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"Der Iran spielt auf alle Fälle eine große Rolle"

Das Assad-Regime in Syrien müsse mit russischer Hilfe isoliert werden, sagt Omid Nouripour, sicherheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Wenn der Preis für die Unterstützung Russlands sei, auch den Iran in die Gespräche einzubeziehen, sollte man dies tun.

Omid Nouripour im Gespräch mit Gerd Breker | 11.06.2012
    Gerd Breker: Kein Ende in Sicht bei der Gewalt in Syrien. Kofi Annans Friedensplan war ein ehrenwerter Versuch, aber einer, der gescheitert ist. Das Regime Assad hatte wohl nie wirklich die Absicht, sich ernsthaft daran zu halten. Doch inzwischen ist so viel Zeit verstrichen, dass das Land im Bürgerkrieg versinkt. Was kann der Westen tun? Einfach nur zuschauen? Das würde zu einem unendlichen Leid und zu einem endlosen Blutvergießen führen mit der Gefahr eines Flächenbrandes in der Region. Das gleiche wäre bei einem militärischen Eingreifen des Westens zu befürchten. Die dritte Möglichkeit wäre weiter Druck, auf die Schutzmächte Russland und China einzuwirken, sie einfach in die Verantwortung zu nehmen. – Am Telefon sind wir nun verbunden mit Omid Nouripour, sicherheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Tag, Herr Nouripour.

    Omid Nouripour: Schönen guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Welche dieser drei Optionen bevorzugen Sie, oder sehen Sie gar noch eine vierte?

    Nouripour: Ich bevorzuge die dritte, wobei Bevorzugen ein Euphemismus ist. Ich sehe nicht, dass man sich einfach wegducken kann, dafür ist die humanitäre Katastrophe einfach auch viel zu schlimm. Es ist moralisch verwerflich, wenn man da einfach hinschaut. Und ja, es ist richtig, dass es auch so eine Bürgerkriegsgefahr gibt über Syrien hinaus. Eine militärische Intervention kann ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen. Es ist sehr verständlich, dass Menschen, die jeden Abend in der Tagesschau sehen, was es für Massaker gibt und wie fürchterlich das ist, wenn man sieht, dass Kinder mit Kopfschüssen, mit gefesselten Händen hingerichtet worden sind, dann kommt natürlich die Frage, da muss man doch was tun, da muss man doch diesem mordenden Assad in den Arm fallen. Aber wenn man bedenkt, was es bedeuten könnte, wenn die Wahrscheinlichkeit einer noch größeren Eskalation, nicht nur in Syrien, sondern auch in der ganzen Region, tatsächlich gesehen wird, dann ist das auch keine Option. Bleibt übrig: Wir müssen auf allen anderen Ebenen, militärisch nicht, aber zivil, politisch, finanziell wo es geht alles versuchen, damit wir dieses Regime in Syrien auch isolieren können. Das geht nicht ohne die Hilfe und ohne das Zutun vor allem von Russland, und deshalb muss man mit den Russen weiterhin hart reden, dass die das auch endlich begreifen.

    Breker: Nun hat der russische Außenminister Lawrow ins Spiel gebracht, man solle auch die Regionalmacht Iran mit hinzuziehen bei diesen Bemühungen um eine relativ friedliche Lösung für Syrien. Was halten Sie davon, die Regionalmacht Iran mit einzubeziehen?

    Nouripour: Auf der einen Seite klingt das absurd. Die Iraner haben mittlerweile selbst zugegeben, dass sie Revolutionswächter, also paramilitärische Kräfte in Syrien haben. Man kann sich vorstellen, woran sie sonst mit beteiligt sind. Auf der anderen Seite: Wenn wir nicht vorankommen mit den Russen, dann sollte man das auf alle Fälle versuchen. Warum nicht! Natürlich besteht die Gefahr, dass das wiederum wie auch der Annan-Plan leider Gottes am Ende Assad noch mehr Zeit gibt, um zu morden. Wichtig ist, dass die Russen endlich begreifen, Syrien wird mit diesem Präsidenten keine Zukunft haben. Es ist schlicht in kaum einer Stadt dieses Landes mehr denkbar für die Bevölkerung, dass man zur Normalität wieder zurückkehrt und die Baath-Partei mit Assad vornedran das Land regiert. Deshalb müssen die Russen das endlich begreifen. Wenn das auch noch den Preis mit sich bringt, dass man auch noch mit den Iranern redet, dann sollte man das tun. Ich weiß nicht, ob es eine große Hilfe ist, aber diese Ausrede sollte man den Russen nicht lassen, dass sie nicht reden wollen, weil die Iraner nicht dabei sind.

    Breker: Die Russen wollen keinen Systemwechsel, wenn Assad nicht mehr der Name des Präsidenten ist, aber das Regime im Kern gleich bleibt. Was ist denn dann gewonnen?

    Nouripour: Es gibt ja Teile der Opposition, die sagen, wenn Assad weg ist, dann kann man sich wenigstens zusammen an einen Tisch setzen und über eine Übergangsregierung bis zu den nächsten Wahlen, also bis zu den ersten freien Wahlen auch tatsächlich dann miteinander reden. Das ist, solange dieser Präsident da ist, überhaupt nicht denkbar, dass man eine friedliche Lösung miteinander erzielen kann, und deshalb wird es auch nachdem Assad weg ist nicht so sein, dass die Baath-Partei sich von heute auf morgen auflöst und die Leute alle nach Hause gehen. Es wird natürlich Leute geben, mit denen man reden muss. Es wird auch Leute geben in der Baath-Partei, das muss man leider Gottes so sehen, die heute in Verbrechen involviert sind und morgen dann auch an einer Post-Assad-Ära, an einer Regierung mit beteiligt sein könnten. Aber dafür braucht man so was wie Friedensverhandlungen oder überhaupt Waffenstillstandsverhandlungen. Die kann es mit Assad nicht geben.

    Breker: Der Iran hat Einfluss, etwa im Libanon auf die Hisbollah, er hat Einfluss auf die Hamas. Ist der Iran nicht ein Player in diesem ganzen Spiel um Syrien, wenn wir einen Flächenbrand befürchten, der mit einbezogen werden muss?

    Nouripour: Der Iran spielt auf alle Fälle eine große Rolle. Der Iran hat in der arabischen Welt eigentlich informell nur noch Feinde. Das einzige Land, das da heraus sticht, ist tatsächlich Syrien, sodass der Iran ein vitales Interesse daran hat, dass diese Regierung auch in Syrien bleibt, und deshalb arbeiten sie auch heftig daran. Das im Übrigen wird eher dafür sprechen, dass man mit dem Iran dann doch vielleicht reden sollte. Allerdings wiederum auf der anderen Seite: die Iraner haben keinerlei Interesse daran, dass Assad weg ist, sodass sie tatsächlich auch vieles blockieren könnten. Man sollte mit denen reden, damit man die Russen bekommt, nicht damit sie eine Schlüsselposition bekommen und darüber entscheiden können, wie es in Syrien weitergeht.

    Breker: Die Russen haben dem Regime Assad jede Menge Waffen geliefert, Waffen, über die man sich inzwischen in Israel Sorgen macht, denn die Mittelstreckenraketen können nahezu jeden Ort in Israel erreichen. Die Befürchtungen, die Sorgen in Israel könnten dazu führen, dass die Israelis sich genötigt sehen, von sich aus einzugreifen.

    Nouripour: Das wäre ein Riesenfehler. Israel ist strategisch von Syrien aus bedroht schon länger. Das hat ja mit der Krise jetzt nichts zu tun. Dass man vom Golan aus mit einer einfachen Artillerie relativ weit schießen kann, das ist ja nicht neu, das ist 40 Jahre alt, diese Weisheit, sodass die Israelis aus meiner Sicht natürlich mit großer Sorge zurecht nach Syrien schauen, und wenn Assad sein letztes Gefecht schlägt, dann bietet es sich auch "an", dass er auch Attacken nach Israel fährt, um die Situation auch eskalieren zu lassen. Allerdings wäre ein proaktives Eingreifen Israels in Syrien eine massive Beschleunigung des jetzt viel zitierten Flächenbrandes in der Region und ich hoffe, dass die israelische Regierung das tatsächlich auch so sieht und davon die Finger lässt.

    Breker: Die Position des sicherheitspolitischen Sprechers von Bündnis 90/Die Grünen, von Omid Nouripour im Deutschlandfunk. Herr Nouripour, danke für dieses Gespräch.

    Nouripour: Danke, Herr Breker.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Syriens Präsident Assad begrüßt Russlands Außenminister Lawrow
    Syriens Präsident Assad und Russlands Außenminister Lawrow - Russland setzt sich für eine Friedenskonferenz unter Einbeziehung Irans ein. (dpa / picture alliance / Eduard Pesov)