Samstag, 20. April 2024

Archiv

Der Klassiker von Musiker Frank Spilker
Dashiell Hammetts "Rote Erde" ist Hochkultur

Frank Spilker ist Musiker. 1987 gründete er die legendäre Band "Die Sterne". Die Band zählt neben "Blumfeld" und "Tocotronic" als die wichtigsten Vertreter der sogenannten "Hamburger Schule". Spilkers "Klassiker" ist aber kein Album oder Konzert - sondern ein Klassiker zwischen zwei Buchdeckeln.

Von Andreas Main | 25.02.2014
    Mein Name ist Frank Spilker. Ich bin Sänger und Texter der Band "Die Sterne" sowie seit neuestem Romanautor. Und mein Klassiker ist "Rote Ernte" von Dashiell Hammett.
    "Als ich fertig gegessen hatte, ging ich in mein Zimmer hinauf, vierter Stock, Straßenseite. Ich schloss auf, trat ein und knipste das Licht an."
    An dem Roman ist faszinierend, dass Dashiell Hammett ja der erste Krimiautor gewesen ist, der tatsächlich mal in einer Detektei gearbeitet hat und dementsprechend die Realität des Detekteiwesens in der Kriminalroman geholt hat - in einer Art und Weise, wie die Serie "The Wire" die Realität zurückgeholt hat in das Format der Krimiserie.
    "Rote Ernte" ist ein ganz radikaler Roman. Es ist in jedem Fall ein politisches Buch. Es ist nicht so deutlich darin enthalten, wie ich das jetzt sage, aber es schimmert immer durch - das hat man natürlich ja auch bei Chandler und anderen hard-boiled-Autoren -, dass es Interessen gibt, dass diese Interessen von Handlangern erfüllt werden und dass die nicht immer im Sinne der Allgemeinheit sind, sondern einfach die Interessen von Einzelpersonen.
    "Eine Kugel küsste dicht neben meiner Rübe ein Loch in den Türrahmen. Weitere Kugeln stickten weitere Löcher in die Tür, Türrahmen und Wand, doch da hatte ich mich schon in eine sichere Nische geworfen, die im toten Winkel zum Fenster lag."
    Man muss halt sehen, dass es in einer Zeit entstanden ist, in der der Kriminalroman ein "Whodunit" war, also dieses Sherlock-Holmes-Prinzip, dass man einen Kriminalfall hat und der Ermittler versucht herauszubekommen, wer es war. Bei "Rote Ernte" ist es so, dass der Ermittler irgendwann in der Mitte, der namenlose Ermittler, gar nicht mehr weiß, ob er selbst ein Teil einer Tat gewesen ist, weil er unter Drogeneinfluss sich an eine bestimmte Nacht oder an ein bestimmtes Ereignis nicht erinnert. Und das ist eine ganz andere Art von Realität, die da plötzlich auftaucht. Man hat nicht diese übermächtige Figur des guten Ermittlers, der über denen Dingen steht, sondern dieser Ermittler ist mitten drin und Teil des Ganzen.
    "Auf der anderen Straßenseite stand, wie ich wusste, ein dreistöckiges Bürohaus, dessen Dach ein bisschen höher lag als mein Fenster. Auf dem Dach musste es dunkel sein. Bei mir war das Licht an. Unter diesen Umständen rauslinsen zu wollen war wenig ratsam."
    Vielleicht wie Dostojewskis "Verbrechen und Strafe" so ganz tief in die Psychologie eines Mörders einsteigt, steigt es in die Psychologie einer Gesellschaft ein. Und die Mechanismen, wie diese funktioniert. Und alles, was so erhellend ist, so viel über das Sozialleben sagt, wird eben dann zu einem Klassiker, glaube ich. Das kann man heute lesen, ohne dass man das Gefühl hat, das ist alt oder verstaubt.
    "Ich suchte nach etwas, das ich nach der Lampe werfen konnte, entdeckte eine Gideon-Bibel und schmiss. Die Glühbirne zerplatzte, ich im Dunkeln."
    Man muss es lesen, weil es eines der besten Bücher ist, um eine Brücke zu schlagen von sogenannter Popkultur zu sogenannter Hochliteratur. Also, genau dieses Auflösen dieser Grenzen - da gibt es wenige Bücher, die das so großartig hinbekommen.
    Ich habe es schon so oft gelesen. Es ist so zerfleddert, dass ich das, glaube ich, nicht mehr anfassen kann, ohne dass es auseinander fällt.