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Der Netscape -Deal

Am Dienstag gab der Internet-Anbieter America Online (AOL) den Kauf des Browser-Herstellers Netscape bekannt. Damit nimmt das Gespann eine Schlüsselposition im Internet-Sektor ein. Fachleute schließen Auswirkungen auf den derzeit gegen Microsoft stattfindenden Kartellrechts-Prozeß nicht aus.

Manfred Kloiber, Peter Welchering | 28.11.1998
    Für rund sieben Milliarden Mark wechselt Browser-Hersteller und Internet-Pionier Netscape den Besitzer: America Online (AOL) erwarb den Softwarehersteller und zielt damit auf die Rolle des Marktführers im Internet-Bereich. Obwohl der Software-Gigant Microsoft ebenfalls seit langem eine Vormachtstellung im weltweiten Informationsnetz anstrebt und mit dem Firmenzusammenschluß überrundet scheint, gibt sich die Führungsriege um Bill Gates erleichtert. Man erhoffe sich von dem Netscape-Verkauf an AOL direkte Auswirkungen auf den derzeit gegen Microsoft laufenden Kartellrechts-Prozeß. So erklärte Microsofts Chef-Jurist Bill Neukom direkt nach Bekanntwerden der Übernahme, daß damit der Klage die Grundlage entzogen worden wäre. Er forderte die Einstellung des Verfahrens nach Beendigung der laufenden Zeugenanhörung.

    Weil die Marktanteile Netscapes im Bereich der Internetsoftware AOL zu einer marktbeherrschenden Position verhelfen, erregt der Deal die Aufmerksamkeit der amerikanischen Justizbehörde Department of Justice (DoJ). Die zuständige Justizministerin Janet Reno erklärte, man werde die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Wettbewerbslandschaft sehr genau prüfen. Die Antitrust-Klage gegen Microsoft sei jedoch nicht direkt davon betroffen. Allerdings vertrat der leitende Staatsanwalt David Boies am Freitag gegenüber Kollegen die Meinung, die neue Marktsituation sei im laufenden Verfahren durchaus zu berücksichtigen. So könne sich der AOL-Netscape-Deal im Falle einer Verurteilung Microsofts strafmildernd auswirken.

    AOL-Chef Steve Case ließ Dienstag verlauten, der Online-Dienst unterstütze zunächst weiterhin den Browser Internet-Explorer von Microsoft. Der Online-Anbieter Compuserve, schon vor längerem von AOL übernommen, soll dagegen stärker auf Netscape-Software fokussiert werden.