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Der Haller-Park in Kenia

Die zündende Idee kam René Haller in seiner Hängematte. Eigentlich habe er dort sowieso immer die besten Einfälle, sagt der Schweizer Agronom. Er schaukelte also in seiner Matte mit Blick auf die kenianische Küste und sah eine Kasuarine auf einer Sanddüne stehen. Anscheinend brauchte dieser genügsame Baum keinen Humus. Und war somit genau das, was Haller suchte: ein Baum, mit dem es möglich sein könnte, einen komplett humusfreien Landstrich zu bewalden:

Von Beate Köhne | 26.06.2003
    Die zündende Idee kam René Haller in seiner Hängematte. Eigentlich habe er dort sowieso immer die besten Einfälle, sagt der Schweizer Agronom. Er schaukelte also in seiner Matte mit Blick auf die kenianische Küste und sah eine Kasuarine auf einer Sanddüne stehen. Anscheinend brauchte dieser genügsame Baum keinen Humus. Und war somit genau das, was Haller suchte: ein Baum, mit dem es möglich sein könnte, einen komplett humusfreien Landstrich zu bewalden:

    Und das ist eigentlich der Anfang gewesen. Aber ich hab dann experimentiert und hab mit 26 verschiedenen Baumarten angefangen im Januar 1971 und hab Löcher ausgegraben mit diesen Leuten, die ich dann zur Verfügung hatte, ... ein paar Tausend Löcher, und hab dann 26 verschiedene Baumarten gepflanzt und nach sechs Monaten lebten nur noch drei von denen. Die anderen haben es nicht geschafft. Und eine davon war die Kasuarine. Und dann hab ich mit der Kasuarine weitergefahren und habe dann eben 3000 Kasuarinen gepflanzt. Aber ich wollte nicht eine Monokultur bauen, ich wollte ein totales Ökosystem erstellen und so hab ich mit diesen 3000 Bäumen, hab ich anfangen können zu experimentieren.

    Eigentlich war René Haller nach Kenia geholt worden, um das Reserveland der Bamburi Zementfabrik sinnvoll zu nutzen. Er baute also eine Farm auf, um die Mitarbeiter zu versorgen, pflanzte Gemüse und versteckte den hässlichen Steinbruch hinter Bäumen und Blumen. Die gesamte kenianische Küste besteht aus altem Korallenkalk, und das Experiment, diese zur Zementproduktion abzubauen, gelang wider Erwarten gut. Die Zementfabrik wuchs und wuchs und mit ihr die Steinbrüche. So stellte Haller sich Anfang der 70er Jahre eine neue Aufgabe, die zu seiner Lebensaufgabe werden sollte: dieser öden Mondlandschaft neues Leben einzuhauchen:

    Wir hatten eine riesige Fläche, wir hatten Grundwasser, das aber leider leicht salzhaltig und wir hatten Sonne und Zeit. Und mit diesen drei Sachen musste ich dann arbeiten. Ich hab gesagt: was man bräuchte eigentlich wäre etwas, was auch ökonomisch interessant ist. Weil ich weiß von früheren Projekten, immer wenn das Geld ausgeht, ist das Projekt tot. Deshalb muss sich das Projekt selber erhalten können.

    Schon bald entstanden auf den renaturierten Flächen die ersten Farmen. Fisch-, Schmetterlings- und Krokodilzucht bringen nicht nur Einnahmen, sondern sind auch für die Besucher interessant, die seit Mitte der 80er Jahre in den Park kommen und mit ihren Eintrittsgeldern ebenfalls zur Finanzierung beitragen.

    Heute ist der nach seinem Erfinder benannte Park ein beliebtes Naherholungsziel. Wer ihn besucht, geht auf Pfaden durch ein dschungelartiges Dickicht aus 370 verschiedenen Baumarten, vorbei an Seen und Tiergehegen. Schritt für Schritt verwandelte sich die wüste Hinterlassenschaft der Zementfabrik mit den Jahren wieder in ein vielfältiges Biotop. Dass die Humusschicht inzwischen bis zu 20 Zentimeter dick ist, liegt vor allem an den Ausscheidungen eines Tausendfüßlers. Den hatte René Haller - als er wieder einmal in seiner Hängematte lag – dabei beobachtet, wie er die tanninhaltigen Kasuarinen-Nadeln fraß. Daraufhin setzte er in der Kasuarinen-Pflanzung zahlreiche Tausendfüßler aus. Später siedelte er im Park Eulen an, um eine Borkenkäferplage zu bekämpfen. Die Anforderungen und Fragen, die der ehemalige Steinbruch an ihn stellte, nahmen kein Ende:

    Auch ein Ökosystem, was man aufbaut, ist nie fertig. Das ist nicht ein Job, wo man ein Haus baut, und dann vergisst man es mal und muss nur noch reparieren. Nein, es gibt immer neue Sachen, die reinkommen, es müssen neue Pflanzen, ich habe auch so ein System aufgebaut, das nenne ich die Baobab-Principles, wie man eigentlich ein Ökosystem aufbauen sollte. Denn ein Baobab-Baum wird nicht nur größer, er kann auch kleiner werden. Wenn die Zeiten schlecht sind, dann amputiert er sich selber, schnürt er dann bestimmte Äste ab und die fallen dann einfach runter. In guten Jahren wird er größer und in schlechten schrumpft er zusammen.

    Das Wissen des Schweizers ist heute weltweit gefragt, Anfragen kommen aus Brasilien, den Philippinen oder aus Kolumbien. Denn schließlich hat außer René Haller kaum jemand über einen so langen Zeitraum hinweg Erfahrung darin gesammelt, eine von Menschenhand ausgelaugte Ödnis wieder zu renaturieren.