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"Der Trend in der griechischen Gesellschaft bleibt nach wie vor proeuropäisch"

Griechenland steht vor der Wahl und die etablierten Parteien werden wohl hohe Verluste verkraften müssen. Evangelos Antonaros von der konservativen Nea Dimokratie fordert von der neuen Regierung eine doppelte Ausrichtung auf Sparmaßnahmen und der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen für Griechenland.

Evangelos Antonaros im Gespräch mit Sandra Schulz | 05.05.2012
    Sandra Schulz: Die Wirtschaft schrumpft, die Zahl der Armen schnellt in die Höhe. Von einem Tag der Abrechnung ist die Rede, denn der Frust in Griechenland ist immens. Vor dem Hintergrund der wohl schwersten Finanzkrise ihrer Geschichte wählen die Griechen morgen ihr Parlament neu. So könnte die Wahl zu einer Abstimmung über die Sparpolitik der Übergangsregierung werden, die Sparpolitik – so haben wir es in den vergangenen Wochen und Monaten ja immer wieder aus Brüssel gehört –, die als alternativlos gilt angesichts der hohen Staatsverschuldung und der noch immer nicht letztendlich abgewendeten Gefahr einer Staatspleite.

    - Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Evangelos Antonaros, er ist Abgeordneter im griechischen Parlament für die konservative Nea Dimokratia, wollte ich sagen, guten Morgen!

    Evangelos Antonaros: Guten Morgen aus Athen!

    Schulz: Herr Antonaros, Sie müssen, wie ja auch die PASOK-Partei, mit wohl einem historischen Absturz rechnen, so sehen es die Umfragen. Was ist falsch gelaufen?

    Antonaros: Die Griechen haben zu viele Einschnitte in ihrem Einkommen, in ihrer Rente, und zwar auf Raten, immer wieder in Kauf nehmen müssen. Und deswegen sind die Leute Griechenlands da verunsichert. Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll. Und sie machen allen Politikern, vor allem den Politikern der etablierten Parteien den Vorwurf, die Krise nicht gut genug, und wenn Sie wollen, auch nicht überzeugend genug gemanagt zu haben. Und deswegen richten sie einen Teil ihres Zorns gegen die Politiker und einen Teil ihres Zorns und der Unzufriedenheit gegen Europa. Es ging also bei diesem Wahlkampf darum, die Mehrheit meiner Landsleute davon zu überzeugen, dass der Verbleib in der Europäischen Union und der Verbleib in der Eurozone das einzige Rezept ist, um einigermaßen gesund wieder aus dieser Krise, aus dieser schrecklichen Rezession rauszukommen. Und das ist nicht einfach.

    Schulz: Ja, Herr Antonaros – ja, aber die Vorbehalte gegen Europa, die Sie jetzt gerade schildern, gegen die etablierten Parteien, die haben Sie ja zum Teil – also wenn wir über die PASOK-Partei sprechen und eben auch Europa – mit befeuert, indem Sie sich auch gegen Einschnitte gewehrt haben. Haben Sie die Stimmung nicht auch ein bisschen mit provoziert?

    Antonaros: Ich glaube nicht, dass wir dazu beigetragen haben. Wir haben von Anfang an gesagt, dass gespart werden muss, ganz bestimmt. Das ist eindeutig, dass wir die Ziele zur Senkung der Defizite erreichen müssen. Nur, wir haben von Anfang an gesagt, dass gleichzeitig auch an den Tag danach gedacht werden muss. Wachstum muss sein. Und Sie sehen jetzt, dass auch diese Forderung von uns, diese Erwartung von uns auch in Europa eingesehen wird. Wir haben - ganz im Gegenteil - haben wir dazu beigetragen, Griechenlands Fall in den Abgrund im vergangenen Oktober abzuwenden, als der damalige Ministerpräsident Papandreou ein Referendum abhalten wollte, deswegen haben wir von uns aus, wir bilden diese Übergangsregierung, im Grunde genommen goutiert. Und es ist zu dieser Regierung gekommen. Jetzt stehen wir vor der Entscheidung morgen, am morgigen Sonntag. Und es geht darum, dass möglichst viele Griechen sich für proeuropäisch gestellte, gesinnte Parteien entscheiden. Ich glaube, es wird dazu kommen. Es wird dazu kommen, dass Parteien, die sich für Europa starkmachen, für Wachstum innerhalb eines proeuropäischen Kurses engagieren, dass diese Parteien die Mehrheit erhalten.

    Schulz: Na ja, was macht Sie denn da so zuversichtlich? Die Umfragen sprechen ja eine andere Sprache. Wir haben zum Beispiel gelernt, dass offenbar die rechte Partei mit offen faschistischem Hintergrund, die "Goldene Morgenröte", so heißt die Partei auf Deutsch übersetzt, gute Chancen hat, ins Parlament einzuziehen. Wieso hat so eine Partei denn so einen Zulauf bei Ihnen in Griechenland?

    Antonaros: Das ist tatsächlich so, die schaffen es auch, ins Parlament reinzukommen. Das wäre auf jeden Fall auch dann eine marginale Partei, die muss isoliert werden, das bedeutet unter keinen Umständen eines Teils des Griechen, die – wie soll ich sagen? – rechtsextremistische Auffassungen haben. Das ist eine Protestreaktion gegen die etablierten Parteien. Und deswegen kommt es jetzt auch darauf an, dass meine Partei und andere Parteien standhaft bleiben und vom Europakurs nicht abweichen. Diese Parteien können wir natürlich, diese extremistischen Parteien können wir natürlich jedem demokratischen Prozess, die können wir in die Bildung der neuen Regierung unter keinen Umständen einbeziehen. Aber der Trend in der griechischen Gesellschaft bleibt nach wie vor proeuropäisch. Und die meisten Menschen sehen ein, dass wir unseren Verpflichtungen nachkommen müssen. Und unsere Kredite, die wir von unseren europäischen Partnern erhalten, auch zurückzahlen werden.

    Schulz: Also das heißt, Sie werden künftig auch werben für die ja so unpopulären Einschnitte für die Sparbemühungen des Landes. Das ist bisher ja eine Doppelrolle gewesen, die Ihre Partei da gespielt hat.

    Antonaros: Nein, ganz im Gegenteil: Wir haben Sparmaßnahmen mitgetragen. Nur wir werden auf Dauer nicht in der Lage sein, immer wieder Sparmaßnahmen durchzuziehen, ohne zum Beispiel Staatsfirmen zu privatisieren. Das hat die frühere Regierung vernachlässigt, möglicherweise mit Absicht nicht getan. Aber das kann in der Zukunft so nicht weitergehen. Deswegen ist das ein Eckstein unseres künftigen Regierungsprogramms, dass privatisiert werden muss, dass der Staatssektor gesünder sein soll und vor allem die Klein- und Kleinstfirmen, die zu Tausenden, zu Zehntausenden in die Knie gegangen sind, wiederbelebt werden müssen. Das ist das Rückgrat der griechischen Wirtschaft. Denn ohne die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen werden die Griechen nicht einsehen, dass diese Sanierungsmaßnahmen notwendig sind. Es muss also eine doppelte Ausrichtung geben, damit wir unser Ziel erreichen, nämlich die Defizite abzubauen und unsere Schulden zurückzuzahlen.

    Schulz: Evangelos Antonaros, griechischer Abgeordneter der konservativen Nea Dimokratia. Wir hätten uns heute Morgen gerne noch länger mit Ihnen unterhalten, aber die Telefonleitung zu ihrem Mobiltelefon ist leider doch arg schlecht. Haben Sie herzlichen Dank bis hierhin!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.