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Der Koalitionsausschuss tagt
Brüchiges Bündnis mit vielen Streitpunkten

Grundrente, Klimaschutz, Bundeshaushalt - und der Schutz des Wolfes: Wenn die Regierungsparteien zum Koalitionsausschuss zusammenkommen, geht es um viele Streitpunkte. Genau ein Jahr nach ihrem schweren Start steht die bröckelnde Koalition wieder einmal vor einer Bewährungsprobe.

Von Frank Capellan | 14.03.2019
14.03.2018, Berlin: Die Mitglieder des neuen Bundeskabinetts haben auf der Regierungsbank Platz genommen. Vorne l-r, Ursula von der Leyen (CDU), Verteidigungsministerin, Katarina Barley (SPD), Bundesjustizministerin, Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Heiko Maas (SPD), Außenminister, Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU); 2. Reihe, l-r, Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, Svenja Schulze (SPD), Bundesumweltministerin, Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, Franziska Giffey (SPD), Bundesfamilienministerin, Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales und Kanzleramtsminister Helge Braun sowie Gerd Müller (CSU), Entwicklungsminister in der 3. Reihe.
Genau ein Jahr ist die neue große Koalition der Kanzlerin am 14. März im Amt - schon der Start im März 2018 war schwierig (dpa / Gregor Fischer)
"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen werde."
Kurz nach 10 am 14. März 2018. Es ist vollbracht. Frau Dr. Angela Merkel legt den Amtseid ab. Es ist das Ende der längsten Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik, 171 Tage nach einer katastrophalen Wahlniederlage ist sie am Ziel. Zum vierten Mal Regierungschefin, in einer Reihe mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl
"So wahr mir Gott helfe!"
Ein schwerer Weg - von Anfang an
Dass Merkel nicht nur Hilfe von oben braucht, ahnt damals schon so mancher. Mit Schwarz-Rot rauft sich zusammen, was schon längst nicht mehr zusammengehört. Dass dies keine Liebesheirat ist, ist von der ersten Minute an zu spüren.
Wolfgang Schäuble:
"Wenn Sie bitte auf der Tribüne keine Transparente hoch halten, andernfalls muss ich die Saaldiener bitten, für Ordnung zu sorgen."
Wolfgang Schäuble und Angela Merkel, den Ex-CDU-Chef und die Noch-Vorsitzende verbindet eine besondere Geschichte. Schäuble wird später seinen Freund Friedrich Merz ermuntern, den Aufstand zu wagen, als es um die CDU-Führung geht. Hier, als Bundestagspräsident, wahrt Schäuble die Contenance, bleibt bei Andeutungen.
"Frau Bundeskanzlerin, ich darf Ihnen noch einmal alle guten Wünsche auf Ihren schweren Weg mitgeben."
Wie schwer dieser Weg schwer werden würde, zeigt sich schon am Ergebnis. Mindestens 35 Abgeordnete aus dem schwarz-roten Lager verweigern Merkel die Gefolgschaft.
"Gewählt ist gewählt. Wir haben die Mehrheit. Jeder hat sich überlegt, wie er sich verhält und die einen oder anderen haben vielleicht zu wenig überlegt!"
Meint im Generalsekretärsdeutsch der neue Verkehrsminister Andreas Scheuer. Und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles reagiert damals unwirsch auf den Verdacht, es könnte auch nur ein einziger Abgeordneter aus ihren Reihen Merkel die Gefolgschaft verweigert haben.
"Entschuldigung! So eine Unterstellung weise ich ausdrücklich zurück!"
Bewährungsprobe für die Demokratie
Der Bundespräsident drängt die Koalitionäre noch am selben Tag, sich nun endlich an die Arbeit zu machen, als er das neue Kabinett im Bellevue empfängt
"Willkommen Bundesregierung. Das wurde aber auch Zeit!"
Dem Druck des Sozialdemokraten mit ruhendem Parteibuch allein ist es zu verdanken, dass es überhaupt zu dieser Regierungsbildung kam. Frank-Walter Steinmeier hatte die SPD gedrängt, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und zu regieren:
"Dies sind Bewährungsjahre für die Demokratie!"
Zur Bewährungsprobe wird insbesondere das erste Jahr dieser unglücklichen Regierung. Das Kabinett Merkel IV – so scheint es – ist nur noch eines auf Bewährung. Heute Abend dürfte es im Koalitionsausschuss auch um die Frage gehen, wie genau dieser Eindruck zerstreut werden könnte.
"Wir haben vieles Gutes bewegt!"
Hat die Kanzlerin zum Jahrestag betont. Doch werden sie noch mehr bewegen?
Arbeitsrunde statt Krisentreffen
"Das wird kein dramatischer Koalitionsausschuss werden, wo es einen großen Streit gibt, sondern es wird einfach darum gehen, dass man sich einfach bespricht, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht!"
So Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus vor dem letzten Koalitionstreffen im Februar. Ähnlich soll es heute Abend werden: Arbeitsrunde, kein Krisentreffen.
"Und darum ist es für mich ganz entscheidend, dass wir weder Rückwärtsspiele machen, noch ständig wieder Fouls begehen. Beim Bundeshaushalt oder bei den großen Themen nur eines zu machen: In der Sache hart zu arbeiten und Ergebnisse zu bringen!"
Fordert Markus Söder, der neue CSU-Chef.
Viele Streitpunkte
Wie konstruktiv das wirklich abgeht, muss sich noch zeigen – immerhin soll es auch um die mittelfristige Finanzplanung gehen. Da mahnt Bayerns Ministerpräsident den Bund schon mal, den Ländern die Gelder für Integrationsaufgaben nicht zu kürzen. Der Umgang mit Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien muss dringend geklärt werden, und die Sozialdemokraten wollen ein Machtwort der Chefin beim Klimaschutzgesetz.
"Seit einigen Monaten sind wir in sehr gutem Fahrwasser!"
Glaubt SPD-Chefin Andrea Nahles. Ob der Streit über die Grundrente oder den Solidarzuschlag nicht schon bald wieder für Turbulenzen sorgt, dürfte sich in den kommenden Monaten erweisen. Am Abend wollen die Koalitionäre das lieber ausklammern und über etwas anderes reden, dass sie entzweit: den Schutz des Wolfes.