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Der neue Papst - ein "Mann der Praxis"

Trotz seiner 76 Jahre traue er Papst Franziskus ebenso viel Dynamik und Arbeitskraft zu wie einem Jüngeren, meint Robert Zollitsch, Erzbischof von Freiburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Auch erhofft er sich von Franziskus, der in Deutschland studiert hat, ein Verständnis für die Fragen der Ortskirchen.

Robert Zollitsch im Gespräch mit Jasper Barenberg | 14.03.2013
    Jasper Barenberg: Seit gestern Abend also müssen wir uns einen neuen Namen merken: Jorge Mario Bergoglio, bisher Erzbischof von Buenos Aires, jetzt Papst Franziskus, wie er sich seit seiner Wahl durch die Kardinäle in Rom nennt, eine große Überraschung in vielerlei Hinsicht. – Am Telefon begrüße ich Robert Zollitsch, den Erzbischof von Freiburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Schönen guten Morgen!

    Robert Zollitsch: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Erzbischof, Sie haben ja schon bekundet in einer ersten Stellungnahme gestern Abend, dass auch Sie überrascht gewesen sind. Wovon waren Sie denn am meisten überrascht?

    Zollitsch: Ich persönlich habe damit gerechnet, dass jetzt ein Kardinal aus Lateinamerika der nächste Papst sein wird. Ich kenne natürlich auch Herrn Kardinal Bergoglio. Ich hatte nun nicht mehr damit gerechnet, dass er mit 76 Jahren, also in seinem Alter, noch mal gewählt wird, zumal er vor acht Jahren durchaus einer der Favoriten war.

    Aber für mich ist das ein schönes Zeichen, dass nun der Kontinent, der nun fast die Hälfte der Katholiken stellt, dass nun der auch den Papst stellt, denn das ist für mich ein Zeichen der Weltweite, ein Zeichen des Katholischen und auch ein Zeichen, das uns in Europa gut tut, dass wir den Blick auch über Europa stets hinaus wenden. Und ich muss sagen, sein Start gestern Abend, bescheiden und schlicht, war außerordentlich überzeugend.

    Barenberg: Welches Signal geht von dieser Bescheidenheit, von dieser Zurückgenommenheit aus, die man gestern beobachten konnte, als er sich zum ersten Mal an die wartende Menge auf dem Petersplatz wandte?

    Zollitsch: Er hat ja selbst damit, dass er den Namen Franziskus wählte, auch ein Zeichen gesetzt. Franziskus ist einer, der nun ganz Jesus Christus nachfolgen wollte, ihm möglichst gleich werden wollte und damit ganz bei den Menschen und für die Menschen da sein wollte, und das ist für mich auch Programm für den neuen Papst Franziskus, denn gerade in Buenos Aires gilt er als Kardinal der Armen, einer, der selber schlicht und bescheiden lebt, der nah bei den Menschen ist, der ihre Nöte und Sorgen kennt und sich dieser Nöte und Sorgen auch annehmen will und der dann auch in einer schlichten Weise gestern Abend dann sowohl von der Barmherzigkeit wie von der Brüderlichkeit, ja sogar von der Geschwisterlichkeit sprach.

    Das heißt, das sind für mich Töne, die in die Zukunft führen und auch in die jetzige Gegenwart sehr gut hinein passen. Also ich bin froh über diesen ersten Auftritt, wenn ich das einmal so sagen darf, gestern von Papst Franziskus.

    Barenberg: Es ist ja viel in den vergangenen Wochen auch gesprochen worden über eine von vielen gespürte Entfremdung zwischen der Amtskirche auf der einen Seite und dem Kirchenvolk auf der anderen Seite. Glauben Sie, dass das deswegen so ein gutes Signal ist, wenn Sie von der Nähe sprechen zu den Menschen?

    Zollitsch: Ja, Sie haben recht, denn eine wichtige Aufgabe für uns als Kirche ist es, wirklich bei den Menschen zu sein, zu hören, was sie bewegt, und im Hören auf sie auch die Antworten aus dem Evangelium zu finden, und da ist für mich gerade jetzt Franziskus, der neue Papst, mit seinem Namen, aber auch mit seinem bisherigen Leben und seinem Programm ein Garant dafür, dass er das nun auch wirklich in die Tat umsetzen möchte und dass er die Anstöße dazu geben wird und auch aufgreifen wird, was nun dazu führt. Ich muss sagen, so wie ich ihn bisher erlebt habe bei Begegnungen in Rom: Er ist wirklich von Natur aus bescheiden, er kann zuhören. Uns kann es aber auch freuen darüber, dass er in Deutschland studiert hat und die deutsche Sprache kennt, und für uns ist er ja nun auch kein Unbekannter.

    Barenberg: Warum ist das wichtig, dass es in seiner Biografie auch diesen Bezug zu Deutschland gibt?

    Zollitsch: Wir haben jetzt nun einen Papst erlebt, der aus Deutschland kommt, und wir konnten in der Muttersprache mit ihm sprechen. Wir hatten vorher einen Papst, der auch gut Deutsch sprach, Papst Johannes-Paul II. Und wenn nun ein Papst auch Deutschland kennt und gerade wenn er jetzt von Lateinamerika aus, von einem anderen Kontinent uns kennt, ist es wichtig, dass die Fragen, die bei uns auf dem Kontinent wichtig sind, auch in Deutschland, dann tatsächlich auch von ihm aufgegriffen werden und er Verständnis dafür hat, denn wir sind Weltkirche und die Ortskirchen haben nun ihr eigenes Profil, ihre eigenen Fragen, und die dann mit dem Papst besprechen zu können und zu wissen, er versteht sie und kann sie aufgreifen, das ist für mich ein gutes Zeichen für die Zukunft.

    Barenberg: Ist das auch ein Plädoyer, Erzbischof Zollitsch, für mehr Selbstständigkeit der Ortskirchen gegenüber Rom, für ein Ende eines allzu harschen römischen Zentralismus?

    Zollitsch: Wir sind ja eine Weltkirche, und die Einheit unserer Kirche ist für mich absolut nicht in Gefahr. Es ist wirklich jetzt die Aufgabe, das, was in den Ortskirchen lebendig ist, als Vielfalt neu zu entdecken, als Bereicherung, als das, wo wir uns gegenseitig beschenken können, und damit kann vieles von dem, was zentral entschieden wird, auch auf Ortskirchen übertragen werden.

    Und ich denke, wenn einer von außen kommt, wie jetzt der neue Papst Franziskus, dann tut er sich wohl auch leichter, weil er dann den weltweiten Blick jetzt nicht nur von Rom aus hat, sondern auch von einem anderen Kontinent. Da setze ich Hoffnung auf ihn.

    Barenberg: Auf der anderen Seite: Sie haben über die Zurückhaltung gesprochen, Sie haben sie gelobt und gesagt, wie wertvoll sie sein kann für dieses Pontifikat. Auf der anderen Seite könnte diese Zurückhaltung ja auch ein Hindernis sein, denn viele verlangen ja von dem nächsten Papst auch eine Kurienreform, in Rom mal aufzuräumen, sage ich jetzt mal etwas despektierlich, angesichts all der Seilschaften und Querelen und Konflikte, die wir in den letzten Zeiten zur Kenntnis nehmen mussten.

    Zollitsch: Ja, das sind durchaus zwei Seiten. Zum einen halte ich es mal für einen Vorteil, dass er von außen kommt und damit die Kurie mit anderen Augen sieht. Aber das kann insofern auch ein Nachteil sein, weil er dann, möchte ich sagen, das nicht so genau kennt, wie die Vorgänge in der Kurie laufen. Aber ich habe, so wie ich ihn bisher erlebt habe – er war ja Vorsitzender der argentinischen Bischofskonferenz, er ist Erzbischof eines großen Bistums -, da habe ich den Eindruck, er hat auch die Energie, die Dinge anzupacken und durchzusetzen, und das wünsche ich ihm, denn da sind tatsächlich große Erwartungen, denn es muss auch manches durchsichtiger werden, manches auch deutlicher gesagt werden können, wie die Prozesse laufen, und da ist für mich einer, der von außen kommt und einen anderen Blick hat, dann eine große Chance.

    Barenberg: Und eine Chance auch, es anders zu machen als der emeritierte Papst, dem man manchmal nachgesagt hat, dass er nicht genug tut, um eine schlagkräftige Regierung gleichsam im Vatikan zu installieren?

    Zollitsch: Papst Benedikt ist ja der große Theologe und das zeichnet ihn aus, und ich muss sagen, es war immer großartig, mit ihm darüber zu sprechen. Aber er war nun nicht der, der nun einen unmittelbaren Zugang zu den Dingen der Verwaltung und Organisation hatte. Ich glaube nun, wenn ein Erzbischof eines großen Bistums aus Lateinamerika kommt, der auch viel Erfahrung hat, der auch über die Theologie hinaus Erfahrung hat durch sein Studium der Chemie, dass der sich da dann auch leichter tut, diese Dinge auch anzupacken. Er schätzt die Theologie, auch die deutsche Theologie, die er in Deutschland kennengelernt hat, aber er ist doch mehr der Mann der Praxis und das wird uns zur Hilfe kommen.

    Barenberg: Stichwort Benedikt. Wie stellen Sie sich das Verhältnis künftig vor zwischen dem neu gewählten Papst und dem emeritierten Papst? Wir wissen, dass sie telefoniert haben, wir wissen, dass sie sich treffen werden. Was wird das für ein Verhältnis sein?

    Zollitsch: Einerseits war es sehr schön, dass gestern er sofort eingeladen hat, für den emeritierten Papst zu beten. Das war ein Zeichen seiner Verbundenheit. Ich bin überzeugt, er schätzt ihn als großen Theologen. Papst Benedikt wird sich, davon bin ich absolut überzeugt, total zurückhalten, und er wird dann, wenn er gefragt wird von seinem Nachfolger, auch dann ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen.

    Nach außen wird er wenig in Erscheinung treten, aber die klare Geste von gestern, das Gebet, auch das Telefongespräch mit seinem Vorgänger und die Ankündigung, ihn zu besuchen, das zeigt doch, dass er zugleich, auch wenn neue Akzente kommen werden, das in Verbindung mit seinem Vorgänger machen möchte. Das ist kein Bruch, aber es werden neue Schwerpunkte und neue Akzente sein.

    Barenberg: Der neue Papst ist 76 Jahre alt, Sie haben es erwähnt, und Sie haben gestern gesagt, dass Sie ursprünglich an einen etwas Jüngeren gedacht haben. Klingt da ein wenig Enttäuschung der deutschen Bischöfe durch, dass es nicht ein jüngerer geworden ist, wie manche sich das vielleicht gewünscht hätten?

    Zollitsch: Gut, man traut natürlich einem jüngeren in der Regel etwas mehr Dynamik und Arbeitskraft zu. Aber ich muss nun sagen: So wie ich eben nun Kardinal Bergoglio erlebt habe, traue ich ihm das auch zu. Und ich habe dann auch gedacht: Wenn ich an Papst Johannes 23. denke, wo wir auch damals meinten, das ist jetzt ein alter Papst, ein Übergang, der hat Gewaltiges angestoßen, und das traue ich tatsächlich auch Papst Franziskus zu.

    Barenberg: Heute Morgen hier im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Robert Zollitsch, der Erzbischof von Freiburg und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Danke für das Gespräch.

    Zollitsch: Ja, ich danke auch.


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