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Der Satiriker und Religionskritiker Kurt Tucholsky
Kopf ab zum Gebet

Kurt Tucholsky will "mit der Schreibmaschine Dummheit, Krieg und Nazis bekämpfen“ und schlägt dabei auch auf die Kirchen ein. Dass sein Engagement wirkungslos bleibt, führt ihn in die Einsamkeit. Spiegelt sich in seinen existenziellen Grübeleien eine religiöse Sehnsucht?

Von Burkhard Reinartz | 08.11.2017
    Kurt Tucholsky
    Kurt Tucholsky (picture alliance / dpa)
    "PARK MONCEAU
    Hier ist es hübsch, hier kann ich ruhig träumen
    Hier bin ich Mensch – und nicht nur Zivilist
    Hier darf ich links gehen. Unter grünen Bäumen
    sagt keine Tafel, was verboten ist
    Die Kinder lärmen auf den bunten Steinen
    Die Sonne scheint und glitzert auf ein Haus
    Ich sitze still und lasse mich bescheinen
    und ruh von meinem Vaterlande aus."
    Man hätte Kurt Tucholsky mehr solcher Augenblicke gewünscht – Augenblicke der Zufriedenheit. Doch die aufgewühlten Zeiten führten schnell zu einer anderen Art von Gedichten – auch sein Drang, mit der Schreibmaschine Dummheit, Krieg und Nazis zu bekämpfen.
    "Es braucht ein hohes Ideal
    der nationale Mann,
    daran er morgens allemal
    ein wenig turnen kann.

    Da hat die deutsche Manneskraft
    in segensreichen Stunden
    als neueste Errungenschaft
    ein neues Ideal erfunden:

    Es soll nicht sein das erste Reich
    es soll nicht sein das zweite Reich...
    das dritte Reich?
    Bitte sehr, bitte gleich!

    Wir dürfen nicht mehr massisch sein
    wir müssen durchaus rassisch sein
    und freideutsch, jungdeutsch, heimatwolkig
    und bündig, völkisch, volkisch, volkig...

    Und das sind wir:
    ein Blick in die Statistik:
    Wir fabrizieren viel. Am meisten nationale Mistik."
    "Geboren als Angestellter der Weltbühne"
    Mit 36 Jahren schreibt Kurt Tucholsky eine kurze, selbstironische Autobiografie. Sie beginnt mit dem Satz:
    "Soweit ich mich erinnere, wurde ich am 9. Januar 1890 als Angestellter der 'Weltbühne' in Berlin geboren."
    Der Text endet mit dem Satz:
    "Ich habe nur noch einen kleinen Wunsch: Die Rollen der deutschen politischen Gefangenen und ihrer Richter einmal vertauscht zu sehen."
    Dieser Wunsch sollte sich zu seinen Lebzeiten nicht erfüllen. Kurt Tucholsky kommt in Berlin in einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie zur Welt. 1914 tritt er vierundzwanzigjährig aus der jüdischen Gemeinde aus und lässt sich vier Jahre später protestantisch taufen. Tucholsky studiert Jura, entdeckt aber schon während des Studiums seine Leidenschaft für die Literatur. In Prag trifft er Max Brod und Franz Kafka. Da ist er 21 Jahre alt.
    Schillernde Vielseitigkeit
    "Der Blick von außen zeigt zunächst mal einen gespaltenen Mann. Denn er ist einerseits politisch engagiert, leidet wie ein Hund unter den Verhältnissen der Weimarer Republik, scheitert auch daran, journalistisch und politisch - und dann beginnt er, die Sinnfrage zu stellen: Wer bin ich? Wofür kämpfen? Das macht das Zentrum dieses Mannes aus. Gerade weil er zerrissen ist in zerrissener Zeit, bohrt er immer weiter auf die Frage, was macht den Sinn meiner Arbeit und meines Kämpfens aus?"
    Sagt Karl-Josef Kuschel, er lehrte Theologie des interreligiösen Dialogs an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Er hat sich intensiv mit Kurt Tucholsky und seinem Werk auseinander gesetzt. Für den Theologen und Literaturexperten zeigt sich Tucholskys Zerrissenheit, aber auch seine schillernde Vielseitigkeit, in dessen Spiel mit verschiedenen literarischen Pseudonymen. Der "vielnamige Herr", wie die rechtsradikale Presse ihn nannte, publiziert seine wortgewaltigen Schriften unter mindestens vier verschiedenen Pseudonymen: Theobald Tiger, Ignaz Wrobel, Peter Panter und Kaspar Hauser.
    "Wir stammen alle von einem Vater ab. Wir lieben vereint, wir hassen vereint -
    wir marschieren getrennt, aber wir schlagen alle auf denselben Sturmhelm.
    Und wir hassen jenes Deutschland, das es wagt, sich als das allein echte Original-Deutschland auszugeben und das doch nur die überlebte Karikatur eines überlebten Preußentums ist. Wir alle fünf lieben die Demokratie. Wir sind fünf Finger an einer Hand. Und werden auch weiterhin zupacken, wenn's not tut."
    Kaum ein deutscher Schriftsteller war in so vielen journalistischen und literarischen Genres unterwegs wie Kurt Tucholsky.
    Der Theologe Karl-Josef Kuschel war bis 2013 Professor für Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Tübingen und Ko-Direktor des Instituts für ökumenische und interreligiöse Forschung.
    Der Theologe Karl-Josef Kuschel (Hajo Schumerus)
    "Seine Arbeiten umfassen Prosa journalistischer Art, aber auch Gedichte, auch Romane", sagt Karl-Josef Kuschel. "Er verfügte über ein breites Spektrum. Der eine Pol, Liebesromane, denken Sie an den Roman für Verliebte "Rheinsberg", mit dem er berühmt wurde, sogar populär wurde, dann "Schloss Gripsholm", eine hinreißend schöne Liebesgeschichte und derselbe Mann kann bitterböse Satiren schreiben, flammende kritische Artikel, Attacken auf Pfarrer, auf Richter. Das ganze Spektrum beherrschte er. Deshalb ist er auch literarisch ein Großer."
    "Gewehre links, Gewehre rechts – das Christkind in der mitten"
    Schon früh wird Kurt Tucholsky einer der schärfsten Kritiker des mit Staat und Militär verknüpften Christentums. Berühmt sind seine ironischen Lästersprüche.
    "Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenn's ihm gut geht und eine wenn's ihm schlecht geht. Die letztere heißt Religion."
    Oder:
    "Gewehre links, Gewehre rechts – das Christkind in der mitten – Gibt es einen abscheulicheren Anblick? Es gibt keinen."
    Und:
    "Im übrigen sagen alle, man würde Christus, wenn er heute wieder käme, kreuzigen.
    Das halte ich für falsch. Man würde ihn interviewen."
    Im Namen Jesu Waffen segnen
    1914 wird Kurt Tucholsky zum Militär eingezogen. Die Erfahrung als Soldat prägt seine Haltung zu Staat und Religion entscheidend. Besonders die Praxis der Feldgeistlichen als Speerspitze des Christentums empört ihn. Im Namen Jesu Waffen segnen, Völkerhass im Namen des Kreuzes säen - all das findet seine tiefste Verachtung. Später wird er in der "Weltbühne" immer wieder auf diesen Zusammenhang zu sprechen kommen. So in einem Gedicht mit dem Titel "1. August 1914":
    "Die Stäbe soffen. Fette Prediger
    bepredigten sich ihre Uniform
    vom Christus, der kein Schwächling war.

    Die Christusbilder, starr aus Holz,
    sie hingen unbeweglich in ganz Europa an den Kreuzen.
    Sahen. Litten. Schwiegen."
    Karl-Josef Kuschel:
    "Da stand er ja in einer großen Tradition, wenn man ihn einen der schärfsten Kritiker des etablierten, des institutionalisierten Christentums nennt. Das ist eine Traditionslinie, die von Lessing ausgeht über Heine und Nietzsche bis ins 20. Jahrhundert hinein. Auf Grund seiner ganz persönlichen Erfahrung im Ersten Weltkrieg sah er diese fast unheimlich zu nennende empörende Diskrepanz zwischen der Moral der Kirche und der Praxis der Kirche, zwischen den Pfarrern, die das Evangelium Christi predigten und die gleichzeitig die Waffen segneten. Zwischen einer Kirche, die sich im Namen Christi als moralische Instanz aufspielte und diese Moral in der politischen Praxis gleichzeitig verriet. Das empörte ihn sowohl auf jüdischer als auch auf christlicher Seite. Und diese Komplizenschaft der Kirche mit den etablierten Mächten verriet für ihn die Nachfolge Christi."
    "Lachen als Waffe"
    Eine Fähigkeit Kurt Tucholskys begeistert Karl-Josef Kuschel ganz besonders:
    "Dass er Lachen als Waffe einsetzten konnte auch im politischen Kampf, in der Entlarvung und Entzauberung von angemaßten gesellschaftlichen Mächten. Das zeichnet ihn auch als Schriftsteller aus. Er ist einer der Humoristen und Satiriker, wie es in der deutschen Literatur kaum einen zweiten gibt, vielleicht Heine. Das Lachen ist für ihn die letzte Waffe der Hoffnung gegen eine Gesellschaft, gegen die er angeschrieben hat und mit deren Verwerfungen er letztlich nicht klar kam. Dann blieb ihm auch das Lachen im Halse stecken. Denn die Verhältnisse spitzten sich immer mehr zu im aufkommenden Faschismus."
    "Mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten"
    In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schreibt Tucholsky neben stillen Skizzen, in die sich erste Trauertöne mischen, politische Aufklärungsprosa und Agitationslyrik. Erich Kästner sagte später über ihn: 'Er wollte mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten'.
    Karl-Josef Kuschel:
    "Politisch eher auf der radikalen bis gemäßigten Linken, gleichzeitig nicht festgelegt, nicht verklärend. Er sah auch die Schwäche der linken Position in der Weimarer Republik und stand auch da in Distanz gegenüber. Er war jemand, der die alles entscheidende Frage stellte: Wofür arbeite ich, wofür streite ich, wenn die Ergebnisse doch so mager sind und die Verhältnisse sich nicht geändert haben?"
    "Die Kirche treibt die Leute zum Mord an"
    So pflegt er auch Kontakt zur Zentrums-Journalistin und Katholikin Marierose Fuchs. In einer Korrespondenz mit ihr erläutert Tucholsky 1929 seine Haltung zum organisierten Christentum:
    "Ich glaube nicht, dass ich in achtzehn Jahren Literatur jemals den Fehler begangen hatte, das Zentrum und nun gar die Kirche mit Klischeephrasen zu bekämpfen. Ich lehne das ab. Es gibt selbstverständlich unwürdige Priester, Scheinheilige, Dummköpfe, alles, was man will. Die gibt's unter den Kommunisten - zu denen ich nicht gehöre - auch; die gibt’s überall.
    In mir ist nichts, was erlöst werden muss, ich fühle diese culpa, diese Schuld nicht. Ich erhebe mich ja auch über keinen Katholiken, indem ich ihn bedauere oder beschimpfe – ich sage nur: ich nicht. Und gebe Ihnen zu bedenken: nicht alle Wege führen über Rom. Wir anderen – auch wir suchen.
    Gnädige Frau, haben Sie einmal tiefer geschaut, zum Beispiel in ein Massengrab? Ich schon. Was sollen mir spitzfindige Erklärungen; wenn im entscheidenden Augenblick die Kirche in Paris und in Berlin die Leute zum Mord antreibt? Wie sieht die Geschichte der allerchristlichsten Staaten aus? Bluttriefend. Also? Wer so versagt hat, hat zu schweigen."
    Tucholsky wehrt sich gegen die gängige Position, man könne nur als Christ Menschlichkeit, Brüderlichkeit und Humanität leben.
    Karl-Josef Kuschel:
    "Und da protestiert er, indem er sagt: Ihr müsst euch daran gewöhnen, dass auch jemand, der nicht gläubig ist im traditionellen Sinne, dass der Werte hat, Ideale hat, eine Moral besitzt, ja, dass er religiöse Sehnsüchte hat, ohne dass man ihn für einen kirchlichen Glauben ausbeuten dürfte."
    "Soldaten sind Mörder"
    "Soldaten sind Mörder" heißt Tucholskys berühmtes Diktum. Dieser Satz fällt 1927 im Zusammenhang mit einem Gotteslästerungsprozess – und zwar gegen George Grosz, der mit seiner Zeichnung "Christus mit der Gasmaske" einen Skandal auslöste. Tucholsky argumentiert, nicht Grosz habe Gott gelästert, wenn er den gekreuzigten Christus mit Militärstiefeln und Gasmaske ausstatte. Vielmehr weise er auf eine Gotteslästerung durch die Kirchen hin, die im Ersten Weltkrieg Kanonen und Flugzeuge gesegnet und mit Weihwasser besprengt hätten.
    "Was man da herumtiftelt, verfälscht Christus: Die einzig wahre Gotteslästerung, die mir bekannt ist."
    Karl-Josef Kuschel:
    "An einer Figur ließ er keinen Zweifel. Und das war die Figur Jesu selber, die Botschaft der Bergpredigt. Dafür gibt es kein Moratorium, sagt er mal an einer Stelle kritisch gegenüber denjenigen Pfarrern, die meinten, nun unter den Umständen des Krieges muss man halt die Bergpredigt eine Weile vergessen und aussetzen. Da kannte er keine Gnade, da kannte er kein Pardon. Der Gekreuzigte blieb für ihn auch die Orientierungsfigur seines religiösen Lebens. Auch wenn er ihn in manchen Texten bissig attackiert."
    "KOPF AB ZUM GEBET
    Herrgott! Wir alten vermoderten Knochen
    sind aus den Kalkgräbern noch mal hervor gekrochen.
    Wir treten zum Beten vor dich und bleiben nicht stumm.
    Und fragen dich, Gott:
    Warum?
    Herrgott" wenn Du wirklich der bist, als den wir dich lernten:
    Steig herunter, von deinem Himmel, dem besternten!
    Jag uns zurück in unsere Gräber, aber antworte zuvor -
    soweit wir noch können, knien wir vor dir - aber leih uns dein Ohr!
    Wenn unser Sterben nicht völlig sinnlos war,
    Verhüte wie 1914 ein Jahr!
    Sag es den Menschen! Treib sie zur Desertion!
    Wir sterben vor dir: ein Todesbataillon.
    Dies blieb uns: zu dir kommen und beten!
    Weggetreten!"
    Tucholsky erkennt immer deutlicher, dass sein leidenschaftliches Engagement wirkungslos bleibt. Er verlässt Deutschland und wird Pariser Korrespondent der "Weltbühne".
    "Es gibt etwas außerhalb der Erdenschwere"
    Bereits mit 28 Jahren hatte Tucholsky in "Über das Wesen der Religion" geschrieben:
    "In dem Augenblick, in dem der Fanatiker – ganz gleich welcher Religion – der Obrigkeit zum Munde redet, wird er ein Pfaff. Denn das ist das Wesen der Religion (wie der wahren Kunst und der Philosophie): über den Dingen zu stehen, unbekümmert, ob ihre Ergebnisse nützlich sind oder nicht. Denn es gibt – und das ist der Glaube – einen kleinen Rest außerhalb der Erdenschwere, den man nicht fassen oder erklären kann und der vermocht hat, die Menschen, wenigstens die fein empfindenden – so unglücklich zu machen: Sie ahnen ganz dumpf, dass das hier nicht das letzte und endgültige ist. Aber sie kommen nicht von der Scholle. Sie ragen mit dem Kopf in die Wolken und wollen Frieden, aber die Füße wollen nicht von der Erde los."
    Karl-Josef Kuschel:
    "Der Satz ist ja für viele überraschend: Es gibt etwas außerhalb der Erdenschwere. Weil man Tucholsky festgelegt hat auf den Sozialkritiker, den Materialisten, den Atheisten. Und plötzlich kommen solche gebrochenen Reflexionen, die überraschen, eine Ahnung davon, dass die Immanenz nicht ausreicht. Ich finde das großartig, dass er stehen bleibt in dieser 'Schwebe zwischen Himmel und Erde', wie er das mal genannt hat."
    Tucholsky nicht auf Atheismus reduzieren
    Tucholsky nicht auf Atheismus zu reduzieren, davor warnt der Theologe und Literaturexperte Karl-Josef Kuschel ebenso wie davor, ihn metaphysisch zu vereinnahmen. Er plädiert für genaues Hinschauen: etwa auf das Phänomen, dass in Tucholskys letzten Lebensjahren die Fragen nach dem Sinn seiner Arbeit und des Lebens in barbarischen Zeiten zunehmen.
    Karl-Josef Kuschel:
    "Dass er eine Kehre zur Religion gemacht hat, ist übertrieben formuliert. Das erfüllt so das alte Klischee: ja, mit zunehmendem Alter und zunehmenden Schwierigkeiten wird man religiös. Das hat er selber auch parodiert. Nein, die Wende ins Religiöse ist vorbereitet durch die existenzielle Krise, die er selbst durchgemacht hat. Das zieht sich immer durch. Wird allerdings unter den neuen Lebensbedingungen – seit 1928 lebt er permanent in Schweden in einer gewissen Einsamkeit – seine Bücher sind verboten in Deutschland und Krankheiten überschatten sein Leben. Unter diesen Umständen vertiefen sich die 'existenziellen Grübeleien', - so nennt er das ja selber - auch ins Religiöse. Die religiöse Frage ist eine Vertiefung der existenziellen und keine aufgesetzte."
    Religiöse Sehnsucht
    Tucholsky beginnt neben Schopenhauer die Schriften des Dänen Sören Kierkegaard zu studieren. Er nennt diese Erfahrung "das Erlebnis der Erlebnisse" und schreibt:
    "Bei Kierkegaard steht eine unsterbliche Seite über dem Dichter, der über sich hinaus möchte und der es nur zur religiösen Sehnsucht, nicht zur Frömmigkeit selber bringt. Ich fühle das genauso."
    Karl-Josef Kuschel:
    "Ein Zurück zu einer verfassten Religion, zu einer dogmatisch versprachlichten Religion - sowohl jüdisch als auch christlich – war für ihn undenkbar. Seine religionskritischen Positionen waren zu scharf, als dass er in einen traditionellen, festgelegten Glauben zurückfallen würde."
    In seinen letzten drei Lebensjahren verstummt Kurt Tucholsky literarisch. 1933 werden seine Bücher verbrannt. Ihm wird die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen.
    "Ich habe mich in den Menschen getäuscht"
    "Dass unsere Welt in Deutschland zu existieren aufgehört hat, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Und daher werde ich erst mal das Maul halten. Gegen einen Ozean pfeift man nicht an. Ich habe mit diesem Land, dessen Sprache ich so wenig wie möglich spreche, nichts mehr zu schaffen. Möge es verrecken – ich bin damit fertig. Über den großen Knacks meines Lebens komme ich nicht hinweg: dass ich mich in der menschlichen Natur so getäuscht habe – und nun mag ich nicht mehr."
    "Da kämpft er zehn, fünfzehn Jahre mit seiner Feder und seinen publizistischen Organen, vor allem der Weltbühne, darum, die Menschen aufzuklären, ihre Verblendungen aufzudecken und findet kein Gehör. Und daran ist er letztlich zerbrochen, gar keine Frage." So Karl-Josef Kuschel.
    Die Grabstätte von Kurt Tucholsky in Schweden. 
    Die Grabstätte von Kurt Tucholsky in Göteborg, Schweden. (imago)
    Am 20. Dezember 1935 nimmt Kurt Tucholsky eine Überdosis Schlaftabletten und fällt ins Koma. Einen Tag später stirbt er in einem Göteburger Krankenhaus. Er wurde 45 Jahre alt.
    "Was soll ich armes Luder machen,
    wenn die Posaune blasen mag?
    Wie tret ich an mit meinen sieben Sachen
    am heiligen Auferstehungstag?

    Der liebe Gott macht nicht viel Federlesen.
    'Herr Tiger!' ruft er, 'Komm hervor!
    Wie siehst du aus, lädiertes Wesen?
    Und wo – wo hast du den Humor?'

    'Ich las' – sag ich dann ohne Bangen -
    'einst den Etat der deutschen Generalität.
    Da ist mir der Humor vergangen.'
    Und Gott versteht."