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Der Kommunist und die Bombe

Der Anblick dieser Explosion aus zwanzig Meilen Entfernung, auch durch die geschwärzten Gläser war überwältigend. Der Feuerball, der in absoluter Stille sich entwickelte und dann zum Himmel emporstieg, machte einen großen Eindruck. Und der mit Minuten Verspätung heranrollende, grollende Donner war unheimlich. Niemand konnte sich diesem Eindruck entziehen.

Von Kay Müllges | 01.03.2005
    Klaus Fuchs war dabei als am 16. Juli 1945 bei Alamogordo in der Wüste New Mexicos die allererste Atombombe gezündet wurde. Er gehörten zu den hunderten Wissenschaftlern, die an dem größten und geheimsten Wissenschafstprojekt, dem sogenannten Manhattan-Project, mitwirkten. Doch Klaus Fuchs war nicht nur einer von vielen begabten Forschern, er war auch die undichte Stelle im Projekt, er verriet alles, was er wusste an die Sowjetunion. William Perry, der an der Enttarnung des Meisterspions maßgeblich beteiligt war, formulierte das später so:

    Wenn die Historiker jemals Zeit haben alle diese Probleme zu klären, wird dieser Fall als ein sehr schwerwiegendes Ereignis gesehen werden, das die internationalen Beziehungen, die Nachkriegsspannungen und den Kalten Krieg beeinflusste. Er war nicht der Einzige, aber er war der Grösste.

    Klaus Fuchs wurde am 29. Dezember 1911 in Rüsselsheim geboren. Sein Vater Emil, ein protestantischer Pfarrer, war zugleich einer der allerersten evangelischen Geistlichen, die Mitglieder der SPD wurden. Die war Ende der zwanziger Jahre auch die erste politische Anlaufstelle des jungen Physikstudenten, doch bereits 1932 trat er der KPD bei. Nach der Machtergreifung der Nazis und dem Reichstagsbrand musste der junge Kommunist untertauchen, im August 1933 gelang ihm die Flucht nach England. Dort konnte er weiter studieren und nach seiner Promotion nach Edinburgh zu Max Born, dem ebenfalls emigrierten Nestor der frühen Atomphysik, wechseln.

    Die Briten litten damals nicht nur unter den verheerenden deutschen Luftangriffen auf London und Coventry. Aufgeschreckt durch die Nachricht, dass es Otto Hahn in Berlin erstmals gelungen war, einen Atomkern zu spalten, begannen sie, noch vor den Amerikanern, selbst ein Programm zur Entwicklung der Atombombe aufzulegen. Tube Alloys - zu deutsch Röhrenlegierungen - war sein Deckname und der wissenschaftliche Kopf des Ganzen, Rudolf Peierls, fand in Klaus Fuchs einen begabten Mitarbeiter.

    Und nicht nur das. Sobald ihm der Sinn seiner Arbeit bei Tube Alloys klar geworden sei, schrieb er später in seinem Geständnis, habe er aus tiefer politischer Überzeugung beschlossen, Russland zu informieren. Über diverse Kontakleute lieferte er fortan brisantes Material an die Sowjets, sowohl über Tube Alloys, als auch später, während seiner Zeit in Los Alamos über das Manhattan Project. Doch wie wichtig waren diese Informationen? Nikolaus Riehl, ein deutscher Physiker, der nach dem Krieg zur Mitarbeit am russischen Atombombenprojekt gezwungen wurde, erinnert sich:

    Es ist ganz falsch zu glauben, dass ohne diese Beihilfe die Russen nicht zu einer Atombombe gekommen wären. Sie wären etwas später dazu gekommen. Um mal eine Zahl zu nennen: sie wären ein Jahr später dazu gekommen. Vielleicht zwei Jahre später. Aber mehr auch nicht.

    Dass sein Verrat letztlich dem Erhalt des Friedens diente, davon ist der Gesinnungstäter Klaus Fuchs bis zu seinem Lebensende ausgegangen.

    Ein friedenserhaltender Faktor ist die Tatsache, dass die Sowjetunion das Atombombenmonopol der USA gebrochen hat und dass es Kurtschatow und seinen Mitarbeitern gelungen ist ein annäherndes Gleichgewicht zu erreichen. Das ist unbedingt ein friedenserhaltender Faktor.

    Am 01. März 1950 wurde Klaus Fuchs in einem Schnellverfahren vor dem Old Bailey in London zu vierzehn Jahren Haft verurteilt, von denen er neun verbüsste. Nach seiner Begnadigung ging er in die DDR, gehörte dort zu den führenden Kernphysikern des Landes. Den Untergang des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden erlebte er nicht mehr. Klaus Fuchs starb am 28. Januar 1988 in Ost-Berlin.