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Der Ruf der Vergangenheit
Dem Gesang der Saurier auf der Spur

Hat es einmal "Singsaurier" gegeben? Oder ist der Gesang etwas für Vögel Typisches? Diese Frage können Paläontologen nun wohl mit einer gewissen Sicherheit beantworten, denn jetzt wurde der älteste Beleg für ein Vogel-Singorgan in einem rund 66 Millionen Jahre alten Fossil entdeckt.

Von Dagmar Röhrlich | 13.10.2016
    Vegavis iaai fliegt quakend durch einen Küstenwald von Vega Island
    Vegavis iaai fliegt quakend durch einen Küstenwald von Vega Island (Nicole Fuller/Sayo Art for UT Austin)
    Auch wenn nicht alle Vögel so wunderbar singen wie eine Nachtigall, so besitzen sie doch ein typisches Organ: Die Syrinx. Dieser Stimmkopf besteht aus mineralisierten Knorpelringen, zwischen denen dünne Häutchen beim Ausatmen schwingen und Töne erzeugen. Er sitzt tief im Brustkorb, an der Verzweigung der beiden Hauptbronchien.
    Vögel singen wirklich von Herzen, scherzt die Paläontologin Julia Clarke von der University of Texas in Austin. Die Frage ist, wann sie damit begonnen haben. Die wenigen bislang bekannten fossilen Stimmköpfe stammen aus den vergangenen zweieinhalb Millionen Jahren - sie sind viel zu jung, um etwas über den Ursprung des Vogelgesangs auszusagen, so Julia Clarke:
    "Wir hatten auf Vega Island vor der Küste der Antarktischen Halbinsel ein Vogelfossil aus der Kreidezeit entdeckt. Es ist etwa 66 Millionen Jahre alt, das Tier lebte kurz vor dem Aussterben der Saurier. Es heißt Vegavis iaai und ist mit den Enten und Gänsen verwandt. Ich habe dieses Fossil mit Hilfe von dreidimensionalen CT-Scans untersucht und dabei auf den Bildern etwas entdeckt, das sich eindeutig als Teile einer Syrinx identifizieren ließ. Wenn ich nicht einer Gruppe angehörte, die den Ursprung des Vogelgesangs erforscht, wären mir diese Strukturen vielleicht gar nicht aufgefallen. Doch so habe ich besonders gut darauf geachtet."
    Die Syrinx ähnelt der von Enten
    Die Syrinx von Vegavis iaai ist etwa einen Zentimeter groß. Sie blieb so gut erhalten, dass Vergleiche mit den Stimmköpfen moderner Vögel möglich waren. Das Ergebnis: "Die Analyse stützt die Verwandtschaft von Vegavis iaai mit den Entenvögeln, denn seine Syrinx ähnelt vom Aufbau her der moderner Enten und Gänse."
    Damit dürfte Vegavis auch ähnliche Laute ausgestoßen haben. Solche Rufe sollten also schon den Dinosauriern vertraut gewesen sein. Und wegen der Verwandtschaftsbeziehung zwischen Vögeln und Sauriern fragten sich die Forscher um Julia Clarke dann, ob nicht auch schon gefiederte Dinosaurier ein solches Stimmorgan besessen haben könnten:
    "Nachdem ich die Syrinx 2013 auf den CT-Scans entdeckt hatte, begannen wir in Dinosaurier-Fossilien nach ähnlichen Strukturen im Brustkorb zu suchen. Doch wir fanden nichts. Wir vermuten deshalb, dass - anders als Federn oder Flügel - die Syrinx erst später in der Evolution aufgetaucht ist und nur bei den Echten Vögeln. Sie fehlte wahrscheinlich selbst den nächsten Vogelverwandten auf der Saurierseite. Damit stellt sich die Frage nach ihrem Ursprung. Die Syrinx von Vegavis iaai ist bereits recht hoch entwickelt, keine ursprüngliche Struktur."
    Der erste Vogelgesang müsste sehr viel früher in der Erdgeschichte erklungen sein. Und so hat in den Fossiliensammlungen die Jagd nach der Ur-Syrinx begonnen: "Stellen Sie sich doch einmal eine Landschaft vor, in der Dinosaurier ziehen und über deren Köpfe solche Schreie ertönen. Was für ein Bild! Man beginnt darüber nachzudenken, wie sich die Szenerie damals angehört haben mag."
    Zirpende Insekten, mehr oder weniger melodisch singende Vögel - und dazu das tiefe Reptilien-Zischen und Grollen der großen Saurier.