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Der Kampf ums Überleben

Es war ein ungewöhnlicher Auftritt am Montagnachmittag: Die Familienunternehmer Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg traten in Frankfurt zusammen mit IG-Metall-Chef Berthold Huber vor die Presse. Das bisher eher gewerkschaftsfeindliche Unternehmen sucht den Schulterschluss mit der IG Metall.

Von Barbara Roth, Brigitte Scholtes und Andreas Baum | 25.02.2009
    Deren Chef Huber:
    "Die Schaeffler-Gruppe wird so weiterentwickelt, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - vergleichbar einer Aktiengesellschaft - verankert und vereinbart wird. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von der Rechtsform der Dachgesellschaft der Schaeffler-Gruppe."

    Künftig also haben die Arbeitnehmer mehr Mitspracherechte, und die Familie gebe Anteile ab, sagte die Firmenpatriarchin:

    "Wir werden unseren Gesellschafteranteil reduzieren, um damit einen Beitrag zum Abbau der Schulden zu leisten."

    Georg Schaeffler beziffert die Lücke im Eigenkapital auf fünf bis sechs Milliarden Euro.

    Dass die Familie sich auf den Handel mit der Gewerkschaft einlässt, begründet sie mit dem gewünschten Erhalt des Unternehmensverbundes.

    "Die IG Metall und wir sind uns bewusst, dass wir Bund und Länder zur zeitlich begrenzten finanziellen Überbrückung brauchen. Aber wir glauben auch, dass die dazu notwendigen politischen Entscheidungen leichter fallen, wenn Gesellschafter und Gewerkschaft an einem Strang und in eine Richtung zum Erhalt der Einheit und der Arbeitsplätze des Unternehmensverbunds Schaeffler-Conti ziehen."

    Manager, Ingenieure, Fließbandarbeiter und Auszubildende - fast alle 8000 Mitarbeiter am Stammsitz des Autozulieferers Schaeffler waren vergangene Woche für ihr Unternehmen auf die Straße gegangen. Hier im mittelfränkischen Herzogenaurach hat die 15-jährige Jessica ein rotes Transparent geschrieben, darauf steht: "Danke, Frau Schaeffler".

    "Wir wollen uns bei der Frau Schaeffler bedanken, dass sie meinem Vater Arbeit gibt."

    Eine Demonstration für die Solidarität mit einer in Not geratenen Milliardärin. Maria-Elisabeth Schaeffler, von ihren Mitarbeitern jubelnd empfangen, kämpft mit den Tränen. Auch Mitarbeiter aus China und Indien erklären sich im Intranet der Firma solidarisch. Weltweit zittern knapp 70.000 Beschäftige - mit Conti sind es 220.000 - um ihre Arbeitsplätze. Ihrer Chefin macht das Gros der Mitarbeiter keine Vorwürfe.

    "Ich glaube nicht, dass die Frau Schaeffler was falsch gemacht hat. Für die Wirtschaftskrise kann hier eigentlich keiner großartig was. Ich sage ganz klipp und klar, ich stehe voll und ganz hinter der Frau Schaeffler. Mit Conti, der Deal, der ist für die Zukunft perfekt. Dass so eine wirtschaftliche Krise kommen würde, hat keiner voraussehen können."
    "Sie hat also mit Standing Ovations bekommen und man hat schon gemerkt, dass es ihr auch nahegeht, dass die Mitarbeiter auf Lohn verzichten müssen, dass sie sie nicht gut bezahlen kann."

    Mit der Übernahme des drei Mal größeren Konkurrenten Continental hat sich das Familienunternehmen immens verhoben. Es hat sich den über Bankkredite finanzierten Deal mehr als zehn Milliarden Euro kosten lassen. Heute aber ist der Hannoveraner Reifenhersteller nur noch ein Fünftel wert. Der Mutterkonzern ist hoch verschuldet und kann die Kreditzinsen von monatlich rund 70 Millionen Euro nicht mehr zahlen. Seit Wochen wirbt die Eigentümerfamilie öffentlich für Staatshilfen.

    Beobachter rechnen in den nächsten Tagen damit, dass die Schaeffler-Gruppe dem Bundeswirtschaftsministerium ein Zukunftskonzept vorlegen wird. Es ist Bedingung für mögliche Staatshilfen und zugleich Hoffnung darauf, das Unternehmen in seiner jetzigen Form zu erhalten.

    Unter den Ölgemälden der Firmengründer, im Foyer der hochmodernen Konzernzentrale, steht hinter Glas ein Leiterwagen. Mit dem fing 1946 alles an. Die aus Schlesien vertriebenen Brüder Georg und Wilhelm Schaeffler ließen sich in Herzogenaurach nieder. 1996 starb Georg Schaeffler, seine Witwe Maria-Elisabeth übernahm das Ruder.

    "Da war eine Witwe, die nicht viel Ahnung hat. Und ein Sohn, der in Amerika Anwalt ist. Also, man hat uns nicht sehr viel zugetraut. Aber ich war und bin, ich bin es heute wahrscheinlich mehr als ich es vor zehn Jahren war, ich bin von diesem Unternehmen besessen","

    sagt Frau Schaeffler im Jahr 2006. Unter der Leitung der heute 67-Jährigen expandiert der Betrieb. In weltweit jedem vierten Auto ist eine Kupplung von Schaeffler eingebaut. Unternehmenssprecher Detlef Sieverdingbeck verteidigt den Conti-Deal als nach wie vor richtige Entscheidung.

    ""Wir haben eine Entscheidung getroffen - unternehmerisches Risiko ganz klar - allerdings, es sind Dinge hinzugekommen, die waren von uns nicht beeinflussbar. Es kam der Zusammenbruch von Lehman-Brothers, und das hat einen Domino-Effekt ausgelöst. Dass hat im vergangenen Jahr niemand vorausgesehen. Und deshalb hat der Vorwurf, Finanz-Hasardeure zu sein oder zu spekulieren, einfach nicht gepasst."

    Unter großem Druck wird an einem Zukunftskonzept gearbeitet, das das Überleben des Unternehmens sichern soll. Ohne Strategie keine staatliche Unterstützung. Die Banken drängeln; der Finanzchef der Firma musste bereits gehen. Die Kredit gebenden Geldinstitute, darunter die Commerzbank, die Dresdner Bank und die Landesbank Baden-Württemberg, hängen selbst am staatlichen Geldtopf. Der Unternehmenssprecher will nicht darüber spekulieren, ob sich der Staat direkt am Unternehmen beteiligen oder Bürgschaften und Garantien geben soll. Nur soviel: Es muss schnell Geld fließen.

    "Kurzfristige Zwischenfinanzierung, Hilfen, wo auch tatsächlich eine Perspektive da ist, das muss eigentlich unterm Strich herauskommen. Wichtig ist, dass wir glauben, wenn die Automobilkonjunktur wieder anzieht, dann sind Schaeffler und Conti ganz vorne, dann sind sie ein zweiter globaler Champion der Automobilzulieferindustrie."

    Schaeffler muss auf Zeit spielen. Denn in der Krise winken potentielle Investoren reihenweise ab. Die Familie wolle nichts geschenkt, macht Sieverdingbeck deutlich. Den Vorwurf, die Eigentümer sanierten ihre Firma auf Kosten der Steuerzahler, weist er zurück.

    "Die Gesellschafter, Frau Schaeffler und ihr Sohn Georg, sie haben auch darauf hingewiesen, dass es eben nicht um eine langfristige Belastung der Steuerzahler geht. Und wenn entsprechende Hilfen geleistet werden, diese dann natürlich auch beglichen werden durch das Unternehmen."

    In die Stadt führt eine breite, auf vier Spuren ausgebaute Straße. Herzogenaurach mit seinen 23.000 Einwohnern gilt als Boomtown zwischen Nürnberg und Erlangen. Mit Abstand wichtigster Arbeitgeber am Ort ist die Schaeffler-Gruppe, dank der auch die Stadtkasse immer gut gefüllt ist. Doch das werde sich bald ändern, klagt Bürgermeister German Hacker.

    "Die Zahlen sind leider sehr katastrophal. Im Haushalt 2008 hatten wir einen Ansatz von plus 20 Milliarden Euro. Und die Zahl, die jetzt drin steht, ist Minus vier. Das heißt, wir werden dieses Jahr mehr zurückzahlen an Gewerbesteuer als wir bekommen werden."

    Der Bürgermeister bettelt für Schaeffler um staatliche Hilfen. Bei Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU, vor allem aber bei seinen Parteifreunden von der SPD. Bundestagsfraktionschef Peter Struck sucht er persönlich auf. An Bundesfinanzminister Peer Steinbrück schreibt er einen Brief. Mehr als 20 Bürgermeister anderer deutscher Schaeffler-Standorte unterzeichnen ihn mit. Anfang März empfängt ihn Altkanzler Gerhard Schröder.

    Es scheint , als ob eine ganze Stadt die Luft anhalte. Was passiert, sollte die Staatshilfe nicht fließen, will sich der Bürgermeister gar nicht ausmalen. Maria-Elisabeth Schaeffler ist Ehrenbürgerin der Stadt. Sie sei bodenständig und bescheiden, heißt es im Ort. Und sehr beliebt.

    "Sie müssen sehen, die Firma Schaeffler hat noch im September des letzten Jahres, September 2008, hier am Standort noch hundert Ingenieure gesucht. Das muss man sich mal antun, aus dieser Phase kommen wir raus. Deswegen hören Sie natürlich auch hier vor Ort auch kein böses Wort. Nicht aus Gründen, man dürfe nichts sagen, sondern hier hat niemand den Grund dazu. Schauen Sie sich die Liste an der Ehrenämter, die sie innehat. Also dieses soziale Engagement greift tief. Das finden Sie in allen Bereichen wie in der Musikschule, wo sich die Frau Schaeffler eingebracht hat. Das findet alles diskret statt, aber dieses Engagement spielt eine große Rolle hier."

    Ohne staatliche Hilfe könne der hoch verschuldete fränkische Konzern nur noch kurze Zeit überleben, schlägt die bayerische IG Metall Alarm. Wolfgang Müller, Schaeffler-Beauftragter bei der Gewerkschaft.

    "Es fällt dem Unternehmen schwer nach allem, was man weiß, die Banken, die Zinsen entsprechend zu bedienen und die Schaeffler-Gruppe demnächst, wenn nicht frisches Geld kommt, an der Kante, am Abgrund steht. Eine der Alternativen ist tatsächlich Insolvenz. Wir gehen davon aus, dass die Staatshilfe doch relativ dringlich ist, d.h. wir können keine sechs Monate ins Land gehen lassen. Wir reden nicht von Sommer oder Herbst, sondern reden jetzt vom Winter, Frühjahr."

    Schaeffler und Continental geben in Deutschland rund 80.000 Menschen Arbeit. Die hat der bayerische IG Metall-Bezirkschef Werner Neugebauer im Blick, wenn er sich zähneknirschend für staatliche Hilfen stark macht.

    "Beim Essen kann man sich auch verschlucken, das ist wohl so. Es war eben nicht nur die aktuelle Finanzkrise, sondern es ist auch ein Stück Arroganz und Überheblichkeit gewesen. Es soll eine Hilfe sein für einen zeitlich befristeten Rahmen. Um private Investoren zu finden, damit der Staat wieder aussteigen kann. Aber solange es Staatshilfen gibt, dass er sich einmischt. Es muss knallhart festgelegt werden: Konditionen und die sind: keine Wettbewerbsverzerrung und Erhaltung der Standorte und der Arbeitsplätze."

    Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat es schon am vergangenen Wochenende auf den Punkt gebracht: So gehe es nicht, Frau Schaeffler! Im Nerzmantel trete man nicht vor die Kameras und fordere Staatshilfen. Trotz aller Kritik an Maria-Elisabeth Schaefflers Garderobe ist die sozialdemokratische Linie dennoch klar geworden: Unter bestimmten Umständen - und wenn die Form stimme würde die SPD durchaus helfen. Die Bedingungen sind formuliert: Erstens müsse ein Konzept auf den Tisch, sagt Andrea Nahles, Parteivize und Vertreterin des linken Flügels der Sozialdemokratie. Und zweitens müssten die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden - nicht nur Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg, sondern auch die Banken, die die riskante Conti-Übernahme mitgetragen hätten.

    "Ich bin nicht bereit, hier sofort Staatshilfe zu versprechen. Was ich bereit bin, ist, wenn alle anderen ihrer Verantwortung nachkommen, also Frau Schaeffler mit ihrem Privatvermögen, und ihr Sohn, die Banken, dann zu sagen: Dass es vielleicht eine Bürgschaft ist, die da helfen könnte von staatlicher Seite, um den Konzern irgendwie zu retten, aber ich muss ganz ehrlich sagen: Das fällt mir wirklich schwer!"

    Die Sozialdemokratie schneidet sich buchstäblich ins eigene Fleisch, wenn sie Staatsgeld verwenden will, um Milliardäre zu retten. Zwar hat sich die Familie Schaeffler bereit erklärt, eigenes Vermögen beizusteuern. Aber immer noch ist die SPD bereit zu helfen, denn es gehe ihr, wie Parteichef Franz Müntefering betont, vor allem um die vielen Arbeitsplätze in Herzogenaurach und anderswo.

    "Es können Situationen entstehen, wo man, im Interesse von vielen, vielen Familien zum Beispiel an der Stelle helfen muss, damit da keine Katastrophen passieren. Und es geht nicht um diejenigen, die an der Spitze stehen, um die Frage, ob man denen hilft, ja oder nein, sondern es geht um die Frage, was man löschend und rettend an diesem Punkt tun kann, und das muss dann auch gemacht werden."

    Und auch die Union signalisiert seit Tagen Einlenken: Wenn Tausende Arbeitsplätze in Gefahr sind und ein Konzept vorliege, könne der Staat helfen, sagt Bayerns CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer. Die FDP ist wieder einmal außer sich vor Empörung: Union und SPD seien nicht mehr unterscheidbar geworden, wettert ihr Generalsekretär, Dirk Niebel. Er würde lieber eine Insolvenz in Kauf nehmen, als Staatsgelder für Schaeffler einzusetzen.

    "Wenn die beiden sozialdemokratischen Parteien, die die Bundesregierung stellen, hier Staatshilfe leisten wollen, dann ist das einmal mit Populismus zu begründen, und zum anderen natürlich auch mit einer selbst hergestellten Gefangenschaft. Wenn man einmal als Staat anfängt einzusteigen, wo soll man denn dann aufhören? Wer kümmert sich um Märklin? Wer kümmert sich um Schießer? Wer kümmert sich um Rodenstock?"

    Wettbewerbsverzerrend also wäre ein Eingreifen des Staates aus Sicht der Liberalen, und ungerecht dazu, weil diejenigen Unternehmer, die besonders viele Fehler gemacht hätten, auch noch belohnt würden.

    Während sich die Grünen bei der Diskussion um Staatsgeld für die Schaeffler-Gruppe bislang weitgehend herausgehalten haben, sieht die Linkspartei sie als willkommene Gelegenheit für eine Lektion in Sachen Kapitalismus. Sahra Wagenknecht, Vorstandsmitglied der Linken, hält es im Prinzip für richtig, die Staatsgelder auch daran zu knüpfen, dass das Unternehmen endlich die Mitbestimmung der Mitarbeiter zulässt. Nur eben zu spät sei dieser Schritt getan worden.

    "Wenn die Mitarbeiter hätten mitbestimmen können, hätten sie mit Sicherheit nicht so eine irrwitzige Entscheidung getroffen, Conti zu übernehmen. Das zeigt auch, dass Mitbestimmung was bringt."

    Darüber hinaus solle der Staat jetzt die Gelegenheit nutzen und Schaeffler verstaatlichen: Also Anteile übernehmen, nicht nur um Arbeitsplätze zu retten, sondern um als Eigentümer aufzutreten und dem Unternehmen eine neue Richtung geben zu können. Hin zu einem der Linken zu Folge "gerechteren Kapitalismus".

    "Dass die Manager nicht in erster Linie darauf orientiert werden und dafür bezahlt werden, dass sie die kurzfristige Rendite maximieren, sondern dass sie eben beispielsweise darauf orientiert werden, dass es möglichst viele Arbeitsplätze, gut bezahlte Arbeitsplätze im Unternehmen gibt - natürlich, dass das Unternehmen insgesamt erfolgreich ist. Die Frage ist immer: Woran misst man unternehmerischen Erfolg. Das ist, in diesen heutigen Unternehmen, absolut einseitig nur das Interesse des Share-Holders."

    Unter Wirtschaftsexperten wird die Lage sehr viel nüchterner betrachtet. Wenn sie auch die Bedeutung der Schaeffler-Conti-Gruppe für die Branche anerkennen, so meint Stefan Bratzel, Leiter des "Center of Automotive" an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach:

    "Wenn man Schaeffler-Continental zusammennimmt, zählen sie mit zu den Top 5 der globalen Automobilzulieferer. Insofern gibt es neben Bosch und vielleicht Denso und dem einen oder anderen Zulieferer kaum ein Unternehmen, das so eine Bedeutung für die Automobilindustrie als Zulieferer hat."

    Allein seit November haben gut zwanzig Unternehmen Insolvenz angemeldet. Und es dürften noch mehr werden, glaubt auch Branchenexperte Eric Heymann von der "Deutschen Bank Research":

    "Die derzeitige Rezession in der Autoindustrie wird natürlich die Konsolidierung in der Zulieferbranche beschleunigen. Sie wirkt da als Katalysator, wenn man so will. Denn natürlich ist es klar, dass wenn die Nachfrage wegbricht, dass es dann für die Unternehmen, die in den guten Zeiten nicht vorgesorgt haben, schwierig wird zu überleben. Von daher ist ganz klar damit zu rechnen, dass die Konsolidierung und die Konzentration in dieser Branche zunehmen wird."

    Bis zu einem Fünftel der insgesamt tausend Zulieferunternehmen in Deutschland mit insgesamt 350.000 Beschäftigten könnte es treffen, glauben Experten. Schwierige Voraussetzungen also für die Familie Schaeffler, aus ihrer misslichen Lage wieder herauszufinden. Ein Zusammenbruch der Gruppe käme einer Kernschmelze in der Zulieferindustrie gleich, hatte es zwar vor einigen Tagen in einer Studie einer Unternehmensberatung geheißen, die vergleichbar wäre mit der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers in der Bankenwelt. Das aber hält Automobilexperte Stefan Bratzel dann doch für übertrieben:

    "Wenn eine Insolvenz eintritt, dann werden einige ohnehin schon gebeutelte Zuliefererfirmen von Schaeffler-Conti natürlich sehr stark belastet, was dann zu einigen Problemen führen kann. Aber ich glaube - und mit einem Horrorszenario Kernschmelze, mit solchen Worten würde ich da nicht hineingehen -, weil im Falle einer Insolvenz eben das Unternehmen ja erst einmal weitergeführt werden kann."

    Für die Banken, die Continental und Schaeffler Kredite gewährt haben, wäre eine Insolvenz der Gruppe keine erstrebenswerte Lösung, meint Hans-Peter Wodniok vom unabhängigen Analysehaus "fairesearch".

    "Dieser Insolvenzverwalter würde dann eben während der Insolvenz die Schulden insofern abbauen, als dass die Banken Verzicht üben müssen. Dann haben die Banken allerdings direkt die Abschreibung. Und das werden sie wahrscheinlich tunlichst vermeiden, indem sie halt eben dann in den sauren Apfel beißen und Eigenkapital zur Verfügung stellen aus den jetzigen Krediten."

    Das aber könnte auch dann geschehen, wenn die Banken zur Rettung einspringen, fürchten IG Metall wie Familie Schaeffler. Das müssten sie aber eigentlich, glaubt Hans-Peter Wodniok vom unabhängigen Analysehaus fairesearch. Denn die Schaeffler-Gruppe könne ohne einen drastischen Schuldenabbau nicht überleben. Deshalb ja auch das Angebot der Schaefflers, deren Beteiligung an der Gruppe zurückzuführen. Das könne ein Abbau von bis zu 75 Prozent werden, ist zu hören.
    Angeblich gibt es Investoren, die sich für einen Einstieg interessieren. Daran zweifelt Analyst Wodniok jedoch. Er hält es eher für möglich, dass die Gläubigerbanken einsteigen:

    "Die Banken können meiner Meinung nach nicht damit rechnen, dass die Kredite, die sie gewährt haben, zurückgezahlt werden. Also kann ich nur als Bank davon ausgehen, dass langfristig vielleicht in fünf oder in zehn Jahren die Preise für Unternehmen dieser Art, für Automobilzulieferer, wieder besser sind. Ich habe bis dahin eine Beteiligung, die ich dann schrittweise wieder verkaufen kann."

    Einer Lösung mit einem Einstieg der Banken würden Fachleute jedenfalls einem Einstieg des Staates vorziehen. Automobilexperte Bratzel:

    "Im Moment ist es Opel und Schaeffler. Wo hört man dann tatsächlich auf? Was ist, wenn Ford kommt? Was ist, wenn andere Zulieferer kommen? Was ist, wenn die Chemiebranche kommt?"

    Die Demonstration pro Schaeffler vergangene Woche soll nicht die letzte Aktion der Mitarbeiter gewesen sein. Paul Seren hat sie organisiert. Seit 19 Jahren arbeitet der Ingenieur im Konzern. Er plant weitere Kundgebungen - auch in Berlin. Er sammelt Unterschriften für die staatliche Unterstützung, und mit seinen Kollegen sogar Geld:

    "Die Mitarbeiter sprühen vor Ideen, was könnte man noch machen. Dass sich einige ernsthaft damit beschäftigt haben, Continentalaktien zu kaufen, um dort eine gewisse Wertsteigerung zu erreichen, um letztendlich die Kreditwürdigkeit von Schaeffler wieder nach oben zu treiben. Es gibt Kaffeekassen, die sind schon dafür aufgelöst worden. All das passiert hier derzeit, in der Dynamik man möchte etwas tun."