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Der Maler als Fotograf

Farbflecken auf leeren Leinwänden, viele von Cy Twomblys Werken sehen so aus. Das Münchner Museum Brandhorst zeigt jetzt noch eine andere Seite des Künstlers: meditative Fotografien von Tulpen.

Von Christian Gampert | 08.04.2011
    Der Maler Cy Twombly hat es dem Kunstbetrieb lange verheimlicht, dass er auch als Plastiker und Fotograf arbeitet. Vielleicht sind das nur Nebenbeschäftigungen, aber sie werfen eben ein anderes Licht auf die wüsten Schrift-Kritzeleien und Farbflecken seiner zumeist eher leeren Leinwände. Wer im Münchner "Museum Brandhorst" nun die verschwimmenden, abgedämpft-meditativen Fotografien von Tulpen, Rosen oder Zitronen betrachtet, der möchte kaum glauben, dass sie von einem Großmeister des Abstrakten Expressionismus stammen.

    Der jetzt fast 83-jährige Twombly hat sich seit vielen Jahren dem Mediterranen verschrieben. Er lebt in Italien, und die Motive seiner Malerei verdanken sich dem antiken Mythos , der ausgedörrten Erde, der Hitze und den Graffiti auf Häusermauern oder Pissoirwänden. Diese ins Abstrakte gebrachte Melange aus Hochkultur und Trivialem fehlt seinen Fotos völlig: hier geht es einfach um Versenkung in ein Motiv, um Beobachtung kleinster Verschiebungen beim Lichteinfall ins Atelier, um Stillleben und Landschaft. Schon Anfang der 1950iger-Jahre fotografierte Twombly Tempelsäulen in Agrigent, Stillleben mit faltenwerfenden Tischtüchern (in seiner Zeit im "Black Mountain College"), ab den 1980igern dann Interieurs, meist das eigene Studio; seit den 90iger und bis heute bevorzugt Twombly Morandi-artige Gläser-Häufungen und Blumen, die bei ihm häufig wie blutende Blüten wirken - als abfotografierte Leinwand-Motive oder im Original.

    Die kleinformatigen Fotos zeichnen sich durch eine milchige Unschärfe aus, egal, ob sie, wie in den frühen Jahren, Schwarz-weiß oder, später, mit Farbe arbeiten. Oft ist das ganze Bild auch in eine monochrom changierende Atmosphäre getaucht. Twombly arbeitet mit Polaroids und druckt die Pigmente dann auf grobes Büttenpapier; das wirkt wie bei den Piktorialisten des 19. Jahrhunderts, hat aber, wenn man die expressiv wuchernden großen Gemälde Twomblys im Kopf hat, den Charakter von Begleitmusik: Twomblys Malerei ist die helle, die Fotografie dagegen die dunkle, die verschattete Seite des Mondes. Die Malerei ist ungemein gestisch, die Fotografie bleibt distanziert und nachdenklich.
    Armin Zweite, der Direktor des "Museum Brandhorst", ist sich dieser Bezüge sehr bewusst: im obersten Stock hängt ja, als Gravitations-Zentrum der ständigen Ausstellung, Twomblys wilder Zyklus über die Seeschlacht von Lepanto, bei der 1571 die christliche Liga das Osmanische Reich besiegte. Und es gibt in selben Haus Twomblys große, farbwuchernde Blumenbilder, an die manche der Fotos formal anschließen. Zweite hat nun, im Unterstock, einen Foto-Parcours gebaut , der einzelne Serien und kunsthistorische Genres vorstellt - also Werke und Werkzeuge in den Atelierbildern und Interieurs, Blüten-Variationen und Gläser-Arrangements als Stillleben, schließlich Landschaftsbilder und Bäume, die eine strenge Bild-Textur entwerfen. Zweite hat das aber klugerweise aufgelockert durch einige Gemälde und Twomblys streng weiße Plastiken aus Objets trouvés - wobei eine Assemblage aus roten Lappen, die Twombly beim Malen seiner großen Blumenbilder benutzte, wie eine Installation blutiger Rosen wirkt.

    Von der Dramaturgie her folgt die Foto-Präsentation der Abfolge: Kargheit, dann Verdichtung, dann wieder Meditation. Zweite beginnt mit einem selbstironischen Bild Twomblys, das ihn vor der Staffelei zeigt, und endet mit Blicken in die Landschaft. In ihrer Abgeklärtheit sind Twomblys Fotos den Bildern des deutschen Fotografen Elger Esser vergleichbar. Als Kontrast zu Twomblys bisweilen wilder Malerei allerdings sind sie beunruhigend: Sie zeigen, wie viel Reflexion dem malerischen Ausbruch vorausgeht - und ihm folgt.