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Der Hauch der Bombe

Physik. - Einige kleine Staaten greifen bereits nach der Atom-Bombe - auf illegalem Weg. Die Kontrollen der internationalen Atomenergiebehörde versuchen sie immer wieder zu umgehen. Hamburger Wissenschaftler erforschen nun eine neue Methode, wie sich die unerlaubte Beschaffung von Kernsprengstoffen nachweisen ließe: Von bombenfähigem Plutonium.

Von Björn Schwentker | 14.04.2009
    Um eine Atombombe bauen zu können, braucht man Brennstoff: Entweder waffenfähiges Uran oder Plutonium. Während bombentaugliches Uran schwierig herzustellen ist, lässt sich Plutonium recht leicht beschaffen, sagt Ole Roß vom Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) an der Universität Hamburg:

    "Die so genannte signifikante Menge Plutonium, die man zum Bau eines Nuklearsprengsatzes benötigt, ist acht Kilogramm; man kommt, wenn man einen Reaktor hat, relativ schnell zu dieser Menge Plutonium."

    In jedem Kernreaktor mit herkömmlichen Brennstäben entsteht zwangsläufig Plutonium, als Nebenprodukt. Jedes Land mit zivilen Atomkraftwerken produziert es also, auch etwa der Iran. Um daraus eine Bombe herstellen zu können, muss das Plutonium allerdings erst aus den abgebrannten Stäben herausgeholt werden, in Wiederaufarbeitungsanlagen.

    "Die Internationale Atomenergie-Organisation hat ein sehr breites Spektrum an Maßnahmen zur Überwachung von gemeldeten Anlagen, aber gewisse Defizite bei der Aufdeckung ungemeldeter Aktivitäten."

    Die Gefahr: Ein terroristischer Staat baut eine unscheinbare Fabrik, in der illegal Brennstäbe wiederaufbereitet werden und Plutonium für Nuklearsprengsätze beiseite geschafft wird. Für die Kontrolleure der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO sind solche Anlagen heute kaum zu finden. Die Wissenschaftler des ZNF aus Hamburg erforschen nun eine neue Messmethode, um illegale Plutoniumabtrennung doch zu entdecken: Anhand des radioaktiven Edelgases Krypton-85. Wo Brennstäbe aufgearbeitet werden, gelangt es automatisch in die Luft und verrät die Anlage. Das radioaktive Gas entsteht bereits zusammen mit dem Plutonium im Kernreaktor. Doch bleibt es in den Brennstäben eingeschlossen, bis diese zerhackt werden, um sie wieder aufzubereiten. Dann entweicht es unaufhaltsam in die Atmosphäre.

    "Krypton-85-Emissionen sind mit erheblicher Wahrscheinlichkeit entdeckbar. Zumindest wenn man relativ schnell ist mit der Messung, also maximal zwei Tage, dann hat man eine Chance, selbst kleine Wiederaufbereitungsanlagen aufzuspüren."

    Früher hielt man es bei der IAEO für unmöglich, das Gas aus den verbotenen Anlagen mit empfindlichen Messinstrumenten aufzuspüren. Denn die Luft ist bereits angefüllt mit strahlendem Krypton. Es stammt aus den erlaubten Wiederaufarbeitungsanlagen, wie etwa La Hague in Frankreich oder Sellafield in Großbritannien. Wind und Wetter verteilen das Gas rund um den Globus, und dann lassen sich kleine zusätzliche Mengen aus verbotenen Anlagen nicht mehr davon unterscheiden – so dachte man bisher. Mit Hilfe eines Atmosphärenmodells aus der Klimaforschung haben die Wissenschaftler des ZNF nun jedoch nachgerechnet, wie genau sich das "erlaubte" Krypton um die Welt verteilt. Sie stellten fest: Es verdünnt sich so sehr, dass illegale Plutoniumanlagen sehr wohl nachweisbar wären, sagt Ole Roß.

    "Es sieht jetzt so aus, als würde es keine völlig wasserdichte Methode sein, wir können nicht versprechen, absolut sicher jede zusätzliche Wiederaufbereitungsanlage zu entdecken."

    Doch wenn die Bedingungen nicht gerade ungünstig sind und die illegale Anlage gerade läuft oder erst vor zwei Tagen abgestellt wurde, lässt sich ihre Abluftfahne sogar noch in bis zu 500 Kilometern Entfernung nachweisen. Nun wollen die Hamburger Forscher die IAEO überzeugen, die Krypton-Messungen in ihren Maßnahmenkatalog zur Jagd auf illegale Atomwaffenproduzenten aufzunehmen.

    "Ich glaube, dass es deshalb attraktiv ist, weil sobald die Chance besteht, so eine illegale Wiederaufbereitung zu entdecken, es einen abschreckenden Effekt hat. Das heißt: Alleine, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Betreiber so einer Anlage entdeckt werden kann, führt zu einem gewissen Schutzeffekt."

    Ob sich die Hamburger durchsetzen, ist offen. Bisher machten sich vor allem die USA gegen Krypton-Messungen stark. Vielleicht gerade, weil sie funktionieren: Es ist bekannt, dass die Amerikaner seit den 1940er-Jahren mit der Nachweismethode experimentieren. Allerdings im Geheimen. Mit den Hamburger Forschungsergebnissen könnte sie nun erstmals zur öffentlichen Option für die Internationale Gemeinschaft werden. Zur Sicherheit aller.