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"Der Vorschlag ist nicht zu Ende gedacht"

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, warnt vor einer Ausweitung gemeinnütziger Arbeiten für Hartz-IV-Empfänger: Es bestehe die Gefahr, dass reguläre Stellen damit verdrängt würden. Dennoch solle die Politik weitere Varianten überlegen.

Gerd Landsberg im Gespräch mit Jochen Spengler | 10.03.2010
    Jochen Spengler: Wie umgehen mit den Langzeitarbeitslosen, mit jenen vor allem, die zwar arbeiten wollen, die aber kaum in reguläre Jobs vermittelbar sind? Die SPD-Vorsitzende und Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, hat dazu folgenden umstrittenen Vorschlag gemacht:

    O-Ton Hannelore Kraft: Mir geht es darum, dass wir einen gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt schaffen. Das heißt, Hartz-IV-Empfänger, die mehrfache Vermittlungshemmnisse haben, wo wir davon ausgehen können und sie selbst auch in der Regel davon ausgehen, dass sie keinen regulären Arbeitsplatz mehr finden, denen muss die Chance gegeben werden, zu arbeiten und das öffentlich finanziert und auf Dauer. Es ist freiwillig, es ist sozialversicherungspflichtig und auf Dauer angelegt. Es geht hier nicht um gemeinnützige Arbeit, sondern es geht hier darum, dass das auch entlohnt wird oberhalb der 1-Euro-Grenze.

    Spengler: So weit Hannelore Kraft. Also auf freiwilliger Basis gemeinnützige Jobs in Altenheimen oder Sportvereinen oder in der Gemeinde. Wäre das was? Handwerkspräsident Otto Kentzler meint, nein, das Handwerk mache schon lange schlechte Erfahrungen mit einer solchen Billigkonkurrenz für den ersten Arbeitsmarkt. Und wir fragen nun einen, der sich auskennt in den Gemeinden und kleinen Städten des Landes. Am Deutschlandfunk-Telefon ist Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Guten Morgen, Herr Landsberg.

    Gerd Landsberg: Guten Morgen, Herr Spengler!

    Spengler: Ehe ich Sie frage, was Sie von Hannelore Krafts Vorschlag halten, Herr Landsberg, die Frage, ob Sie denn der Analyse von Frau Kraft zustimmen, dass mehrere hunderttausend Langzeitarbeitslose einfach nicht mehr in reguläre Arbeit vermittelbar sind und dass man dennoch was für sie tun muss?

    Landsberg: Die Analyse ist sicherlich richtig. Ich glaube aber, der Vorschlag ist nicht zu Ende gedacht. Wenn Sie bedenken: auf Druck der Politik, muss man sagen, haben die Kommunen insgesamt jetzt 360.000 1-Euro-Jobs gemeinsam auch mit den Wohlfahrtsverbänden geschaffen. Das lässt sich nicht so einfach vermehren. Wir stimmen das ja vor Ort auch mit dem Handwerk und der Wirtschaft ab, und die Gefahr - Sie haben ja Herrn Kentzler zitiert - der Verdrängung, die ist natürlich da. Das heißt, man kann nicht einfach sagen, ab morgen haben wir Tausend oder ein paar Tausend mehr. Ich glaube, dass das Potenzial weitgehend ausgeschöpft ist.

    Spengler: Nun sagt ja Frau Kraft, es sollen eben nicht die 1-Euro-Jobs sein, sondern sie will ja bezahlen.

    Landsberg: Das ist auch richtig. Aber auch wenn sie bezahlt, liegt das natürlich immer etwas unter dem Tariflohn, aber über den Hartz-IV-Sätzen. Also das Problem wird mit diesem Hinweis eben leider nicht entschärft. Ich glaube ehrlich gesagt, wir müssen uns viel mehr bemühen, Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt auch für wenig, oder kaum qualifizierte Menschen mit Handicaps zu schaffen. Ich will ein einfaches Beispiel nennen: Stärken sie die Investitionskraft der Städte, dann können wir unsere Straßen reparieren, dann stellen natürlich Straßenbaufirmen auch Hilfskräfte ein. Also ich glaube nicht, dass das allein über solche gemeinnützige Tätigkeit, wie es heißt, zu lösen ist.

    Spengler: Nun wurde gerade erst gestern bekannt, dass ein ähnliches Modell wie das, was Frau Kraft vorschlägt, der sogenannte Kommunalkombi, ein Flop gewesen ist. Die Kommunen konnten drei Jahre lang 500 Euro Lohnzuschuss monatlich kassieren, wenn sie einen Langzeitarbeitslosen beschäftigen. Der Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering hatte auf 100.000 Jobs gehofft und es wurden noch nicht einmal 16.000. Wo lag da Ihrer Ansicht nach der Konstruktionsfehler?

    Landsberg: Die Idee ist eigentlich gar nicht so schlecht gewesen. Diese sogenannte bezahlte Bürgerarbeit hatte drei Voraussetzungen: es musste zusätzlich sein, es musste marktfern sein und es ging nur in Regionen mit extrem hoher Arbeitslosigkeit, wo man also sagen könnte, die Leute haben mittelfristig keine Perspektive. Der Webfehler war eigentlich ein anderer: das war die Finanzierung. Es ist da natürlich von den Kommunen ein Anteil verlangt worden, den die schlicht gerade in den Gebieten mit extrem hoher Arbeitslosigkeit nicht erbringen konnten. Trotzdem würde ich sagen, ganz gescheitert ist das Modell nicht. Natürlich die Vorstellung von Herrn Müntefering 100.000, die ist nicht eingetreten; es sind etwa 15.300. Aber über dieses Modell sollte man noch mal nachdenken und überlegen, ob man das nicht doch weiter ausbaut.

    Spengler: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann aber kann man von den Gemeinden nicht verlangen, dass sie viel Geld dazusteuern?

    Landsberg: Das ist richtig. Die Kommunen sind klamm, sind dramatisch klamm, und gerade in diesen Gebieten - die Fälle sind ja gelaufen in Sachsen-Anhalt und in Thüringen -, die sind einfach nicht in der Lage, diesen Eigenanteil zu bringen. Trotzdem ist das für Menschen natürlich eine Perspektive gewesen in diesen kleinen Orten. Zum Beispiel Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt hat man die Arbeitslosigkeit damit halbiert und hat natürlich den Betroffenen auch eine gewisse Zufriedenheit gegeben. Ich finde, das ist auch ein ganz wichtiger Erfolg.

    Spengler: Herr Landsberg, nun schlagen Sie als Städte- und Gemeindebund ein anderes Modell vor: bezahlte Bürgerarbeit. Jetzt kann ich sagen, noch ein Modell. Wodurch unterscheidet sich das denn nun von zum Beispiel diesem Kommunalkombi, über den wir gerade geredet haben?

    Landsberg: Das ist sehr nahe an dem Kommunalkombi. Wir glauben nur, das muss vollfinanziert werden aus den Mitteln der aktiven Arbeitsförderung. Das ist keine Lösung, um Hunderttausenden Arbeit zu bringen, aber wir glauben, das was bisher dort gemacht worden ist in einigen wenigen Ländern, ein bisschen in Bayern, in Sachsen-Anhalt und in Thüringen, dass man das überall in Gebieten mit extrem hoher Arbeitslosigkeit umsetzen kann, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt, also insbesondere Ältere, die keine Perspektive mehr haben, die man auch nicht mehr qualifizieren kann. Und dann muss es natürlich eine Tätigkeit sein im gemeinnützigen Bereich, bei Vereinen, Kirchen, die nichts anderes verdrängt. Auch das ist wichtig. Wir wollen eine starke Wirtschaft und wollen da auch keine Verdrängungseffekte.

    Spengler: Da geht es auch um Schnee schippen oder Straße kehren?

    Landsberg: Ich glaube, da sollte es weniger um Schnee schippen gehen. Wenn ich noch mal das Beispiel Bad Schmiedeberg nehme; da hat man einen früheren Techniker gewinnen können, der die Uhren in der Stadt, die restauriert werden mussten, über Jahre restauriert hat, der in der Kirche geholfen hat. Das sind ja sinnstiftende Tätigkeiten. Dass die Politiker sich immer nur auf die Straße beschränken, das erstaunt mich etwas, zumal auch da muss man sagen: wenn sie Leute einsetzen zum Reinigen der Straße, verdrängen sie natürlich Firmen, die diese Aufgaben sonst übernehmen.

    Spengler: Wie hoch sollte denn Ihrer Ansicht nach die Bezahlung für denjenigen sein, der da die Uhren repariert?

    Landsberg: Man kann das zu Grunde legen, was wir auch beim Kommunalkombi kennen. Da wird bei einer 30-Stunde-Woche durchschnittlich 710 Euro - das ist Sachsen-Anhalt und Thüringen - bezahlt. In Bayern liegt das etwas höher. Das liegt schon oberhalb der Hartz-Sätze, entlastet übrigens uns damit auch, auch den Bund. Das heißt, man finanziert dann Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit. Ich denke, das ist ein Mittel in dem Baukasten, was uns erhalten sollte.

    Spengler: Haben Sie denn mal durchgerechnet, wie teuer das insgesamt würde für die Bundesagentur?

    Landsberg: Es gibt viele, die sagen, dass es nicht besonders teuer wird, weil ja in der Tat der Betroffene dann eben kein Hartz IV bekommt, keine Unterkunftskosten. Das wird etwas kosten, ich kann es nicht genau sagen, aber es ist nicht so, dass das ins Kraut schießt.

    Spengler: Wo wir schon bei den Finanzen sind; die Kommunen befürchten in diesem Jahr ein Defizit von zwölf Milliarden Euro. Ist das ein Thema heute beim Treffen der kommunalen Spitzenverbände mit der Bundeskanzlerin?

    Landsberg: Ich gehe schon davon aus, dass der Bundeskanzlerin die dramatische Lage der Kommunen noch mal vorgetragen wird, und bin allerdings auch der Überzeugung, die Lösung dieser grundlegenden gesellschaftlichen Probleme schaffen wir nur, wenn Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen, und würde mich sehr freuen, wenn wir da ein bisschen weiter kommen.

    Spengler: Bislang ernähren sich die Kommunen ja vor allem von der Gewerbesteuer, die von den ortsansässigen Unternehmen gezahlt wird, und wenn es nun diesen Unternehmen schlecht geht, dann brechen den Kommunen regelmäßig die Einnahmen weg. Wieso halten Sie eigentlich so hartnäckig fest an dieser schwankenden Steuer?

    Landsberg: Wir halten deswegen hartnäckig fest, weil uns noch keiner was gesagt hat, was besser wäre. In der letzten Runde hat man uns angeboten, wir sollten ein Hebesatzrecht auf die Körperschaftssteuer bekommen. Die ist aber im letzten Jahr um 51 Prozent eingebrochen, und wir sagen, diese Konjunkturanfälligkeit, die Sie richtig beschrieben haben, die könnte man beseitigen, indem man zum Beispiel die freien Berufe auch zur Gewerbesteuer heranzieht. Man muss sie damit nicht notwendigerweise belasten, wenn sie es dann mit der Einkommenssteuer verrechnen könnten. Das heißt, wir wollen lieber die Gewerbesteuer stabilisieren, als etwas anderes, was uns bisher aber auch noch keiner sinnhaft erklären konnte.

    Spengler: Ist denn so etwas wie die Gewerbesteuer nicht schon deswegen ungerecht, weil sie eben jene Kommunen benachteiligt, die vielleicht genauso hohe Kosten haben wie die Nachbargemeinde, aber eben nicht so viel Gewerbe?

    Landsberg: Das ist richtig, aber dafür gibt es eigentlich den kommunalen Finanzausgleich auf der Landesebene. Das ist Aufgabe der Länder, das auszugleichen. Ich sage ja auch nicht, das ist die Super ideale Steuer. Ich sage nur, es ist eine wichtige Steuer, sie bringt immerhin brutto 38 Milliarden im letzten Jahr, und jeder, der sie abschaffen will, der muss uns sagen, wo denn das Geld dafür herkommen soll.

    Spengler: Zum Beispiel durch eine Beteiligung an der Umsatzsteuer. Das würde Ihnen doch mehr Sicherheit geben.

    Landsberg: Ich glaube aber nicht, dass die jetzige Regierung auch nur ansatzweise bereit wäre, die Umsatzsteuer um vier Prozentpunkte zu erhöhen. Das ist ja eine Riesensumme. Da wird immer etwas entwickelt, aber das muss dann auch finanziell unterlegt werden.

    Spengler: Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Danke für das Gespräch, Herr Landsberg.

    Landsberg: Bitte schön, Herr Spengler!