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Der Überflieger

Der US-Amerikaner Wiley Post schaffte es binnen weniger Jahre vom einfachen Arbeiter zum gefeierten Flugpionier. Post stellte mehrere Flugrekorde auf und entwickelte den ersten Druckluft-Anzug. Heute vor 75 Jahren umrundete er als erster Mensch im Alleinflug die Erde.

Von Ralf Geißler | 22.07.2008
    50.000 Menschen stürmen am 22. Juli 1933 den Floyd Bennet Flughafen in New York. Sie überrennen Absperrungen und werfen ein paar Polizisten zu Boden. Sie wollen ihren Helden sehen. Wiley Post in seiner Winnie Mae. Nach Einbruch der Dunkelheit setzt der Flieger sicher auf. Post winkt müde und zurückhaltend aus dem Cockpit. Er hat einen neuen Rekord aufgestellt. In nur sieben Tagen und 19 Stunden ist er um die Erde geflogen. Ganz allein.

    Wiley Post war nach Charles Lindbergh der berühmteste Pilot seiner Zeit. Er füllte Titelseiten und stand für Reklame-Poster Modell. Doch Post empfand den Trubel als unangenehm.

    "Niemand kannte Wiley wirklich."

    So Posts Zeitgenosse, der Journalist Bennie Turner.

    "Er war völlig verschlossen. Doch er liebte Kinder. Er konnte an keinem Zeitungsjungen vorbeigehen, ohne eine Zeitung von ihm zu kaufen. Bei einer seiner Reisen ließ er seine Sachen zurück, um im Flugzeug Platz für ein Puppe zu schaffen, die er der Tochter von alten Freunden mitbringen wollte."

    Schon als junger Mann träumt Post vom Fliegen. Doch seine Voraussetzungen sind denkbar schlecht. Er wird 1898 als Sohn einfacher Farmer im US-Bundesstaat Texas geboren. Nach acht Jahren Schule und einer Vorstrafe wegen Straßenraubs beginnt er als Arbeiter auf einem Öl-Feld. Dort verliert er bei einem Unfall sein linkes Auge.

    "An meinem ersten Tag auf der Plattform versuchte ein Tölpel, einen Bolzen in den Bohrturm zu schieben. Der Schlitten mit dem Bohrer glitt herab und schlug hart auf dem Bolzen auf. Unter der gewaltigen Kraft löste sich ein Eisenspan und flog direkt in mein linkes Auge. Es infizierte sich und die Ärzte mussten es entfernen."

    Ausgerechnet dem Unfall verdankt Post seine Pilotenkarriere: Er erhält eine Entschädigung, von der er sich ein Flugzeug kauft.

    Monatelang trainiert Post, mit nur einem Auge Entfernungen und Höhen einzuschätzen. Er entwickelt darin eine große Präzision und fliegt fortan Öl-Magnaten quer durch die USA. Anfang der dreißiger Jahre knüpft er Kontakt zum australischen Piloten Harold Gatty. Gemeinsam reisen sie in Rekordzeit um die Erde. Ein Buch erscheint unter dem Titel: "In acht Tagen um die Welt". Zwar wird Wiley Post als Autor genannt, geschrieben hat es aber ein Ghostwriter.

    "Mit unserem Flug um die Welt habe ich mir meinen Lebenstraum erfüllt. Aber es war vor allem Harold Gatty, der die Winnie Mae gelenkt hat. Ich saß am Steuer, doch ich folgte stets seinen Ratschlägen, um den Flieger aus dem dicken Nebel herauszuhalten, der so oft während unserer Reise auftauchte."

    Wegen dieser Textpassage werden immer wieder Zweifel an Posts Anteil am Weltrekord laut. Außerdem lästert die gehobene Gesellschaft über Posts schlechte Bildung und seine kriminelle Vergangenheit. Er beschließt deshalb, noch einmal um die Erde zu fliegen. Diesmal allein.

    Am Morgen des 15. Juli 1933 hebt Posts Flugzeug in New York ab. Erste Zwischenstation: Berlin, wo ihn Hitlers Luftfahrtminister Hermann Göring empfängt. Nach dem Auftanken steuert Post Moskau an. Unterwegs fällt ihm auf, dass seine Landkarten noch in Berlin liegen. Zwar fliegt Post mit einem der ersten Autopiloten der Welt sowie einem Radio-Detektor, doch die Geräte fallen immer wieder aus. Post darf am Steuer auf keinen Fall einschlafen.

    "Ich wette, dass ich auf meiner Reise hunderte Male eingenickt bin. Aber jedes Mal, wenn ich am Einschlafen war, lösten sich meine Muskeln und meine Finger rutschten vom Steuerknüppel. Während meine Hand nach unten fiel, wachte ich jedes Mal wieder auf."

    Bei einer weiteren Zwischenlandung vergisst Post, seinen Wassertank aufzufüllen. In Nowosibirsk bittet er um etwas zu trinken. Doch die Einheimischen verstehen ihn nicht. Sie schenken ihm mehrere Flaschen Wodka, aber kein Wasser. Post muss Dursten, bis er amerikanischen Boden erreicht. Über Alaska verirrt er sich. Sieben Stunden gehen verloren. Doch am Abend des 22. Juli 1933 setzt er sicher wieder in New York auf.

    Im ganzen Land werden Paraden zu Posts Ehren abgehalten. US-Präsident Roosevelt empfängt ihn im Weißen Haus. Nach seinem Rekordflug entwickelt Post einen Druckluftanzug, um in großer Höhe fliegen zu können. Posts Erfindung gilt als Vorläufer des Raumanzugs. Doch die kommerzielle Vermarktung erlebt Post nicht mehr. 1935 verunglückt er mit seinem Flugzeug in Alaska tödlich.