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Der rote Robin Hood

Der 1889 geborene Max Hoelz gehörte zu den KPD-Mitgliedern der ersten Stunde. Im Januar 1919 trat er der Partei bei - und galt bald nicht nur in seiner Heimat, im Vogtland, als Volksheld. Als roter Robin Hood nahm er den Reichen und gab den Armen, wofür er letztendlich zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt wurde. Heute ist der rote Rebell Max Hoelz weitgehend vergessen.

Von Georg Gruber | 15.09.2008
    "(19)14-18, diese 4 Jahre, die ich ununterbrochen an den Fronten verbrachte, haben meine Weltanschauung zertrümmert."

    Max Hoelz, geboren 1889 im sächsischen Ort Moritz als Sohn eines Landarbeiters, wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als Freiwilliger zog er in den Ersten Weltkrieg.

    "Da noch an die Allmacht eines Schöpfers glauben, wo alles mordet, und Völker rasen; wo das grausamste Morden höchste Tugend, edelste Menschenliebe sein soll?"

    Von den Erfahrungen des Krieges geprägt, wird Hoelz Kommunist. Den Glauben an diese Idee wird er sein Leben lang nicht verlieren. Im Januar 1919 tritt er der neu gegründeten KPD bei und will, als Mann der Tat, die Welt verändern, von unten. Als Vorsitzender des "Arbeitslosenrates" legt er sich im vogtländischen Falkenstein mit dem Bürgermeister an, lässt im Wald eines Adligen Brennholz schlagen und Lebensmittel an Bedürftige verteilen.

    Er befreit gefangene Gefährten, verbrennt Gerichtsakten und zündet Villen von Reichen an. Während des Kapp-Putschs im Frühjahr 1920, dem Versuch von rechts, die Weimarer Republik zu stürzen, ist er Anführer einer roten Miliz - und sieht die Zeit gekommen für eine Revolution von links.

    "Nach der Niederschlagung des Putsches und dem Ende der roten Ruhr-Armee, als nirgends im Reich mehr gekämpft wird, setzt er seinen Kampf auf eigene Faust fort,"

    heißt es später in einer Sendung des DDR-Rundfunks, aus der auch klar wird, warum der damals von vielen verehrte rote Rebell in der DDR nicht zum Vorbild taugte.

    "Und er geht nun auch Wege, die mit der Politik der Partei nicht mehr übereinstimmen und anarchistische Züge tragen. Er schadet, wo er nützen möchte, in subjektiver, ehrlicher Überzeugung, das Richtige zu tun."

    1921 wird Hoelz verhaftet und angeklagt, wegen eines Mordes, den er nicht begangen hat.

    Hoelz erhält lebenslänglich. Für seine Freilassung kämpft nicht nur die KPD, die ihn zwischenzeitlich wegen Disziplinlosigkeit ausgeschlossen hatte. Mehr als 150 Persönlichkeiten der Weimarer Republik setzen sich für ihn ein, darunter: Bertolt Brecht, Albert Einstein, Otto Dix, Alfred Kerr, Egon Erwin Kisch, Käthe Kollwitz, Thomas Mann. Als sich der wahre Täter stellt, wird Hoelz 1928 freigelassen - und von, so heißt es, hunderttausend Arbeitern in Berlin gefeiert. Auf Schallplatte ist eine seiner Reden aus dieser Zeit erhalten:

    "Ja, ich will auch weiterhin einer der vielen Kesselheizer der Revolution sein, indem ich alle meine Kräfte in den Dienst der Kommunistischen Partei stelle, indem ich auch jedem Arbeiter zurufe: Hinein in die Reihen der Kommunistischen Partei Deutschlands! Es lebe die Kommunistische Partei Deutschlands! Es lebe die Kommunistische Internationale! Es lebe unser geliebtes Sowjetrussland!"

    1930 wird er von braunen Schlägern fast tot geprügelt, er geht ins Exil, ins gelobte Land, in die Sowjetunion. Doch obwohl er im Exil bemüht ist, sich ein- und unterzuordnen im Dienste der kommunistischen Partei, eckt er auch dort immer wieder an.

    "Es war schon die Zeit, wo die Nazis in Deutschland waren, und er wollte kämpfen."

    Erinnert sich Jahrzehnte später seine Frau Ariadna.

    "Und er wollte nach Deutschland und er kam nach Deutschland nicht. Man hat ihm das nicht erlaubt, das wollte er nicht begreifen, bis zu seinem letzten Tag."

    Und er fühlt sich vom sowjetischen Geheimdienst bedroht. Im Frühjahr 1933 verbarrikadiert er sich deshalb mehrere Tage in seinem Hotelzimmer:
    Sobald jemand versuchen sollte, in das Zimmer einzudringen, schieße ich,

    schreibt er in einem Brief an seine Frau.

    Die letzten vier Patronen bleiben für mich, denn ich habe keine Lust, lebend in die Hände meiner Freunde zu fallen, damit sie mich peinigen - um sich dann später zu entschuldigen: Es war ein Versehen.
    Am 15. September 1933 wird Max Hoelz das letzte Mal lebend gesehen. Er ertrank bei dem Versuch, den Fluss Oka in Russland zu überqueren - so lautet die offizielle Version. Die genauen Todesumstände sind allerdings bis heute nicht geklärt. Schon in den dreißiger Jahren wurde kolportiert, Hoelz, der ein guter Schwimmer war, sei vom sowjetischen Geheimdienst ermordet worden.