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Der Krise zum Trotz

Das neue isländische Konzerthaus "Harpa" hat viel Geld gekostet für ein Land, das erst vor drei Jahren Pleite machte. Das Schmuckstück wird in einer langen Kulturnacht nun offiziell inauguriert und seine Glasfassade endlich auch illuminiert.

Von Agnes Bührig | 20.08.2011
    Das Isländische Sinfonieorchester hat eine neue Heimat. Statt in einem umgebauten Kino spielt es jetzt in Harpa und seinem Hauptsaal Eldborg. Eldborg bedeutet Feuersburg, die Farbe magmarot dominiert. Das erinnert an die gewaltige Kraft der Vulkane, die es hier auf der Insel gibt, sagt die Musikdirektorin Steinunn Birna Ragnarsdóttir. Das ganze Haus ist von der Natur inspiriert, nicht zuletzt die spektakuläre Außenfassade, sagt Ragnarsdottir:

    "Der Lichtkünstler Olafur Eliasson hat untersucht, wie sich die Sonne bewegt und sich das Licht verändert. Das Gebäude reagiert darauf. Der Basalt, eine Gesteinsform auf Island, war Inspiration für die Form der Außenfassade. Sie ist aus Glas und reflektiert das Licht in einer ganz einzigartigen Weise."

    In der Konzertpause können die Besucher durch ein luftiges Foyer wandeln, das von einer quer durch den Raum führenden Treppe durchschnitten wird. Im hinteren Teil fällt der Blick auf Meer, Himmel und Berge. Umgerechnet 167 Millionen Euro kostete der Bau, mehr als doppelt so viel wie geplant. Und dass er jemals fertig werden würde, war im Herbst 2008 mehr als fraglich. Damals brach die Finanzkrise über Island herein. Die drei führenden Banken des Landes gingen binnen Tagen in die Knie, die Bevölkerung auf die Barrikaden, erinnert sich Musikdirektorin Ragnarsdóttir:

    "Die Politiker fällten die mutige Entscheidung, das Projekt weiterzuführen, trotz der verheerenden wirtschaftlichen Lage damals. Dafür bin ich sehr dankbar, denn es wäre ein enormer Schock sowohl für die gesamte Nation wie für das Kulturleben gewesen, wenn nicht weitergebaut worden wäre. Der Staat Island und die Stadt Reykjavik übernahmen die Finanzierung je zur Hälfte. Es ist jetzt die Musikhalle der gesamten Nation, wir besitzen sie alle."

    Harpa wird nun mithilfe eines Kredits in 35 Jahren abgezahlt. Die Kritik aus den Zeiten der Krise, man hätte lieber in Schulen und Krankenhäuser investieren sollen, statt einen Kulturtempel zu finanzieren, ist verflogen. Stattdessen strahlt das fertige Haus Zukunftsglauben aus, sagt der stellvertretende Chefredakteur der Tageszeitung Morgonblađid, Karl Blöndal. Und die Krise hat noch etwas anderes mit den Menschen gemacht:

    "Viele glauben, dass die einfach falsche Werte hatten. Dass zu viel Wert auf schöne Autos oder Sachen, Gegenstände gesetzt wurde, statt auf die persönlichen Werte wie Familie, Freunde und so weiter. Und ich glaube, jetzt hat man einfach die Maßstäbe gewissermaßen verändert."

    Davon hat auch Harpa profitiert, meint Musikdirektorin Ragnarsdottir. Die Isländer hätten sich in der Krise auf kulturelle Werte zurückbesonnen. Seit der Eröffnung fürs Volk im Mai hat sie bereits mehr als 100.000 Besucher gezählt hat. Und die festliche Illumination heute Abend wird dem Haus weitere Besucher bescheren, glaubt Ragnarsdottir:

    "Ich habe keine Angst vor der Zukunft. Harpa eröffnet uns Isländern eine neue Dimension. Sowohl für unser Musikleben, das sehr dynamisch ist als auch für internationale Künstler, die wir jetzt anziehen können. Die Fassade spielt dabei eine wichtige Rolle. Mit ihr wird das Gebäude zum Kunstwerk. Vor der offiziellen Illumination heute Abend fühle ich mich ein bisschen wie ein kleines Kind, das auf das Entzünden der Kerzen am Weihnachtsbaum wartet. Harpa ist nun fertiggestellt, das Warten hat ein Ende."