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Der Kunstfreund

Serge Haroche, einer der diesjährigen Physik-Nobelpreisträger, erreichte der Anruf aus Stockholm beim Shoppen mit seiner Frau. Als er die Vorwahl von Schweden auf dem Display seines Handys sah, musste er sich erst einmal hinsetzen.

Von Volker Mrasek | 09.10.2012
    Das Forschungsfeld von Serge Haroche ist ja schon schwierig genug! Doch heute Mittag war nicht einmal der französische Quantenphysiker selbst richtig zu verstehen. So eine miserable Telefonleitung, und das ausgerechnet, als Stockholm den frisch gebackenen Nobelpreisträger am Apparat hatte ...

    Er hoffe, dass beim nächsten Mal ein Quantentelefon zur Verfügung stehe – ulkte daraufhin der Sprecher des Nobelpreiskomitees.

    Zu verstehen war immerhin, dass Haroche am Morgen nicht etwa im Labor war, sondern Shoppen, zusammen mit seiner Frau. Da klingelte sein Mobiltelefon:

    "Als ich die Vorwahl von Schweden sah, musste ich mich erst 'mal hinsetzen."

    Anders als US-Amerikaner oder Briten gelten kontinentaleuropäische Wissenschaftler nicht unbedingt als begnadete Redner. Serge Haroche ist da eine Ausnahme. Er hält auch schon mal Vorträge über Physik und Kunst. Und macht seine Forschung dadurch anschaulicher, zum Beispiel die Quantenoptik.

    "Ein Maler benutzt Farben, um Emotionen beim Betrachter seiner Bilder hervorzurufen. Und diese Farben werden erzeugt durch die Wechselwirkung von Licht mit dem Material, das er verwendet. Ein Quantenoptiker nutzt die Wechselwirkung zwischen Licht und seinen Messapparaturen, um mehr über die Welt zu verstehen. In beiden Fällen ist die Interaktion zwischen Licht und Materie unabdingbar. Licht ist nichts ohne Materie. Und Materie kann nicht studiert werden ohne Licht."

    Wer weiß? Hätte er zu Zeiten van Goghs gelebt, wäre Haroche womöglich Maler geworden – bei seinem Faible für Gemälde.

    "In der Quantenphysik gibt es ein Wort für die merkwürdige Wechselwirkung zwischen zwei Systemen, die sich in einem Status befinden, den man nicht beschreiben kann, wenn man sie als getrennt voneinander ansieht. Dieses Wort heißt Verschränkung. Man kann durchaus sagen: Einen solchen Systemzustand gibt es auch, wenn sich jemand ein Kunstwerk anschaut. Sein Gehirn ist dann ebenfalls mit dem Objekt der Betrachtung verschränkt."

    Das alles hätte Serge Haroche vielleicht auch heute erzählen wollen. Nur leider war ja die Telefonverbindung nach Stockholm so schlecht!

    Links bei deutschlandradio.de:

    Zur Nobelpreis-Übersichtsseite

    Interview mit Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen im Deutschlandradio Kultur (MP3-Audio) (09.10.12)

    "Rechnen mit Qubits" (Beitrag über Quantencomputer in "Forschung aktuell")

    Aktuell zum Physiknobelpreis 2011

    Nobelpreis geht an Quantendompteure - Jury würdigt erste Schritte zu revolutionären Quantencomputern

    Links ins Netz:

    David Wineland erklärt die Ionenfalle (englischsprachiges YouTube-Video)

    Serge Haroche über Licht und Atome beim International Science Day 2011 (englischsprachiges Vimeo-Video)