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Der Garten auf der falschen Seite

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates befasst sich heute einmal mehr mit Georgien. Es geht um eine Bewertung des Krieges mit Russland im August vergangenen Jahres und um die humanitären Folgen dieser Auseinandersetzung. Mehr als 20.000 Georgier aus den Separationsgebieten Abchasien und aus Südossetien wurden dauerhaft vertrieben. Die Bewohner aber wollen zurück.

Von Gesine Dornblüth | 29.04.2009
    Die Siedlung Tserowani, etwa eine halbe Stunde Fahrt von Georgiens Hauptstadt Tiflis entfernt. 2000 hellgrüne und weiße Häuschen stehen in schnurgeraden Reihen, direkt an der Autobahn, drei Zimmer, Küche, Bad, davor blühen erste Blumen, einige Bewohner pflanzen Kartoffeln. Im Zentrum wird eine Schule gebaut. Die Regierung hat sich Mühe gegeben, die Bewohner sollen sich wohlfühlen in der Vertriebenensiedlung Tserowani. Und es funktioniert. Makwala Amirumówa ist auf einem Auge blind und über 70, und der Präsident Georgiens, Micheil Saakaschwili, kurz Mischa, ist für sie der Größte.

    "Mischa ist ein sehr guter Mensch. Schreib das. Schreib: Ich liebe Mischa sehr. Er ist stark. Es lebe Mischa."

    Die Bewohner von Tserowani kommen aus dem Bezirk Akhalgori. Der gehört zu Südossetien und ist seit letztem August von der russischen Armee besetzt. Etwa 5000 Georgier sind aus dem Bezirk geflohen. Hin und wieder fahren aber sie mit dem Bus hinüber, um nach ihren Häusern zu sehen, dem Garten und dem Vieh. So wie die Rentnerin Tsitsino Jelaschwili. Am Vortag hat sie Sträucher in ihrem Garten in Akhalgori ausgegraben. Sie will sie in Tserowani einpflanzen. Jetzt steht sie in ihrer Küche in dem kleinen Neubau und kocht Kaffee.

    "Die Dörfer drüben sind fast ganz leer. Dort gibt es weder Vieh noch Menschen. Nur in Akhalgori selbst leben vereinzelt alte Leute. Die Jugendlichen sind alle fort. Der Bezirk ist tot."

    Russland hat Südossetien nach dem Krieg als unabhängigen Staat anerkannt. Derzeit versuchen die Südosseten, so etwas wie staatliche Strukturen und eine Grenze aufzubauen. Die Vertriebenen müssen deshalb einen Kontrollposten passieren, wenn sie in ihren Heimatort möchten. Das Waffenstillstandsabkommen, das die Konfliktparteien im August unterzeichnet haben, verpflichtet die Russen, Georgier und Südosseten, ihre Truppen auf die Positionen vor Kriegsausbruch zurückziehen. Das hieße, dass die Russen Akhalgori räumen. Das tun sie aber nicht. Im Gegenteil: Die Russen sind dabei, in Akhalgori einen Militärstützpunkt aufzubauen. Mehrere hundert russische Soldaten seien bestimmt dort, berichtet eine der Vertriebenen. Sie heißt Marina und ist Hebamme. Zurück möchte sie nicht, solange die Russen da sind.

    "Wenn ich dort hinfahre, rede ich mit den Russen. Ein Offizier hat mich gefragt: 'Warum kommen Sie nicht zurück? Warum arbeiten Sie nicht hier?' Aber dort lebt zur Zeit niemand, der eine Hebamme braucht. Nur alte Leute. Wir können doch nicht auf einem Truppenübungsplatz leben. Gut, die russischen Soldaten tun der Bevölkerung nichts. Aber niemand weiß, ob nicht doch wieder etwas passiert."

    Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat in ihrer Sitzung im Januar eine Resolution verabschiedet, in der sie Russland und die Führung von Südossetien auffordert, die Sicherheit aller Bewohner auf dem von ihnen kontrollierten Gebiet zu garantieren. Marina aber fühlt sich dort unsicher.

    "Ich habe immer meinen Pass dabei. Gerade heute war ich drüben. Auf dem Rückweg habe ich etwas Geschirr mitgenommen. Dafür wollten die Russen eine Bescheinigung sehen. Ich habe gesagt: 'Wieso, für Löffel oder Tassen?' Sie meinten, ich hätte das Geschirr stehlen können. Ich habe gesagt: 'Fragt im Bus, alle kennen mich.' Dann haben sie mich durchgelassen. Es hängt davon ab, wer Dienst hat. Die Posten wechseln alle zwei Wochen. Manchmal sind sie sehr gutmütig und kontrollieren gar nicht. Manchmal kontrollieren sie aber sehr streng."

    Thomas Hammarberg, der Kommissar des Europarats für Menschenrechte, hat Georgien nach dem Krieg besucht und betont, dass alle Flüchtlinge das Recht haben müssen, zurückzukehren. Doch niemand rechnet damit, dass sich die Russen aus Akhalgori zurückziehen. Denn der Ort ist strategisch wichtig. Von Akhalgori aus können die Russen die Autobahn nach Tiflis kontrollieren: die einzige Ost-West-Verbindung durch das Land.