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Der vermeintlich billige Strom

Die Energiewende hat in Deutschland eine Diskussion um steigende Strompreise entfacht. Grund seien die Erneuerbaren Energien, argumentieren ihre Gegner. Strom aus Kohle und Kernkraft sei billiger. Doch diese Rechnung ist nicht ganz richtig, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nun vorrechnet.

Von Dieter Nürnberger | 17.07.2013
    Hintergrund der Studie ist das Grünbuch der Europäischen Kommission zur Klima- und Energiepolitik bis 2030. Und aus Sicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dem DIW in Berlin, muss dieses Rahmenwerk der EU aktualisiert werden. Hintergrund sind die Kostenannahmen für die unterschiedlichen Energieträger. Also, zum Beispiel Atomkraft und Kohle auf der konventionellen Seite der Energieerzeugung und etwa Solar- oder Windenergie auf der Ebene der Erneuerbaren Energien.

    Tenor der Studie: Die Kommission schätzt die Kosten der konventionellen Energieträger künftig als zu niedrig ein, die der Erneuerbaren aber als zu hoch. Beispiel: Atomkraft. Hier seien die Kosten inzwischen so hoch, dass diese eigentlich kaum noch vertretbar seien. Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt beim DIW:

    "Die Atomenergie ist nicht preiswert. Insbesondere, weil wir festgestellt haben, dass sie in der Vergangenheit immer teurer wurde - durch neuere Bautechnologien, auch durch immer höhere Sicherheitsanforderungen. Und die Kosten der Atomenergie werden - wie man derzeit beispielsweise in England sieht - auch von den Verbrauchern getragen. Denn hier gibt eine Umlage für Atomkraft, genauso wie etwa in Deutschland für die Erneuerbaren Energien. Insofern ist es ein Mythos anzunehmen, der Markt könnte dafür allein aufkommen."

    EU: Emissionen um 20 Prozent senken bis 2020
    So würden auch die anfallenden und in Zukunft steigenden Kosten für die Endlagerung atomaren Abfalls oft vernachlässigt. Auch Techniken zur CO-Abscheidung, die sogenannte CCS-Technologie, die ja bis heute noch gar ausgereift zum Einsatz kommt, wird mittel- und langfristig als zu teuer angesehen.

    Die EU hat klare Vorgaben zumindest bis zum Jahr 2020 gesetzt: So sollen die Treibhausgas-Emissionen um 20 Prozent gesenkt werden, im Vergleich zum Jahr 1990. Die gleiche 20-Prozent-Vorgabe gibt es für die Steigerung der Energieeffizienz und auch den Ausbau des Anteils der Erneuerbaren Energien. So sind beispielsweise die Emissionsminderungsziele inzwischen fast erreicht worden. Defizite gebe es aber noch beim Ausbau der Erneuerbaren - hier liegt der europäische Gesamtanteil am Bruttoendenergieverbrauch bei nun über 13 Prozent. Hier seien gesteigerte Anstrengungen nötig, so Claudia Kemfert, um das 20-Prozent-Ziel zu erreichen. Es sei aber realistisch, da die Kosten in diesem Bereich gesunken seien.

    "Ein Beispiel ist die Fotovoltaik-Industrie. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Kosten halbiert. Allerdings geht die Kommission immer noch von Kosten aus, die im Jahr 2050 über dem liegen sollen, was wir heute schon haben."

    DIW: EU-Kommission soll neue Kostenannahmen berücksichtigen
    Auch den Windkraftanlagen an Land werden in der DIW-Studie erhebliche Kostenreduktionspotenziale bescheinigt.

    Die Studie plädiert nun dafür, dass die EU-Kommission für künftige Energieszenarien aktualisierte Kostenannahmen entwickeln sollte. DIW-Autorin Claudia Kemfert:

    "Grundsätzlich sind die Ziele des EU-Grünbuchs sehr ambitioniert. Die Frage ist, wie man sie erreicht. Aus unserer Sicht ist sehr problematisch, stark auf Atomenergie und die CO2-freie Kohle-Technologie zu setzen. Zum einen sind beide Technologien erstens teuer und zweitens, wie im Falle der CCS-Technologie auch nicht im Einsatz. Man muss somit hinterfragen, ob man die Ziele auf diesem Weg erreichen kann. Aus unserer Sicht ist es einfacher, dies mit Erneuerbaren Energien zu erreichen."

    DIW-Expertin Claudia Kemfert geht sogar davon aus, dass langfristig - über das Jahr 2030 hinaus - die EU-Klimaziele ambitionierter angegangen werden könnten. Voraussetzung sei allerdings eine realistische Kostenanalyse der verschiedenen Energieträger.


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