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Der Kaffeeanbau auf Ost-Timor

Heute genau vor einem Jahr stimmte die große Mehrheit der Einwohner Osttimors in einer Volksabstimmung für die staatliche Unabhängigkeit. Doch die Quittung für das mutige Votum gegen die brachiale Herrschaft Indonesiens folgte auf dem Fuße: Indonesische Militäreinheiten und marodierende Milizen legten die Provinz in Schutt und Asche. Seit dem Abzug der Indonesier verwaltet nun die UNO ein Land, das auch wirtschaftlich am Boden liegt. Soll die für Ende 2002 geplante staatliche Unabhängigkeit Hand in Hand gehen mit einer auch wirtschaftlichen Selbständigkeit, wird dem Anbau und dem Verkauf von Kaffee eine entscheidende Rolle zukommen. Denn hochwertiger Kaffee ist das wichtigste Exportgut der Region. Und mit 40 000 Beschäftigten hat der Wirtschaftszweig für Osttimor eine Bedeutung, die vergleichbar ist etwa mit der der Autoindustrie hierzulande.

von Johannes Berger | 01.09.2000
    Die Kaffeeplantagen in Osttimor sind eine Hinterlassenschaft noch aus der Zeit der portugiesischen Kolonialherrschaft. Doch bis vor ein paar Jahren sind sie kaum gepflegt worden und daher nicht mehr in bestem Zustand. Aber das erweist sich heute eher als Vorteil. Weil Kunstdünger und Pestizide nicht eingesetzt wurden, kann der Kaffee jetzt mit dem Etikett "organisch angebaut" vermarktet werden. Wenn auch auf Osttimor sonst nicht viel wächst, mit dem sich Geld verdienen ließe, der Kaffee ist von bester Qualität. Denn Höhenlage und Klima bieten gute Voraussetzungen für den Anbau der Edelsorte Arabica. Außerdem enthält der vulkanische Boden Mineralien, die eine künstliche Düngung überflüssig machen.

    Als im Dezember 1975 das indonesische Militär die Osthälfte der Insel Timor besetzte und so die damals sich schon andeutende Unabhängigkeit Osttimors gewaltsam verhinderte, übernahm das Militär einige der großen Kaffeeplantagen. Die Kaffeebauern auf den noch freien Flächen mussten ihre Ernte an eine vom Militär kontrollierte Firma abliefern, die aber so schlecht zahlte, dass viele Bauern von ihrem Einkommen nicht mehr leben konnten. Zudem waren die gebirgigen Regionen Osttimors, in denen der Kaffee wächst, auch Operationsgebiet der Unabhängigkeitsguerilla. Daher hat das indonesische Militär in Einsätzen gegen die Freiheitskämpfer viele Kaffeepflanzungen angezündet und zerstört. Die Situation änderte sich in den 90er Jahren, als die Weltöffentlichkeit auf die katastrophale Lage in Osttimor aufmerksam wurde. Auf Druck der Vereinigten Staaten verlor das indonesische Militär sein Monopol im Kaffeegeschäft. Seit 1995 nun organisiert eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation viele Kaffeepflanzer in einer Produktionsgenossenschaft. Die frisch geernteten Bohnen werden von ihr aufgekauft, gereinigt und getrocknet und dann vor allem in die USA exportiert - zu hohen Preisen. Die Gewinne fließen wieder in die Genossenschaftskasse zurück. Bislang vermarktet die Genossenschaft ein Viertel der gesamten Kaffeeernte und es schließen sich ihr immer mehr Bauern an. Dort erfahren die Kaffeebauern, wie man auch ohne Kunstdünger und Pestizide die Produktivität steigern kann. Die jährlichen Erträge könnten sogar noch einmal verdreifacht werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Bauern lernen, die Kaffeebüsche fachgemäß zu beschneiden, unmittelbar nach der Ernte mit den noch grünen Bohnen richtig umzugehen und so Qualitätsverluste zu vermeiden. In diesem Jahr läuft das Geschäft zwar im allgemeinen schlecht. Denn der Weltmarkt ist mit Kaffee übersättigt und die Preise sind in den Keller gerutscht. Aber auch in diesem Punkt erweist es sich als Vorteil, dass der Kaffee aus Osttimor als "organisch angebaut" zertifiziert ist. Denn der Verkaufswert von bis zu zweieinhalb Dollar pro Kilo liegt ein Drittel über dem für herkömmlich angebauten Kaffee. Daher kann die Genossenschaft auch ihren Mitgliedern gute Erzeugerpreise zahlen. Und auf diese Weise sind dank des Öko-Kaffees die Einkommen vieler der über 17 000 Kaffeebauern in Osttimor schon über die Armutsgrenze gehievt worden.