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Der unbekannte Musiker

Isaac Albéniz - oder die Suche nach einem Unbekannten: Die Biografie des Komponisten und Pianisten, der vor 100 Jahren starb, steckt voller Rätsel, Legenden und Widersprüche. Aber seine Werke haben ihn zum Vater der neueren spanischen Kunstmusik gemacht.

Von Michael Stegemann | 18.05.2009
    Isaac Manuel Francisco Albéniz: ein stolzer Name, aber eine Biografie, die kaum fassbar scheint - deren Spuren sich immer wieder im Ungewissen verlieren; ein fernes Raunen und Rauschen - wie auf dem Edison-Zylinder von 1903, der die Stimme des spanischen Komponisten und Klaviervirtuosen festgehalten hat - und dazu zwei, drei Improvisationen, die wenig genug über seine pianistische Meisterschaft verraten.

    Was von Isaac Albéniz bleibt, ist vor allem ein Stück: "Asturias" aus der "Suite espanola". Ein immer und immer wieder bearbeiteter "Greatest Hit" der Klassik, und doch nicht mehr als eine jener charmanten Salon piecen, von denen er Hunderte komponiert hat.

    Spurensuche - nach dem Komponisten: Geboren am 29. Mai 1860 in Camprodón in den katalanischen Pyrenäen, gestorben am 18. Mai 1909 in Cambo-les-Bains im französischen Département Pyrénées-Atlantiques.

    Der vierjährige Isaac wird vom Vater in Barcelona als pianistisches Wunderkind vorgeführt. Mit sieben soll er am Pariser Conservatoire studieren, ist aber zu jung. Mit acht das erste gedruckte Klavierstück und eine monatelange Tournee kreuz und quer durch Katalonien. Mit 14 die erste von mehreren Fluchten: erst durch Spanien, dann - als blinder Passagier - nach Südamerika, schließlich nach Puerto Rico und Kuba. Klavierspiel in Gasthäusern und Spelunken, das Leben eines Abenteurers.

    Mit 17 kehrt Albéniz nach Spanien zurück - und flieht gleich weiter: nach Brüssel, Prag, Wien, Budapest - wo er Franz Liszt begegnet -, Paris. Kurze Zeit spielt er mit dem Gedanken, Mönch zu werden, entscheidet sich dann aber doch für die Ehe: Mit 23 heiratet er seine Schülerin Rosina Jordana; aus der Ehe gehen drei Kinder hervor, ein Sohn und zwei Töchter. Die jüngste - Laura - wird Malerin, der älteste - Alfonso - spielt zeitweise als Profifußballer bei "Real Madrid", bevor er eine Diplomatenkarriere einschlägt.

    Wenn das denn alles so stimmt. Die biografischen Angaben sind extrem vage und widersprüchlich. Albéniz soll Klavierschüler von Franz Liszt gewesen sein - was ebenso wenig zu beweisen ist, wie sein Kompositionsstudium bei Vincent d'Indy und Paul Dukas in Paris.

    Fest steht, dass er Anfang der 1890er-Jahre in London lebt und dort - gefördert von einem musikbegeisterten Bankier - mehrere Opern schreibt, die nie aufgeführt werden und erst in den letzten Jahren eine Wiederentdeckung erleben, wie der Dreiakter "Merlin".

    Und fest steht auch, dass Isaac Albéniz Mitte der 1890er-Jahre - nach Spanien zurückgekehrt - das Salonrepertoire mehr und mehr verlässt und sich zum "seriösen" Komponisten entwickelt. Keine gefälligen Espanoladas mehr, sondern ernsthafte Auseinandersetzungen mit der spanischen Volksmusik, ihren Melodien und vor allem Rhythmen.

    Tatsächlich ist Albéniz einer der Begründer der neueren spanischen Kunstmusik. Vor allem sein zwölfteiliger Klavierzyklus "Iberia" - komponiert zwischen 1905 und 1907 - ist ein Meilenstein, den Claude Debussy und andere zu Recht bewundern:

    "Nie hat Musik so viele verschiedene und farbenprächtige Eindrücke wiedergegeben. Man schließt die Augen - gleichsam geblendet von einer solchen Bilderflut."