Archiv


Der Führerschein zum Chef

Das war ja eigentlich unsere Grundidee. Weil jeder darf Auto fahren nachdem er viele Stunden geübt und eine Prüfung abgelegt hat - Ein Unternehmer braucht nur eine Idee zu haben und schon

Birgit Fenzel |
    kann er ein Unternehmen gründen – einen Führerschein hat er dafür nicht.

    Wenn eine Firma an die Wand fährt, wars nicht immer die schlechte Wirtschaftslage – soviel steht für Inga Händlmayer, Leiterin der neuen Unternehmerschule, schon mal fest. Oft seien die Chefs selbst schuld, sagt sie:

    Weil sie nicht gelernt haben: wie bring’ ich das Ding auf die Gerade, wenn ich ins Schleudern komme oder wie vermeide ich grundsätzlich ins Schleudern zu kommen?

    Viele Firmenlenker haben schlichtweg keine blasse Ahnung vom Geschäftsverkehr, meint die Schulleiterin. Sie will es aus gut unterrichteten Kreisen wissen:

    Steuerberater - Die sagen: Jeder zweite Unternehmer ist nicht mal fähig seine Bilanzen zu lesen. Abgesehen davon, dass das deutsche Steuerrecht ein schwieriges und kompliziertes ist. Aber die sehen das wirklich nicht und man sollte schon wissen, was man hier für zahlen hat.

    Nachholbedarf gibt es – Nachfrage offenbar auch. Der erste Führerscheinkurs in München war schnell ausgebucht. Angemeldet hatten sich viele, die zwar mit einer guten Geschäftsidee, fachlicher Kompetenz, aber wenig Erfahrung im richtigen Scheffeln am Markt angetreten sind. Als Ich-AG nach dem Studium, als Quereinsteiger oder als Selbstständiger nach einer Ausbildung wie Stephan Reitmeier.

    Ich bin Putzfrau, ich bin Chef, ich bin Lehrling, ich bin Marketingexperte – alles in einem. Ich bin eine Einzelfirma.

    Seit anderthalb Jahren der Webdesigner sein eigener Chef. Jetzt plant er eine betriebliche Veränderung – vorher will er aber noch den Chef-Führerschein in der Tasche haben. Ihn interessiert -

    Speziell die Finanzplanung, Produktmanagement. Es gibt Pläne zu vergrößern und da muss man schon anders agieren als wenn man nur allein für sich verantwortlich ist.

    Dafür ist er auch bereit, die 3000 Euro Kursgebühr und die nächsten zwölf Samstage zu opfern. Für jeweils acht Stunden Geschäftsverkehr in Theorie und Praxis. Für jedes Thema nicht nur sein Fachgebiet erklärt, sondern auch die Probleme seiner Schüler aufgreift und exemplarische Lösungsvorschläge entwickelt. Ein betriebswirtschaftliches Studium kann so ein Führerscheinkurs natürlich nicht ersetzen. Aber das ist auch nicht Sinn der Übung, sagt die Leiterin der Chefschule:

    In diesen zwölf Tagen – ist klar - können wir kein Wissen vermitteln, das andere sich in Jahren hart erarbeiten müssen, aber diese zwölf Tage sind Anreize.

    Anreize im Besonderen die Post fürs Finanzamt im Auge zu behalten, aber auch theoretisches Basiswissen für den gelungenen Auftritt bei Banken und Kunden. Von Robert Grundel gab’s am ersten Schultag der Chefschule die Einführung – ganz nach dem Motto: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung:

    Jeder hat sich ein Bild von sich selber erarbeitet, auch über seine Fähigkeiten, die notwendig sind um sein Unternehmen zu führen und dann gings eben in betriebswirtschaftliche Sachen – Unternehmensplanung, Zielbildung ganz allgemeiner Art.

    Mit der Leistung seiner Schüler ist er nach dem ersten Schultag zufrieden. Selbst nach acht Stunden geballter Theorie zeigen die meisten noch keine Ermüdungserscheinungen. Manche haben sogar noch nicht genug – etwa Bärbel Rahn, Geschäftsführerin einer Marketing-Firma, die extra aus Neuburg aus der Donau zum Führerscheinkurs nach München gekommen ist.

    Von mir aus kann das 24 Stunden gehen. Da hab ich kein Problem. Da bin ich sehr belastbar.

    Auch der Webdesigner Stephan Reitmayer ist am Ende des ersten Schultag immer noch hochmotiviert. Er kann es gar nicht erwarten, zur Führerscheinprüfung bei der IHK anzutreten:

    Ja – Schule live. Absolut. Ich freu’ mich schon aufs Büffeln. Im Ernst: warum soll man die Fertigkeiten und das Wissen nicht auch mal in einer Prüfung beweisen. Als Unternehmer wird man täglich geprüft.

    Und wenn man bei der IHK-Prüfung durchfällt, gibt es zwar keinen Führerschein – aber dafür lebt die Firma noch.