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"Der Leidenschaften wilder Drang, des Glückes regellose Spiele…"

Jetzt haben wir den Salat: Die Kulturschaffenden, die mit der Feder; stellvertretend seien hier die Lyriker Gernhardt, Wolf und Harig genannt, dem runden Leder spannungsgeladen hinterhergejagt sind, kommen in Erklärungsnöte, denn Betrug zum Wohl des Geldbeutels der Betrüger scheint beim edlen Fußballsport in den letzten Jahren gang und gäbe gewesen zu sein.

Von Gottfried Blumenstein |
    Nun hängen die Werke möglicherweise windschief in den Poesiealben rum. Und gegen die hämischen Verächter des Sportes, die scheel herab blicken auf die strategische und taktische Körperertüchtigung mit Ball zu ebener Erde, hilft nicht einmal mehr Friedrich Schiller, obgleich dieser wusste: "Hoher Sinn liegt oft in kindischem Spiel."

    Wo liegt er nun der hohe Sinn - begraben? Wir wollen itzo in ein laufendes Verfahren nicht eingreifen, aber angesichts der vielen Sprüche, Gedichte, Romane, Theaterstücke, Ballette, Filme und so weiter, die dieser Sport deutschlandweit und international schon hervorgebracht hat, bräuchte einem eigentlich nicht bange sein, trotz alledem etwas Erhellendes zu entdecken. Es war gewisslich nicht ganz umsonst. Gerade Friedrich Schiller, den wir hier als Kronzeugen anführen dürfen, wusste in vorauseilendem Idealismus etliches zu sagen, das sich wie ein Fußballkommentar oder besser noch eine Kabinenpredigt ausnahm:

    Der Leidenschaften wilden Drang,
    Des Glückes regellose Spiele,
    Der Pflichten und Instincte Zwang
    Stellt ihr mit prüfendem Gefühle,
    Mit strengem Richtscheit nach dem Ziele.
    Was die Natur auf ihrem großen Gange
    In weiten Fernen auseinander zieht,
    Wird auf dem Schauplatz, im Gesange
    Der Ordnung leicht gefaßtes Glied.

    Tja, so schön kann, jetzt muss man wohl sagen, war Fußball, denn die Ordnung ist alleweil dahin, zumal es schließlich mit der Schönheit eine eigene Bewandtnis hat, denn nur das Schöne ist wahr, respektive laut Schiller findet man das Schöne - mit Adler- oder Argusaugen, wie´s beliebt -, in der Wahrheit. "Und die ist aufm Platz", wie der Fußballvolksmund weiß. Wenn aber Lug und Trug herrschen, dann nützt der schärfste Blick nichts und alle Tore des Monats zusammengenommen werden verdächtigt und sind plötzlich potthässlich.

    Insbesondere jener Zirkelschuss, der dieser Tage unablässig über alle Bildschirme flimmert. Die Lachnummer des Jahres 2002, mit der sich der Cottbusser Torhüter Piplica möglicherweise seinen Hinterkopf vergoldet hat. Und wie es so kommt, die Dichtung wusste mehr und hat schon seinerzeit Schlimmes nicht nur geahnt sondern eben als lyrische Wahrheit in der hohen Form des Sonetts verkündet:

    Die Bogenlampe schreibt allhier Geschichte,
    In solcherart ward nie noch was gebogen,
    Fiel passgenau gestimmt aus Himmelswogen,
    Mit Macht und Schmackes ein ins Irrelichte.

    Ein Fall womöglich gar für die Gerichte,
    Denn solch ein krummes Ding hat schlicht betrogen,
    Die Wissenschaft, die ward hier schnöd belogen.
    Schon klar, dass ich euch davon jetzt berichte:

    Von droben stürzt das Leder straff hernieder
    Auf unsern Keeper Piplica, den Guten.
    Der kennt das Fallgesetz, darf man vermuten.

    Doch als der Ball vom Himmel kommet wieder,
    Er trifft verzaubert auf des Torwarts hint're Stirne.
    Der köpft ihn rein, hat einen Knoten nun im Hirne.