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Der malende Diplomat

Peter Paul Rubens sei ein großer Humanist und Diplomat gewesen, sagt Stefan Koldehoff. Dies zeige die Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum ebenso wie einige erstklassige Werke des flämischen Barock-Malers.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Dina Netz | 12.10.2012
    Dina Netz: Und wir bleiben noch ein bisschen im Bergischen Land: Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum, das verdankt seine prominente Lage mitten in der Innenstadt der Tatsache, dass sein Gebäude früher das Rathaus war. Seit 1902 beherbergt das Haus das Städtische Museum, seit 1961 heißt es "Von der Heydt-Museum" nach dem großzügigen Elberfelder Bankier. Schwerpunkte der Sammlung sind niederländische Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts, Malerei und Grafik des 19., Malerei des 20. Jahrhunderts, vor allem des Expressionismus. - Stefan Koldehoff, bevor wir über die dort beginnende Rubens-Ausstellung sprechen: Das Von der Heydt-Museum spielt offenbar ja auch eine Rolle bei den kulturpolitischen Umbrüchen in Wuppertal. Was haben Sie da heute erfahren?

    Stefan Koldehoff: Na ja, das liegt daran, dass dieser Ort, den Sie gerade beschrieben haben, eigentlich immer ein Provisorium gewesen ist und inzwischen viel zu klein geworden. Man überlegt tatsächlich ernsthaft, ins Schauspielhaus, ins ehemalige Schauspielhaus, muss man leider sagen, umzuziehen. Das Ganze funktioniert aber nur dann, wenn der Stadtkonservator und der Landeskonservator mitspielen, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz, und zwar sowohl außen als auch innen, was die Gestaltung angeht, und als Museum kann man so etwas mit großen Foyers, mit Treppenaufgängen und Abgängen natürlich nur dann nutzen, wenn man tatsächlich auch neue Wände einziehen darf, oder beispielsweise den Bühnenturm nutzen kann, um da in mehreren Etagen die Dauersammlung zu zeigen und nebenan vielleicht noch ein Zusatzgebäude dranzusetzen. Da gibt es aber noch keine konkreten Planungen. Es müsste sich zum Beispiel auch das Tanztheater Pina Bausch mal äußern, wie die sich denn ihre Zukunft vorstellen und wo und ob man da endlich mal bereit ist, aus der Vergangenheit auch in Richtung Zukunft zu denken. Also viele ungelegte Eier, aber es wird durchaus gebrütet.

    Netz: Eins wissen wir aber, das ist sozusagen schon ausgebrütet: Am Dienstag beginnt eine große Rubens-Ausstellung im bisherigen alten Von der Heydt-Museum, und die ist jetzt unfreiwillig aktuell geworden, denn sie zeigt Rubens als europäischen Diplomaten. Was hat er denn auf dem Gebiet geleistet?

    Koldehoff: Ja, eigentlich ist heute der richtige Tag, um über diese Ausstellung zu sprechen, denn diese Ausstellung zeigt tatsächlich vor allen Dingen viel über die Lebensumstände und wie sie sich auf die Kunst von Peter Paul Rubens ausgewirkt haben. Man muss sich dafür seine Lebensdaten noch mal vergegenwärtigen: 1577 bis 1640 – eine Zeit, in der in Europa pausenlos Krieg war. Rubens hat also keine Friedenszeit erlebt. Er lebte im wesentlichen in Antwerpen und er hatte einfach ein ganz vitales Interesse daran, dass doch endlich mal Frieden werden würde, denn er wollte leben, er wollte malen, er hatte eine Frau, er hatte ein schönes Haus und er wollte Bilder verkaufen.

    Netz: Das war hoffentlich nicht der einzige Antrieb?

    Koldehoff: Nein, das sicherlich nicht. Er ist natürlich schon auch ein großer Humanist gewesen und es war ihm schon ein inneres Anliegen, die Folter, den Mord, den Totschlag, all das ja auch Gegenstand der Kunst in jener Zeit – man denke nur an die entsprechenden Goya-Zeichnungen und Radierungen -, das alles zu beenden. Also ist er gereist, unter dem Vorwand, Verwandte zu besuchen, in die nördlichen Niederlande, um zu versuchen, wenigstens den Norden mit dem Süden wieder in Frieden zu bringen, später auch nach Madrid, nach London. Es ist ihm gelungen, einen Separatfrieden zwischen Spanien und Großbritannien auf die Reihe zu bekommen – nicht zuletzt deshalb, weil er dem englischen Karl dem Ersten ein großartiges allegorisches Bild "Krieg und Frieden", heute in der Nationalgalerie in London, geschenkt hat. Das alles vereint diese Ausstellung in Wuppertal, und da ist es Gerhard Finck – das muss man ihm leider wieder mal zugestehen – erneut gelungen, erstklassige Werke nach Wuppertal zu holen, sicherlich nicht die riesengroßen Hauptwerke (dafür wären die Räume in Wuppertal viel zu klein, womit wir wieder beim Thema vom Anfang wären), aber doch einiges, das trägt und das vor allen Dingen diese These vom malenden Diplomaten gut unterstreicht.

    Netz: Auf welche Weise wird das denn gezeigt? Auf welche Weise wird dieser malende Diplomat erfahrbar in der Kunst?

    Koldehoff: Na da geht er beispielsweise 1622 nach Frankreich, um auch da einen Frieden mit Spanien zu versuchen, und trifft auf Maria de’ Medici, die Italienerin auf dem französischen Thron. Ihr Sohn löst sie irgendwann ab, möchte, dass Mama sich bitte auch aus allem raushält, und lässt ihr das Palais du Luxembourg erbauen. Und Rubens ist derjenige, der dann von dieser ehemaligen Königin damit beauftragt wird, ganze Flügel in diesem neuen Palast auszumalen. Das ist eine gar nicht so unheikle Aufgabe, denn Maria de’ Medici war keine sehr erfolgreiche Königin. Er unterzieht sich dieser Aufgabe und kriegt es eigentlich trotzdem ganz schön hin, sie als gute Königin darzustellen, beispielsweise mit einem allegorischen Bild, das man jetzt in Wuppertal sehen kann: "Die ideale Regierung". Da sitzt sie auf dem Thron, hat den Fuß auf dem Schwert, das neben einem Rüstungshelm auf dem Boden liegt, also Gewalt bitte nicht mehr, in der einen Hand die Waage der Gerechtigkeit, auf der anderen Seite Attribute von Bildung, Wissenschaft und Weisheit. Jeder, der das Bild in der Zeit gesehen hat, weiß, dass es nicht alles so war, aber er hat sich als großer Diplomat erwiesen, indem er auf der einen Seite dieser Königin einigermaßen gehuldigt hat und auf der anderen Seite wieder sein politisches Programm auch mit so einem Bild vertreten konnte: Schluss mit dem Krieg, lasst uns verhandeln.

    Netz: Stefan Koldehoff über die Rubens-Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum, die am Dienstag fürs Publikum eröffnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.