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Der Habgier verfallen

Am 28. September 1066 startete der normannische Herzog Wilhelm die Eroberung Englands mit der Landung an der britischen Küste. Geschickt nutzte er einen Erbfolgestreit und fiel gar mit päpstlichem Segen auf der Insel ein. England wurde unter seiner Herrschaft wie eine Kolonie ausgebeutet.

Von Andreas Baum | 28.09.2006
    Im Jahr 1066 zog der Halleysche Komet über den Himmel Westeuropas. Für die Menschen des Mittelalters war dies ein Zeichen, ein Omen für eine bevorstehende politische Krise.

    "When beggars die, there are no comets seen","

    heißt es in einer angelsächsischen Chronik des 11. Jahrhunderts. In der Tat war es kein Bettler, der am 5. Januar 1066 in London starb, kurz bevor der Himmelskörper aufleuchtete, sondern der König von England: Edward der Bekenner verschied, ohne Nachfolger zu hinterlassen. Zwar hatte er auf dem Sterbebett noch den Grafen Harold Godwinson benannt, einen Adeligen dänischer Herkunft, der sich am Tag darauf hastig zum König krönen ließ. Andere Fürsten erkannten dies aber nicht an. Insbesondere einer schielte vom europäischen Festland aus auf den englischen Thron: Wilhelm, Herzog der Normandie, der später den Beinamen "Der Eroberer" erhalten sollte.

    ""Ein kräftiger Krieger mit rauer Stimme und hohem, aber nicht plumpem Wuchs. Ob er saß oder stand, er war majestätisch, trotz seiner außerordentlichen Beleibtheit","

    so beschrieb ihn ein normannischer Mönch. Wilhelm der Eroberer begründete seinen Anspruch auf den Thron mit der Behauptung, Edward der Bekenner habe ihm diesen einige Jahre zuvor versprochen.

    Die Eroberung Englands, die durch diesen Erbfolgestreit ausgelöst wurde, gehört zu den einschneidenden Ereignissen in der Geschichte dieses Landes. Denn England war im 11. Jahrhundert faktisch ein skandinavisches Land, beherrscht von Wikingern aus Dänemark, Norwegen und dem Baltikum. Mit ihren schnellen Drachenbooten kontrollierten sie weite Teile Nordeuropas. England wurde erst durch den Feldzug Wilhelms des Eroberers Teil des lateinisch geprägten Mitteleuropa. Es erhielt ein neue Kultur, eine neue Monarchie, auf die sich das englische Königshaus bis heute beruft - und es entstand eine Mischsprache aus germanischen Dialekten und dem in Nordfrankreich üblichen Vulgärlatein, es entstand das Englische.

    Bevor er den Krieg anzetteln konnte, musste Wilhelm ihn allerdings vor der Welt rechtfertigen. Boten ließen Schauergeschichten über Harold Godwinson verbreiten und stellten sein kleines Reich als unchristlichen Schurkenstaat dar. So gelang es Wilhelm, Papst Alexander II. auf seine Seite zu ziehen. Der erhoffte sich von dessen Sieg eine Ausbreitung seiner Machtsphäre. Denn unter den skandinavischen Warlords in England gab es nicht wenige, die noch heidnischen Kulten anhingen. Als Wilhelm im Sommer 1066 auf günstige Winde wartete, um von Saint-Valery-en-Caux an der normannischen Alabasterküste aus den Ärmelkanal zu überqueren, wehte an den Masten seiner Schiffe das päpstliche Banner. Dieser Überfall wurde als Kreuzzug wider die Ungläubigen verstanden, das war das Resultat von Wilhelms Propagandafeldzug. Und auch in Fragen der Logistik war er seiner Zeit voraus. Der normannische Adlige Wilhelm von Poitiers schreibt über ihn:

    ""Einen ganzen Monat lang untersagte der Herzog strengstens jede Plünderung."

    Andere Mittelalterliche Söldnerheere verwüsteten in der Regel die Landstriche, in denen sie lagerten - unabhängig davon, ob sie in Freundes- oder Feindesland waren. Denn anders konnten sie sich nicht ernähren. Wilhelm dagegen versorgte seine Soldaten.

    "In der ganzen Provinz weideten die Vieh- und Schafherden der Bauern ungestört. Ein schwacher und unbewaffneter Mann konnte den Söldnerschwarm furchtlos betrachten und singend seinem Pferd folgen, wohin er wollte."

    Am 28. September 1066, der Wind hatte sich gedreht, landet Wilhelm der Eroberer in England. Er verschanzt sich und wartet auf Harold Godwinson, den englischen König.

    "Dann kam Graf Wilhelm von der Normandie am Vorabend von Michaelis nach Pevensey, und sobald sie weiterziehen konnten, bauten sie eine Burg bei Hastings."

    Am 14. Oktober gewinnt Wilhelm die Schlacht von Hastings - und damit die Herrschaft über England. Am 25. Dezember lässt er sich zum König krönen. Das Land wird von ihm fortan wie eine Kolonie regiert und ausgebeutet - wie angelsächsische Chronisten zerknirscht feststellen.

    "Er hat Burgen gebaut
    und die Leut unterdrückt,
    Gerechtigkeit hat ihm gefehlt,
    sein armes Volk hat er gequält,
    der Habgier war er untertan."

    Andererseits gelingt es ihm, für Sicherheit zu sorgen - dies war im permanenten Kriegszustand des Mittelalters eine Ausnahme und noch den englischen Geschichtsschreibern des 14. Jahrhunderts anerkennende Zeilen wert.

    "Jeder Ehrliche konnte ohne Schaden mit seiner goldgefüllten Geldkatze durch sein Königreich reisen, und kein Mann wagte, einen anderen zu schlagen."

    Wilhelm der Eroberer war nun zum Siegen verdammt. Bis zum Ende seines Lebens musste er einen Feldzug nach dem nächsten führen, um sein Reich zu verteidigen.