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Der kaiserlich gekrönte Dichter

Eigentlich kam er als Konrad Bickel und Sohn eines Winzers in Wipfeld bei Schweinfurt zur Welt. Den "Bickel", auch "Meißel", übersetzte er später als "Celtis" ins Lateinische, und den Ort Wipfeld hat Konrad Celtis früh verlassen und später nie mehr erwähnt. Von der Idee des Humanismus infiziert reiste er durch das Deutsche Reich, verfasste als Universalgelehrter lateinische Schriften - und sogar prosaische Liebeslyrik.

Von Christian Linder | 04.02.2008
    Vergangene Zeiten, in denen ein deutscher Kaiser einen deutschen Dich-ter zum "poeta laureatus" krönte. Es geschah im Jahr 1487, am 18. April, der Ort der feierlichen Handlung war die Burg in Nürnberg, der Kaiser hieß Friedrich III. und der geehrte Dichter Konrad Celtis.

    "Nostro et imperii sacri fideli Conrado Celti Protucio poetae laureato gratiam Caesaream et omne bonum."

    "Unserm und des Heiligen Reichs Getreuen Konrad Celtis Protucius, dem gekrönten Dichter, kaiserliche Gnade und alles Gute."


    Von diesem kaiserlichen Akt hat Konrad Celtis sein Leben lang gezehrt und sich als "gekrönter" Dichter auch inszeniert. Am Anfang dieser Inszenierung stand, dass Celtis sich selber seinen Namen verliehen hatte. Denn eigentlich hieß er Konrad Bickel. Und der Dekan der Heidelberger Universität, bei dem der Student sich zur Magisterprüfung anmeldete, notierte denn auch den korrekten Namen des Prüflings in den Akten:

    "Conradus Bickel de Wyttfelt."

    Der Ort hieß in deutscher Sprache Wipfeld, bei Schweinfurt gelegen, wo Konrad Bickel am 1. Februar 1459 als Sohn eines Winzers geboren wurde. Den Nachnamen Bickel übersetzte er später einfach ins Lateinische: Celtis ist die Übersetzung von "Bickel" oder "Meißel". Den Ort Wipfeld hat Celtis früh verlassen und ihn später nie mehr erwähnt. Er reiste durch das Deutsche Reich, studierte hier und dort, bis ihn in Heidelberg sein Lehrer Rudolf Agricola mit der Idee des Humanismus als einer vom "Sinnengenuss geprägten Ästhetik der Antike" infizierte.

    Knapp zwei Jahre nach der Magisterprüfung dann die kaiserliche Krönung zum "poeta laureatus" – und von da an war die Karriere als deutscher "Erzhumanist", wie man ihn bald beschrieb, gesichert. Weil er die deutsche Sprache noch nicht für reif genug hielt, schrieb Celtis in lateinischer Sprache. Er wollte der Horaz Deutschlands werden, orientierte sich aber ebenso an anderen klassischen antiken Autoren wie Ovid und Petrarca.

    Nach Ovid nannte er auch sein Hauptwerk "Quattuor libri amorum", kurz "Amores" genannt, laut Untertitel "Vier Bücher Liebeselegien nach den vier Himmelsgegenden Deutschlands". Darin zeigte sich Celtis als ein Universalgelehrter, der sich für die verschiedenartigsten Dinge interessierte und sie auch zu kombinieren verstand, Astrologie, Geschichte, Mathematik oder Geografie. Das Leben als geheimnisvolle Reise, deren Sinn zu entziffern ist. Da gab Celtis auch praktische Anweisungen:

    "Wohlan, betrachte das wirre Chaos, aus dem die Elemente in verschiedener Art zu schönen Formen hervorsprudeln und wo sich die Atome der Welt drehen, um einst dorthin zurückzukehren. (...) Wohlan, erhebe dich mit beschwingtem Herzen und finde die Ursachen für die einzelnen Phänomene, wende deinen Geist auf das Wehen der Winde und auf das Brausen des rasenden Meeres. (...) Wohlan, erforsche die Gestirne, die in verschiedener Bewegung von ihrer Bahn abschweifen, und wende deinen Geist auf das, was Phöbus erdulden muss, wenn er mit bleichem Antlitz Cynthia sich das Gespann vertrieben hat."

    Dann aber liest man auch ganz prosaische Liebeslyrik:

    "Wie glücklich war ich in jener Stunde / unter Küssen und Herzen /, als ich Hasas zarte Äpfelchen umfasste, / mich bald in ihrem lieblichen Schoss versenkte, / bald ihre Brust mit zärtlichen Armen umfing, / seufzend in ermatteter Liebe, / weil sie mich mit erwiderndem Liebesfeuer erregte / und mich dazu brachte, in ihre Umarmung zu kommen."

    Nach einem langen Aufenthalt im geliebten Italien lebte Celtis in Nürnberg, dann in Regensburg – wo er Rektor der Domschule war – und in In-golstadt, wo er Poetik lehrte. 1497 berief ihn Kaiser Maximilian I. als Professor für Rhetorik und Metrik an die Universität Wien.

    Ein hochgeehrter Mann, von vielen bewundert und geliebt, auch weil er sich ganz uneigennützig für andere einsetzte - etwa die Werke der Nonne Hroswitha von Gandersheim entdeckte und veröffentlichte. Gestorben ist Konrad Celtis am 4. Februar 1508 in Wien. Ein Großteil seines Werks ist in lateinischer Sprache geschrieben und wartet bis heute auf seine deutsche Übersetzung.