Freitag, 29. März 2024

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"Der Protest soll die Sache unter die Erde kriegen"

Man habe nichts gegen den Ausbau der Windenergie, versichert Peter Gosslar, Sprecher der Bürgerinitiative Bad Gandersheim-Kreiensen. Mit den Protesten wehre man sich aber gegen Freileitungen. Für die Umwelt, den Tourismus und die Gesundheit sei eine Verlegung unter der Erde wichtig.

Peter Gosslar im Gespräch mit Georg Ehring | 04.10.2010
    Georg Ehring: Über sechs Prozent trägt die Windenergie bereits zu unserer Stromversorgung bei. Windstrom soll beim Ausbau erneuerbarer Energien den größten Anteil stemmen, immer mehr auch auf See, zum Beispiel vor der Nordseeküste. Um zu den Verbrauchszentren im Süden zu gelangen, müssen neue Stromleitungen gebaut werden, doch gegen den Neubau wehren sich Bürgerinitiativen unter anderem in Niedersachsen. Heute planen sie eine große Protestaktion mit Mahnfeuern entlang der Strecke Wahle-Mecklar.

    Telefonisch verbunden bin ich mit Peter Gosslar, Sprecher der Bürgerinitiative Bad Gandersheim-Kreiensen und einer der Koordinatoren des Projekts. Guten Tag, Herr Gosslar.

    Peter Gosslar: Guten Tag, Herr Ehring!

    Ehring: Zunächst einmal: Wo soll die Leitung hin, gegen die Sie protestieren?

    Gosslar: Die Leitung ist im Verbundsystem zwischen ungefähr Braunschweig und Bad Hersfeld zu sehen und sie ist auch notwendig. Das bezweifeln wir auch nicht.

    Ehring: Was befürchten Sie denn, wenn diese Leitung gebaut wird?

    Gosslar: Herr Ehring, ich hatte eben schon angedeutet, das ist eine ganz wichtige Vorbemerkung, dass wir nicht gegen einen Leitungsbau sind. Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir in Zukunft sicheren Strom aus der Steckdose bekommen, das ist klar.

    Uns und in unseren ganzen Bürgerinitiativen geht es um das Wie. Wie wollen wir die Leitung bauen? Und da sagen wir, bitte macht die unter die Erde. Unter der Erde haben sie die größte Akzeptanz der Bevölkerung. Wir hätten die kleinsten Eingriffe in die Natur, wir hätten die kleinsten gesundheitlichen Schäden, falls überhaupt welche da sind, und dahin richtet sich unsere Aktion und wir freuen uns, dass wir diesmal auch ganz großen Ansturm und ganz große Beteiligung auch überregional gefunden haben.

    Ehring: Was befürchten Sie denn, wenn die Leitung nicht unter die Erde gelegt wird, sondern als Freileitung gebaut wird?

    Gosslar: Wir haben als Erstes immer wieder die bekannten Argumente, dass es gegen die Gesundheit ist, dass wir diese elektromagnetischen Felder haben, dass es da radioaktive Ausladungen geben könnte von Staubteilchen, und dass es natürlich in der Landschaft furchtbar aussieht. Wir haben hier eine touristische Region, die sehr stark ausgebaut wird in der ganzen Region. Wir haben Touristen, wir haben sehr viele Heilbäder hier bei uns. Das würde alles dem sehr kontraproduktiv gegenüberstehen und vielleicht sogar die ganze Landschaft tot machen.

    Ehring: Eine Erdverkabelung kostet aber ein Mehrfaches der Kosten von Freileitungskabeln. Muss man da nicht auch Kompromisse auf der Kostenseite schließen?

    Gosslar: Das ist richtig und das bezweifeln wir auch nicht, dass es teuerer wird. Aber allein schon die Zahlen, die dort kursieren, das heißt, dass teilweise uns erzählt wurde, es sei zehnmal teuerer als eine Freileitung, das glauben wir eigentlich gar nicht. Außerdem wird immer nur betriebswirtschaftlich gerechnet. Das heißt, wenn einmal ein Kabelstrang in der Erde liegt, dann hat man natürlich auch Sicherheiten. Das dauert auch viel länger und diese Kosten werden dann relativ wenig oder kaum berücksichtigt.

    Wissen Sie, wir haben auch noch eine weitere, ganz elementare Forderung, und das ist so schwierig, sicherlich auch Hörern klar zu machen. Es gibt eine neue Technik, und das heißt HGÜ. Das ist die Abkürzung für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Das würde nämlich bedeuten, dass es fast gar keine großen Emissionswerte geben würde, und man hätte den geringsten Verlust an Stromtransportsachen. Damit hätte man eigentlich dann auch eine wesentlich höhere Wirtschaftlichkeit. Und wenn Sie bedenken, dass der Strom – Sie haben ja in der Anmoderation darüber gesprochen – Windstrom ist, das ist bereits Gleichstrom. Der kommt auch per Gleichstromkabel an Land. Aber warum machen wir dann dieses Gleichstromkabel nicht gleich durchgehend bis nach München oder bis nach Frankfurt oder da, wo man dann eigentlich den Strom braucht, und stellt da ein Umspannwerk hin und dann nimmt man die Verteilung von dort vor?

    Ehring: Haben Sie denn Hoffnung, dass Sie sich durchsetzen? Wie sind die Reaktionen aus der Politik?

    Gosslar: Die Politik ist eigentlich auf unserer Seite. Man sagt natürlich immer wieder ja, wir versuchen es, wir versuchen es. Es gibt keinen Landkreis, keine kleinste Gemeinde, die nicht eine Resolution nach Hannover oder auch nach Berlin geschickt hat. Wir fordern die Politiker auf – und das soll unsere Feueraktion heute Abend auch sagen -, wir haben einen Protest. Das heißt, der Protest soll die Sache unter die Erde kriegen. Und wir haben ein Mahnfeuer gleichzeitig, dass dieses helle Scheinen hoffentlich bis nach Berlin reicht, symbolisch, oder vielleicht sogar noch weiter bis nach Brüssel, dass die Politiker – und wir hatten ja in dem vorletzten Beitrag von Ihnen schon gehört, Klientelpolitik, das sehen wir ganz genauso. Wir meinen, dass es eine bessere Politik wieder für die Bürger geben sollte, wo auch die Bürger mehr gehört werden.

    Ehring: Ich muss Sie unterbrechen, die Sendung geht weiter. Herzlichen Dank für dieses Gespräch an Peter Gosslar, Sprecher der Bürgerinitiative Bad Gandersheim, die sich gegen den Bau einer Freileitung wendet.