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Des einen Tod, der anderen Freud'

Astronomie. - Bei Schwarzen Löchern kommen die Astronomen in dieser Woche aus dem Staunen nicht heraus. Erst haben US-Forscher von überraschend vielen Schwarzen Löchern in der Frühphase des Kosmos berichtet. Und nur einen Tag später schildern andere Astronomen im Fachmagazin "Science", wie sie Zeuge eines besonderen kosmischen Fressens geworden sind.

Von Dirk Lorenzen | 17.06.2011
    Andrew Levan, Astronom an der Universität von Warwick in England, wird nie vergessen, was er und seine Kollegen am 28. März dieses Jahres beobachtet haben:

    "Im Sternbild Drache war ein extrem heller Blitz aus Gammastrahlung aufgeflammt.
    What we then saw is, that it repeated four times over the course of the next 48 hours which is utterly unheard of."

    Im Laufe der folgenden 48 Stunden war die helle Gammastrahlenquelle weitere vier Mal aufgetaucht, was es nie zuvor gegeben hat. Den Forschern war sofort klar, dass sie einen ganz großen Fang im Kosmos gemacht hatten. Sie alarmierten umgehend die Kollegen in aller Welt und binnen Tagen waren fast alle verfügbaren Teleskope auf diese Explosion gerichtet, die sich mitten im Zentrum einer ansonsten völlig unscheinbaren Galaxie ereignet hatte. Im Zentrum dieser Galaxie vermuten die Astronomen ein Schwarzes Loch, das einige Millionen mal so viel Masse hat wie die Sonne.Levan:

    "Offenbar ist ein Stern dieser Galaxie zu nah an das Schwarze Loch heran gewandert und auseinander gerissen worden. Dabei sind große Teile des Sterns ins Schwarze Loch gestürzt. Die Materie ist hell aufgeleuchtet und es haben sich zwei energiereiche Strahlungskegel gebildet. Einer dieser Kegel zeigt genau Richtung Erde und so haben wir einen einzigartigen Blick auf dieses Ereignis. Es hat einige Tage gedauert, bis das Schwarze Loch das meiste Material verschluckt hatte. Bis alle Reste verschwunden sind, vergehen sicher noch Monate. Dieses Objekt zeigt sich selbst heute noch als helle Strahlungsquelle am Himmel."

    Fast alle Galaxien haben ein sehr massereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum – auch in der Mitte unserer Milchstraße gibt es so ein Objekt. Zwar gelten Schwarze Löcher in Science-Fiction-Filmen stets als gefräßige Monster, die laufend Unmengen an Sternen verschlingen. Doch tatsächlich fristen die meisten ein eher ruhiges Dasein im Kosmos, erklärt Andrew Levan.

    "Es ist sehr selten, dass ein Schwarzes Loch auf diese Weise einen Stern verschlingt. Zwar gibt es in allen Galaxien viele Sterne, aber die laufen in großem Abstand um das Schwarze Loch herum. Für so ein Ereignis muss ein Stern dem Schwarzen Loch sehr nahe kommen – das passiert vielleicht alle Million Jahre einmal. Damit wir das über eine so große Entfernung mitbekommen, muss dann auch noch ein Strahlungskegel genau zu uns zeigen. Das passiert in jeder Galaxie allenfalls einmal in zehn oder 100 Millionen Jahren."

    Die Astronomen können ihr Glück kaum fassen. In einer bisher absolut unauffälligen Galaxie in fast vier Milliarden Lichtjahren Entfernung verschlingt ein Schwarzes Loch einen Stern. Doch die Strahlung ist so hell, dass die Forscher mit einer Vielzahl von Teleskopen Zeuge des kosmischen Fressens werden. Levan:

    "Mehr als zehn Instrumente beobachten dieses Objekt. Die Daten der Radiowellen, im sichtbaren Licht und von der Röntgen- oder Gammastrahlung ergänzen sich ideal. So bekommen wir ein sehr umfassendes Bild dessen, was dort vor sich geht. Die Beobachtungskampagne dauert noch an. Die künftigen Daten werden zeigen, wie gut unsere Modelle sind. Wir wollen genau verstehen, wie das Schwarze Loch den Stern verschlungen hat, wie dabei der Stern zerfetzt wurde und wie die energiereiche Strahlung entstanden ist. Es bleibt viel zu tun. Bei diesem Objekt stehen wir erst ganz am Anfang."

    Wenn es heute Abend dunkel geworden ist, steht das kosmische Fressen im Sternbild Drache an unserem Himmel fast genau im Zenit. Mit bloßem Auge ist nichts zu erkennen – aber weltweit werden viele Instrumente diese Stelle im Blick haben, um auch noch zu verfolgen, wie das Schwarze Loch die letzten Krümel verspeist.