Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Der Schauspieler Cary Grant wurde geboren

Wahrscheinlich kam er schon im Anzug auf die Welt. Ob grauer Flanell oder Smoking, schwarz oder weiß – der Anzug gehört zu Cary Grants Erscheinung, scheint Teil seines Körpers. Mit dem Anzug, der gewissermaßen seine natürliche Haut ist, bewegt er sich durch Großstadt, Moderne und High Society. Auf einer Cocktail-Party, am Steuer eines Sportwagens, an edlen Restauranttischen ist er in seinem Element, aber wann hätte man ihn je auf dem Rücken eines Pferdes oder in der Wildnis gesehen? Heute vor 100 Jahren wurde Cary Grant, dieser Inbegriff des klassischen Gentlemans, als Alexander Archibald Leach im englischen Bristol geboren. Obwohl er sehr jung nach Amerika kam, bewahrte er sich doch jene typisch britische Distinguiertheit, jenes kultivierte Danebenstehen, das seinen natürlichen Stil ausmachte.

Von Katja Nicodemus | 18.01.2004
    Schon mit um die 30 Jahren war Cary Grant einer der erfolgreichsten Schauspieler beim Hollywood-Studio Paramount. In seinen Filmen schien er die weiblichen Herzen nie zu erobern, eher stolperte, tänzelte, fiel er in sie hinein. Das Publikum liebte ihn dafür.

    Regisseure wie Howard Hawks oder Frank Capra erkannten dieses Talent für Slapstick und ließen ihn immer wieder große Jungs spielen, leicht abwesende Gelehrte und spätpubertäre Professorentypen, deren Sex Appeal zunächst unter grauen Anzügen verborgen ist. Etwa den dick bebrillten Professor, der in Howard Hawks Komödie "Monkey Business" am eigenen Leibe einen Verjüngungstrunk ausprobiert und buchstäblich wieder zum Kind im Manne werden darf. Die Szene im Garten, wenn Grant mit einer Handvoll kleiner Jungs Indianer spielt und sich voller Inbrunst einen Kriegstanz ausdenkt, gehört zu seinen komischsten überhaupt.

    Kaum ein anderer Hollywood-Star hatte soviel Freude an der Selbstironie. Vor allem in Filmen von Howard Hawks machte sich Cary Grant immer wieder hingebungsvoll zum Narren ohne je lächerlich zu wirken. Als weltfremder Archäologe David Huxley lässt er sich von Katherine Hepburn in "Leoparden küsst man nicht" in das Leben und die Liebe einführen und in "Ich war eine männliche Kriegsbraut" stöckelt er in Frauenkleidern hinter seiner Angebeteten her. In Frank Capras "Arsen und Spitzenhäubchen" spielt Grant fast zwei Stunden lang an der Grenze zur Hysterie. Man kann sich gar nicht satt sehen an den immer neuen Varianten seiner Stielaugen -– etwa wenn ihm seine beiden alten Tanten beim Kuchenbacken ganz beiläufig mitteilen, dass ihr Hobby in der Ermordung diverser Untermieter besteht.


    Auch wenn Cary Grant am liebsten jene jungenhaften Männer spielte, die in unzähligen Screwball-Komödien sein Image prägten, konnte er auch ganz anders. Als Schauspieler verfügte er über eine Ausdruckspalette, die vom kurzsichtigen Junggesellen bis zu den harten, schneidenden Tonlagen seiner Hitchcock-Rollen reichte. In "Der unsichtbare Dritte" etwa besitzt er als vom Geheimdienst gejagter Durchschnittsamerikaner durchaus das Zeug zum Thriller- und Abenteuerhelden. Und doch wirkte er nie aggressiv, hatte seine Männlichkeit stets etwas Zurückhaltendes.

    Es ist nicht ganz einfach zu sagen, worin genau Grants Sex-Appeal bestand. Er war nie forsch genug, um zum klassischen Verführer zu werden. Er war zu stilvoll für explizite Erotik. Vielleicht bestand der Charme gerade darin, dass zwischen ihm und den Frauen zunächst immer die verheißungsvolle Diskretion des Gentlemans und der perfekt sitzenden Anzüge stand. Denken wir nur an die wunderbare Kussszene mit Sophia Loren in "Das Hausboot". In ihrem atemberaubend tief dekolltierten, glänzenden Kleid sieht die junge Loren aus wie eine goldene Erotik-Bombe. Die beiden stehen allein in der Küche, sie scheinen geradezu elektrisiert vor Sinnlichkeit und Grant müsste seine Filmpartnerin eigentlich nur noch an sich ziehen. (O-Ton bereits drunterziehen) Doch was tut er? Er bittet sie, seine Fliege gerade zurücken, und erst aus dieser Nestelei ergibt sich endlich der erlösende Kuss.

    Es hat stets auch etwas Wehmütiges, sich Cary Grant ins Gedächtnis zu rufen. Nicht nur, weil er ein wunderbarer Schauspieler war, dessen Stilempfinden Hollywood über Jahrzehnte hinweg prägte. Sondern vor allem, weil seine Noblesse für einen untergegangenen Glamour steht. Grant, der über die Dächer von Nizza kletterte, der mit Doris Day Treppen herunterfiel, mit Katherine Hepburn durch Wohnzimmer kugelte und mit Marilyn Monroe laut singend einen Sportflitzer zu Schrott fuhr, dieser Cary Grant steht für das Komische und Liebenswerte des Kinos, für Erinnerungen und Illusionen, die zumindest in unserer Vorstellung ihre absolute Schönheit und Unschuld bewahrt haben.