sprechen. Ich kenne Herrn Maaßen seit vielen Jahren und ich selber schätze ihn als einen korrekten und qualifizierten Beamten. Von mir wird ein derartiger Appell nicht kommen.
    May: Aber vorausgesetzt - Sie haben gerade die Richtlinienkompetenz schon angesprochen -, Seehofer gibt nicht nach und Merkel macht von der Richtlinienkompetenz Gebrauch, dann müsste sie ja Seehofer entlassen. Hieße das dann auch, die CSU geht aus der Bundesregierung raus, es kommt zum Bruch?
    Beckstein: Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass die Kanzlerin einen derartigen Schritt macht. Jetzt muss ich auch sagen: Eine Frage eines Verfassungsschutzpräsidenten, wegen eines nicht mal wörtlichen Interviews in der "Bild"-Zeitung die Koalition aufzukündigen, das wäre ja völlig unverantwortlich. Ich glaube, das kann niemand in seinen Vorstellungen haben, weder die SPD, noch die Kanzlerin, sondern dass Deutschland nicht plötzlich in Neuwahl gehen muss wegen einer solchen, jetzt sage ich schon, Lappalie im Verhältnis zu großen politischen Themen. Das, glaube ich, ist aller Meinung.
    Wir wollen allerdings umgekehrt, sage ich auch ganz deutlich, in Bayern im Wahlkampf nicht die ganze Zeit über solche bundespolitischen Fragen reden, sondern wir wollen herausstellen, dass Bayern ein Land ist, das in den letzten Jahren sich ganz großartig entwickelt hat, dass wir eigentlich eine hervorragende Situation wirtschaftlich, sozial, bildungsmäßig haben, dass Markus Söder schon in den ersten Monaten gute Arbeit gemacht hat und dass wir deswegen deutlich aus dem Umfragetief herauskommen wollen.
    "Gezerre in Berlin könnte für Bayern Rückenwind bieten"
    May: Das ist das Stück Wahlkampf, das ich Ihnen zugestehe. Wer trägt denn für Sie die Hauptschuld an der Eskalation?
    Beckstein: Die Frage, wie das in Berlin ist - wir versuchen, offen gestanden, diese Frage im Moment einfach ein Stück wegzudrücken, sondern zu sagen, wir reden über die bayerischen Themen. Jetzt geht es um die bayerische Landtagswahl. Da geht es um die Frage, kriegt die CSU einen Auftrag, weiter allein zu regieren. Wir meinen, das war für Bayern das Beste, dass es zu Entscheidungen gekommen ist. Und ich sage ganz offen: Das Gezerre in Berlin könnte sogar für Bayern Rückenwind bieten, denn ich kenne fast niemanden, der dieses Theater in Berlin versteht und sagt, so was darf in Bayern nicht kommen. Wir wollen nicht sieben Parteien. Dass die Linke und die AfD dann die Zukunft Bayerns mit entscheiden und bestimmen, das darf nicht sein. Deswegen gibt es viele die sagen, das aktuelle Verhalten in Berlin – viele bezeichnen es wie ich auch ein Stück als Theater in Berlin -, so ein Theater darf nicht nach München kommen. Sonst geht es mit der Zukunft Bayerns nicht gut voran.
    May: Wo sehen Sie jetzt den Rückenwind?
    Beckstein: Wir werden noch die nächsten dreieinhalb Wochen hart arbeiten. Wir wollen den Menschen sagen, Bayern darf nicht so werden wie Berlin. Wir wollen klare Mehrheiten haben für die CSU, denn dann kann ordentlich regiert werden und nicht mit Streit um relativ bedeutungslose Fragen die entscheidende Frage, wie bringen wir das Land voran, wie schaffen wir es, dass die Probleme, die es gibt, von der Wohnungsnot bis zur sozialen Frage, bis zur Armut für Kinder, wie können diese Probleme gelöst werden …
    May: Verstehe ich alles jetzt! Aber die CSU wird von den Wählern als Hauptprotagonist dieser Streitereien in Berlin wahrgenommen.
    Beckstein: Aber noch mal: Es geht nicht um Entscheidungen in Berlin, sondern es geht um die Entscheidung, wer bleibt Ministerpräsident in München, und braucht er einen oder vielleicht gar zwei Partner. Zwei Partner, das sieht man in Berlin, ist nicht etwas, was ein Land voranbringt.
    May: Sie glauben, wenn die Wähler das Chaos in Berlin sehen, dann haben sie Angst und dann wollen sie lieber, dass die CSU weiter allein regiert? Das ist jetzt die Theorie.
    Beckstein: Das werden wir sehr deutlich den Menschen sagen, ja.
    May: Wie könnte man denn das Dilemma lösen? Sie haben ja jetzt deutlich zu verstehen gegeben, dass man das Thema Maaßen relativ schnell abräumen muss.
    Beckstein: Da gibt es die Möglichkeit, eine andere Aufgabe für ihn zu suchen. Ich weiß nicht, ob das diskutiert wird. Man kann allerdings aber auch sagen, die Erklärungen, die Maaßen gegeben hat in den Ausschüssen, waren so, dass er jedenfalls anschließend von vielen CDU- und CSU-Leuten das Vertrauen ausgesprochen bekommen hat. Und dann muss man sagen, das Bundesamt für Verfassungsschutz ist ja nicht gerade eine zentrale Behörde, sondern ist eine von vielen Sicherheitsbehörden. Wenn der Innenminister Vertrauen hat, dann mag das reichen. Aber wie gesagt, wir wollen in Bayern sehr deutlich machen, dass die Bayern-Wahl nicht von diesem Thema entscheidend geprägt werden darf.
    "Bundesinnenminister hat das härteste Amt"
    May: Könnte aber anders kommen. Seehofer – Sie haben es 2008 selbst erleben müssen; damals sind Sie als Ministerpräsident und Erwin Huber als Parteichef zurückgetreten, mit einem Wahlergebnis von – waren es 42 oder 43 Prozent? – 43 Prozent, glaube ich.
    Beckstein: Es waren gut 43 Prozent.
    May: Ich wage die Prognose, das wird die CSU diesmal nicht schaffen. Was passiert dann?
    Beckstein: Ich bin überzeugt, dass Markus Söder Ministerpräsident bleiben wird. Es gibt ja auch nicht mal von einer anderen Partei einen Gegenkandidaten. Niemand hat bisher gesagt, er will als Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin antreten. Die SPD-Kandidatin sagt das nicht.
    May: Aber dafür gibt es möglicherweise bald sieben Parteien im bayerischen Parlament.
    Beckstein: Das ist, offen gestanden, für mich eine schwierige Vorstellung. Dass die Linkspartei in den Landtag einzieht, wie die letzte Prognose ist, dass dann Auseinandersetzungen zwischen der AfD und der Linkspartei auch im Landtag stattfinden, das wäre für unser Land alles andere als gut. Ich denke, Markus Söder wird in jedem Fall Ministerpräsident bleiben, und ich denke, es wäre für Bayern gut, wenn er keinen Koalitionspartner brauchen würde.
    May: Herr Beckstein, letzte Frage. Unter uns: Haben Sie eigentlich Mitleid mit Horst Seehofer?
    Beckstein: Ich habe ihm, wie er das Amt angetreten hat, gesagt, dass Berlin noch mal ein sehr viel schwierigeres Pflaster ist als München. Das weiß Horst Seehofer selbst. Dass der Bundesinnenminister wohl das härteste Amt ist, das man überhaupt bekommen kann, das hat er gesagt, ja das weiß er. Und er ist deswegen mit voller Kenntnis in der Absicht nach Berlin gegangen, die Dinge im Bereich der inneren Sicherheit in Ordnung zu bringen. Denn das war ja offensichtlich nicht der Fall, wie man an vielen Dingen gesehen hat. Von daher sage ich, kein Mitleid, sondern es gilt jetzt, eine schwierige Phase durchzustehen, und ich kenne Horst Seehofer. Er hat gewaltige Steherqualitäten. Ich habe das selber sogar schon erlitten.
    May: Also noch nicht abschreiben lassen, sagt Günther Beckstein, ehemaliger bayerischer Ministerpräsident. Herr Beckstein, vielen Dank für das Gespräch.
    Beckstein: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.