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Der Religionsphilosoph Milad Karimi über den Islam
Sich als Frage begreifen

"Ich denke deutsch, ich bete arabisch, ich zähle persisch und ich liebe die Musik des indischen Subkontinents." Das schreibt der Religionsphilosoph Milad Karimi. 1979 in Afghanistan geboren, lebt er seit etwa 25 Jahren in Deutschland - und ist Professor. Ein "ungewöhnlicher Bildungsweg", sagt er.

Von Burkhard Reinartz | 04.07.2018
    Der Religionswissenschaftler Ahmad Milad Karimi
    Der Religionswissenschaftler Ahmad Milad Karimi (Deutschlandradio / Volker Finthammer)
    "Am Anfang war die Flucht; eine Flucht, die leise flüsterte und doch schamlos meine Kindheit ergriff. Plötzlich verflüchtigte sich diese, ohne Abschied zu nehmen. Geblieben ist eine Ruine; namenlos, erfüllt mit Erinnerungen, die Augenblick für Augenblick aus meinen Händen rinnen. Wenn ich heute an meine Heimat denke, dann sehe ich einen Jungen. Er sitzt auf einer Wiese vor einer kleinen Moschee im Herzen von Kabul und rezitiert den Koran. Es ist überall Gefahr, doch der Koran verzaubert ihn. Der Junge hat keine Heimat. Die Flucht lehrt ihn, dass Heimat eine Illusion ist."
    ... schreibt der Religionsphilosoph Ahmad Milad Karimi in seiner Autobiografie - und sagt im Interview:
    "Wenn ich zurückblicke und an meine Kindheit denke, kommen mir unterschiedliche Bilder, vor allem Kriegsbilder. Meine ganze Kindheit ist durch Krieg geprägt, durch Bürgerkrieg in Afghanistan, durch Raketen, Bomben, Minen. Es ist eine sehr bedrückende Kindheit."
    "Wenn ich den Koran vortrug, herrschte Frieden"
    Trost findet der Junge während der Grundschulzeit in einer kleinen Moschee.
    "Schon damals war eine Moschee ein besonderer Ort für mich. Ein Ort der Stille und des Friedens. Wir begannen mit den ersten Übungen. Der Lehrer gab uns eine Art Übungsbuch für die Rezitation des Korans. Ich war überwältigt. Wenn ich den Koran vortrug, herrschte Frieden. Ich war glücklich. Noch heute tönt dieser Gesang in mir."
    Als Zwölfjähriger geht Milad Karimi in die siebte Klasse der deutsch-afghanischen Schule in Kabul. Sein Vater, der als junger Mann in Deutschland studiert hatte, war Direktor der Schule. Als Kabul von den Mudschaheddin erobert wird, sehen die Eltern nur noch einen Ausweg: die Flucht nach Deutschland.
    Sicherheitspersonal in der afghanischen Hauptstadt Kabul sperrt nach einer Bombenexplosion die Straße.
    Sicherheitspersonal in der afghanischen Hauptstadt Kabul sperrt nach einer Bombenexplosion die Straße. (AFP / WAKIL KOHSAR )
    "Am 2. August 1992 saßen wir - meine vierjährige Schwester von meiner Mutter fest an die Brust gedrückt und zugleich meine Hand haltend und mein Vater - am Flughafen von Kabul. Wir warteten auf unser Flugzeug und zitterten innerlich. Der Raketenangriff auf Kabul nahm kein Ende. Tausende starben damals, Hunderttausende waren auf der Flucht vor den sich bekämpfenden Mudschaheddin. Der Flughafen bebte, Scheiben gingen zu Bruch. Als nach zwei Stunden Ruhe einkehrte, erschienen zwei Männer und befahlen, dass wir mit unserem Gepäck zum Flugzeug rennen sollten. In diesem Augenblick, als die Maschine sich in Bewegung setzte, begann ich, meine Lieblingsverse aus dem Koran zu zitieren: 'Und er ist mit euch, wo ihr auch seid.'"
    Nach einer 13-monatigen Odyssee von Afghanistan über Moskau, Kasachstan und Hannover kommt der 13-jährige, der kaum Deutsch kann, 1992 mit Eltern und Schwester in einem Aufnahmelager in Schwalbach im Taunus an. "Ich bitte um Asyl!" Diesen Satz hat er vorher auf Deutsch gelernt.
    "Ich bleibe ein Zwischenweltner"
    "Niemals flüchten wir ganz. Ich ließ einen Teil von mir in Afghanistan und nahm einen anderen Teil mit. Die Flucht ist ohne Ort. Dieser Nicht-Ort lässt den Flüchtling nicht los. Kriege enden im Innern dessen, der sie erlebt hat, nie ganz. Ich bleibe ein Zwischenweltner und fühle mich anderen Zwischenweltnern verbunden."
    Und im Gespräch ergänzt Karimi:
    "Wenn ich an die erste Zeit in Deutschland denke: Wir sind Asylsuchende, wir sind Flüchtlinge, sind getthoisiert, abseits der Mehrheitsgesellschaft. Wir haben die Flucht überstanden, aber haben noch nicht gesehen, dass die eigentliche Flucht in Deutschland erst beginnt."
    Als Asylbewerber ziehen die Karimis von Heim zu Heim.
    "Unser neues Zuhause war ein vierzehn Quadratmeter großer Container. Hier saßen, aßen und schliefen wir viele Monate. Für unseren Lebensunterhalt erhielten wir 81 DM im Monat. Das Lager durften wir nur mit Erlaubnis verlassen. Nach drei Wochen konnte ich in der Küche des Containerlagers als Geschirrspüler arbeiten und verdiente 2 DM pro Stunde. Ich hatte nur einen Wunsch: wieder in eine Schule zu gehen. Nach drei Monaten erhielten wir einen provisorischen Ausweis."
    Milad geht auf die Hauptschule, die Berufsfachschule, die Realschule, macht Abitur und bekommt ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes.
    "Bei den Auswahlgesprächen war ich von vierzig Kandidaten der einzige Ausländer. Die Gespräche verliefen gut, bis ich gefragt wurde, wie ich meinen Glauben als Muslim verstehe. Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit meinem Philosophielehrer, der mir erklärt hatte, dass der Begriff "radikal" aus dem lateinischen Wort "radix" abgeleitet sei und "verwurzelt" bedeute. So antwortete ich: "Ich bin ein radikaler Muslim." Ich sah wie sich blankes Entsetzen auf dem Gesicht meines Gesprächspartners breit machte."
    Gott sei Dank versteht der Prüfer, was der junge Mann ausdrücken wollte. Wenn der heute 39jährige Ahmad Milad Karimi seine Geschichte Revue passieren lässt, kann er es selbst kaum fassen, dass er inzwischen Professor für islamische Philosophie und Mystik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster ist:
    "Es ist auf jeden Fall ungewöhnlich und unwirklich, als Flüchtling nach Deutschland gekommen zu sein, ohne Deutsch oder Englisch sprechen zu können, und dann hier diesen Bildungsweg aufgenommen zu haben. Zugleich ist dieser ungewöhnliche Bildungsweg von Dankbarkeit geprägt, denn es waren immer Menschen um mich herum, die mich unterstützt haben. Auf jeder Schule war ein besonderer Lehrer, eine besondere Lehrerin, die in mir mehr gesehen haben als nur einen Ausländer, sondern einfach einen Menschen, der nach Wissen strebt."
    Heimat ist ein komplexes Gebilde
    Auch wenn er schon über fünfundzwanzig Jahre in Deutschland lebt, sei er in gewisser Weise immer noch nicht richtig in Deutschland angekommen, erzählt Milad Karimi. Nachdenklich stellt er die Frage:
    "Was heißt es eigentlich, deutsch zu sein? Denn gerade die Reduzierung, 'das wäre deutsch, das wäre nicht deutsch', finde ich in gewisser Weise problematisch und gefährlich. Ich bin hier in gewisser Weise natürlich angekommen. Ich habe hier Fuß gefasst, bin geachtet und trage auch für die Bildung der deutschen Gesellschaft etwas bei. Aber dennoch bleibt etwas in mir fremd. Und diese Fremdheit ist aber nicht schlecht, sondern das macht mich gerade aus. Ich habe auch etwas anderes, was nicht typisch deutsch ist, aber bereichernd sein kann in einem interkulturellen Zusammenhang."
    Die Flucht scheint in Deutschland für seine Familie beendet. Doch wohin mit all den Erinnerungen? Und: Warum war es nicht leicht, in Deutschland anzukommen? Hatten sie wirklich eine neue Heimat gefunden?
    "Heimat ist auf jeden Fall kein Ort. Es ist nicht die Gebundenheit an ein Stück Erde, sondern Heimat scheint so etwas zu sein, wie Ruhe, wie Liebe. Heimat ist für mich heute dort, wo ich meine liebe Frau sehe, meine Kinder, wo ich die zitternde Hand meines Vaters sehe. Heimat ist aber auch die afghanische Musik. Es ist ein komplexes Gebilde."
    "Ich denke deutsch, ich bete arabisch, ich zähle persisch und ich liebe die Musik des indischen Subkontinents."
    ... und zwar besonders die Musik des pakistanischen Sufi-Sängers Nusrat Fateh Ali Khan.
    "Beheimatet bin ich in der Entbindung von allem, was mich scheinbar bindet. Die islamische Zeitrechnung beginnt mit "Hidschra", der Flucht des Propheten. Das arabische "Hidschra" bedeutet so viel wie "eine Bindung durchtrennen", "ein Band durchbrechen". Die "Hidschra" lässt mich einsehen, dass jede Bindung, wie sehr ich auch daran festhalten möchte, vergänglich ist - bis auf eine: 'Alles ist vergänglich bis auf sein Antlitz.'" (Koran 28:88)
    Neben der islamischen Theologie begeistert sich Karimi für die westliche Philosophie. Der protestantische Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel wird sein geistiger Vater, der katholische Theologe und Religionswissenschaftler Bernhard Uhde in Freiburg sein Lehrer.
    Eine Büste des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) steht vor dem Hauptgebäude der Friedrich Schiller-Universität Jena, aufgenommen am 15.03.2006.
    Hegel als "geistiger Vater" (picture-alliance / dpa / Jan-Peter Kasper)
    "Ich kann mir inzwischen mein Leben nicht ohne Deutschland, ohne Rilke oder Hegel vorstellen. Insofern bin ich schon sehr deutsch."
    "Poesie ist ein Gegenentwurf gegen Fundamentalismus"
    Neben Philosophie und Musik ist die Poesie eine Leidenschaft Milad Karimis. Er hat Dschelaladdin Rumi und den Koran neu ins Deutsche übersetzt und schreibt selbst Gedichte.
    "Poesie ist auch ein Gegenentwurf gegen Fundamentalismus, ein Gegenentwurf gegen religiöse Engstirnigkeit, weil Poesie gibt Raum, lässt Pluralität, lässt Deutungen zu, lässt das andere anders sein, verweist auf Geheimnisse. In der Poesie erkennen wir auch, religiös gesprochen, die Unerkennbarkeit Gottes, aber auch ein Stück weit, dass wir selbst Geheimnisse sind. Das ist etwas, was die Dichtung immer wieder zeigt: wir verstehen und wir verstehen nicht."
    Neben seiner Lehrtätigkeit in Münster hat Karimi verschiedene Bücher veröffentlicht.
    Unter anderem die Autobiografie "Osama Bin Laden schläft bei den Fischen". Außerdem publiziert der Religionsphilosoph muslimische Kinderbücher. Im Frühjahr 2018 ist sein neues Buch erschienen: "Warum es Gott nicht gibt und er doch ist." Diesen Titel deutet er im Gespräch so:
    "Im Grunde genommen ist das eine tiefe islamische Einsicht, denn ein Gott - um es mit Bonhoeffer zu sagen - den es gibt, den kann es nicht geben. Und das ist wirklich eine Wahrheit des Islams: die Leugnung eines bestimmen Gottes oder eines Bildes von Gott, nämlich eines Gottes, der käuflich ist, ein Gott, den ich haben kann, den ich für mich funktionalisieren und instrumentalisieren kann. Ein Gott, in dessen Namen ich dieses oder jenes tue, den gibt es nicht, sondern ein Gott, der mit mir ist, aber kein vergegenständlichter Gott, sondern ein Gott, der Sehnsucht ist, der immer Sehnsucht bleibt, nicht verfügbar wird, sondern immer der Verfügung sich entzieht, aber dennoch anwesend und gegenwärtig ist, wo immer ich auch bin."
    Milad Karimi plädiert für einen zeitgemäßen Islam, der die traditionelle Weisheit des Islams mit der Gegenwart des 21. Jahrhunderts verbindet. Er erklärt, warum er sich in seinem neuen Buch auch mit Phänomen wie dem aktuellen Trend zu Serien jenseits der etablierten Fernsehprogramme beschäftigt.
    "Es gibt mehrere Gründe, warum ich auch mit Serien arbeite. Die Serien haben die alten Romane ersetzt. Heute redet man über Serien, weil sie eben Qualitätsserien sind. Sie sind auch zu etwas geworden, das uns selbst in Frage stellt. Nicht ich sitze vor dem Fernseher und schaue eine Serie an, sondern durch die Serie kann ich mich besser sehen. Und die Serien haben selbst die Religionen entdeckt, sie sind voll und überfließen von religiösen Themen und Problematiken, die höchst reizvoll inszeniert sind. Insofern gehören sie zu unserer intellektuellen Auseinandersetzung konstitutiv dazu."
    "Wer nicht zweifelt, ist gefährlich"
    "In meinem neuen Buch geht es mir insbesondere darum, was es heißt, heute ein Muslim zu sein. Und es scheint so zu sein, nicht einfach in einem bloßen verbalen Akt alles zu vollziehen, in dem ich mich zu islamischen Grundätzen bekenne. Das bleibt alles noch oberflächlich. Mir scheint, ein Muslim zu sein, heißt auch, sich als eine Frage zu begreifen. Derjenige, der ganz genau weiß, was es heißt, vor dem habe ich Angst. Wer nicht zweifelt als religiöser Mensch, ist gefährlich."
    Wer Milad Karimi erlebt und ihm zuhört, kann sich seiner Ausstrahlung kaum entziehen. Will er wirken wie ein lebendes Gegenbild zu allen Negativ-Klischees, die viele Menschen mit dem Islam verbinden?
    "Das ist natürlich eine sehr wichtige Frage, ob das nicht einfach das Wunschdenken eines Menschen oder eines bestimmten kleinen Kreises ist, diese Darstellung des Islams, was sympathisch klingen mag. Ich bin der festen Überzeugung, dass das nicht nur meine Idee ist. Das ist das, was sich aus der gesamten Tradition des Islams abbilden lassen kann. Denken Sie an die Mystiker, denken Sie an muslimische Philosophen. Sie arbeiten nicht mit der Religion, das ist das, was diese Fanatiker tun, sondern sie arbeiten aus der Religion heraus. Wenn sie an Menschen denken, die heute im Namen des Islams verfolgt werden, sei es Christen oder Muslime selbst, die Randmeinungen vertreten. Sie werden ja nicht von der islamischen Mitte verfolgt, sondern diejenigen, die verfolgen, sind ohnehin schon selbst abseits von allem."
    Milad Karimi will einen Islam des 21. Jahrhunderts. Was ist das Hindernis auf dem Weg dahin? Dass viele Muslime an historisch überholten Koran-Aussagen festhalten?
    "Das ist bei allen Religionen der Fall, im Judentum, im Christentum, im Islam, dass wir unser Verständnis von Religion nicht konservieren dürfen. Das Verständnis des Islam, aus dem 11., 12. oder 13. Jahrhundert mag ja gut für das Jahrhundert und diese Epoche gewesen sein. Aber wenn ich heute danach frage, was ist Gott, was ist die Offenbarung, wer war eigentlich der Prophet, was habe ich als Muslim zu tun? Das sind keine Fragen, deren Antworten ich bei irgendeinem Theologen in irgendeinem Buch finden kann. Ich kenne keinen Muslim, der einen Hauch von Schule besucht hat, der sagen würde, dass der Koran keiner Auslegung bedürfe. Das ist mir außer bei den Hardliner-Fundamentalisten sonst nicht begegnet."
    Auch wenn der Religionsphilosoph für eine Reform des Islams plädiert, warnt er vor der Auffassung, der Islam brauche nur eine Kopie der westlichen Aufklärung, um seine Probleme zu lösen.
    "Ich halte die Frage für nicht sehr glücklich formuliert, ob der Islam eine Aufklärung braucht. Man würde erstens den Islam mit dem Christentum verwechseln. Der Islam ist eine ganz andere Religion. Zweitens würden wir epochenmäßig das geschichtliche Ereignis der Aufklärung für ein Allheilmittel für alle Religionen erachten: Ich muss nur die Tablette der Aufklärung einnehmen, dann geht es mir schon religiös gut."
    Missbrauch der Religion durch politische Interessen
    "Die Bedeutung des Islams für die globale Welt ist heute mehr denn je wirksam, aber vor allem in ihrer pervertierten Gestalt. Diese monströse Figuration einer Religion, die verwüstet und vernichtet, kann nicht verschwiegen werden. Der Islam befindet sich in religiöser und kultureller Hinsicht in einer Krise."
    …die nicht zuletzt aus dem Missbrauch der Religion durch politische Interessen beruht.
    "Schauen Sie sich die Taliban in Afghanistan an. Welche religiöse Ausbildung haben sie, diese Herrschaften? Die sind wie wildgewordene Tiere, die auf Menschen losgehen und schuldlose Kinder und Frauen töten im Namen des Islams. Wer sagen will, das ist doch auch ein Gesicht des Islams, verkennt, dass diejenigen, die gerade getötet wurden, auch Gesichter des Islams sind."
    "Nicht der Islam stellt eine politische Ideologie dar, sondern der Islam kann für diese oder jene politische Ideologie instrumentalisiert werden."
    Umso wichtiger für Milad Karimi, in seiner Arbeit das heraus zu arbeiten, was er für den friedlichen Kern des Islams hält – und mit Missverständnissen und Vorurteilen aufzuräumen:
    "Viele Begriffe islamischer Provenienz sind gekapert von allen Seiten. Denken Sie an Scharia, denken Sie an Dschihad. Diese Begriffe sind für normale Muslime überhaupt nicht negativ geprägt, weil sie unglaublich komplexe Begriffe sind. Dschihad hat mehrfache Bedeutungen. Man spricht von einem großen und kleinen Dschihad. Dschihad heißt, den Unglauben in sich selbst zu tilgen und zu töten. Mit sich selber fertig werden, bevor man den anderen anschaut. Insofern müssen wir dafür Verantwortung übernehmen über diese Begriffe Aufklärungsarbeit zu leisten."
    Terroranschläge radikaler Islamisten erschüttern die Welt schon länger. Doch der Massenmord vom 11. September 2001 hat die Welt verändert. Milad Karimi macht kein Hehl daraus, dass er unter jedem Terroranschlag persönlich leidet.
    Blumen und Kerzen sind rund um das Mahnmal, einen bronzenen Riss im Boden, auf dem Breitscheidplatz in Berlin aufgestellt.
    "Gott, bitte, der Name soll nicht muslimisch klingen von dem Attentäter." Milad Karimi leidet unter jedem Terroranschlag persönlich (dpa / Maurizio Gambarini)
    "Mein erster Gedanke nach irgendeinem Anschlag ist: Gott, bitte, der Name soll nicht muslimisch klingen von dem Attentäter - und schon klingt der Name muslimisch. Und ich bin davon zutiefst ergriffen. Denn es ist meine Religion, es ist mein Prophet, den ich als ein Prophet der Liebe, des Friedens und der Barmherzigkeit verstehe. Ich bleibe aber nicht passiv, sondern ich arbeite Tag für Tag dafür, dieser reduktionistischen, pervertierten Interpretation des Islams entgegenzutreten."
    "Sein Leben nicht von unverrückbaren Dogmen beherrschen lassen, sondern in Sehnsucht nach dem zu trachten, was einen trägt, tröstet und erhebt – darin besteht in aller Kürze die religiöse Essenz des Islam."
    Milad Karimi: Warum es Gott nicht gibt und er trotzdem ist
    Herder Verlag, Freiburg 2018
    Milad Karimi: Osama Bin Laden schläft bei den Fischen
    Herder Verlag, Freiburg 2013