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"Des Teufels General"

Ich trinke auf Friedrich Eilers, den ersten Brillantenträger der Kampfflieger. Prost. - Auf General Harras! – Ich darf mir wohl erlauben: auf den Führer! – Prost mit nem leeren Glas. Der Führer ist Abstinenzler.

Von Peter W. Jansen | 23.02.2005
    Bei dem Umtrunk im Dezember 1941 stoßen sie weniger miteinander an als aufeinander: der Fliegergeneral Harras und der SS-Gruppenführer Schmidt-Lausitz. Harras ist alles andere als ein Freund der Nazis, aber Schmidt-Lausitz will ihn unbedingt zu sich, zur SS, zu einer Luftwaffen-SS herüberziehen.

    Ich weiß, Sie mögen den Parteibetrieb nicht. Ich weiß aber auch, dass Ihnen die Monokelfritzen vom Generalstab noch viel weniger sympathisch sind. Sie verabscheuen Konvention, Sie sind volkstümlich. Ja, Sie haben das Zeug zum Volksgeneral. Kommen Sie zu uns, bei uns ist Ordnung, Macht, Zukunft.

    Harras ist in Schwierigkeiten, weil die neuen Kampfflugzeuge, für die er als Generalfeldzeugmeister der Luftwaffe Verantwortung trägt, nicht einsatzfähig sind. Als dennoch einige dieser Maschinen für den Fronteinsatz freigegeben werden, kommt sein Freund Eilers ums Leben. Jetzt will Harras selbst einen Testflug machen. Sein Chefkonstrukteur Karl Oderbruch - und auch mit ihm ist Harras befreundet - muss, um den Absturz zu vermeiden, zu erkennen geben, dass er den Konstruktionsfehler kennt. Harras stellt ihn zur Rede.

    Für wen tust du das? Für die Engländer? Für Russland? – Für Deutschland. – Wie bist du denn darauf gekommen? Du hast dich doch nie um Politik gekümmert. Es geht dir gut seit 33, besser als vorher. Du hast keine Jüdin zur Frau. Was war denn der Grund? – Kein persönlicher. Ich habe eines Tages angefangen mich zu schämen, dass ich ein Deutscher bin. Dass im Namen des Volkes, also auch in meinem Namen, so viel Unrecht geschieht. Anderen Völkern und vor allem dem meinen.

    Carl Zuckmayer hat das Theaterstück "Des Teufels General", das dem Film von Helmut Käutner zugrunde liegt, 1942 im amerikanischen Exil geschrieben. Die Uraufführung fand im Dezember 1946 in Zürich statt, und dann dauerte es ein ganzes Jahr, ehe eine deutsche Bühne, das Deutsche Schauspielhaus Hamburg, eine Aufführung wagte. Das lag nicht etwa an der Figur des General Harras. Denn dessen Motive, mitzumachen beim Aufbau einer hochgerüsteten Militärmacht, galten im Deutschland nach dem Krieg als honorig.

    Seien wir doch mal ehrlich: als die 33 drankamen, haben wir doch ganz genau gewusst, dass ein kleiner Weltkrieg angerichtet wird. Aber ne Luftwaffe ohne mich? Ne, det hätt ich nicht ausgehalten. Ich bin Flieger…

    Anstoß für Zuckmayer, den General Harras zu gestalten, war das Schicksal des deutschen Fliegers Ernst Udet gewesen, des Generalfeldzeugmeisters der Luftwaffe. Helmut Käutner:

    Er kannte Udet persönlich sehr gut. Udet bezeichnete sich damals immer als Luftclown. Von da aus ist die Figur angelegt, und ich habe sie ein bisschen mehr als Zuckmayer auch wieder nach dahin zurückgeführt.

    Die Mehrheit der Deutschen zumal im Westen der Nation hat sich lange sehr schwer getan mit der Widerstandsbewegung innerhalb der Wehrmacht. Kein Wunder, dass zur umstrittenen Figur von Schauspiel und Film "Des Teufels General" nicht dieser General selbst, sondern der Oberingenieur Oderbruch wurde. Zuckmayer sah sich sogar zu einer Art von Rechtfertigung genötigt, indem er auf die eigene Konfliktsituation verwies, als Deutscher die Niederlage Deutschlands wünschen zu müssen.

    So ist es für jemanden, der in seinem tiefsten Herzen ein Patriot ist, wirklich ein Zustand ganz tiefer Verzweiflung. So entstand Oderbruch als ein Ausdruck dieser Verzweiflung und dieses inneren Kampfes.

    Sowohl in Zuckmayers Stück als auch in Käutners Film sind die Konfliktfiguren ambivalente Gestalten. Es wird nicht einfach schwarz-weiß gezeichnet. Sie ist für uns heute nur schwer verständlich, die ungewöhnlich verhalten reagierende zeitgenössische Kritik. Immerhin löste der Film nach seiner Premiere am 23. Februar 1955 politische Debatten aus, vor denen man sich in Deutschland bis dahin gedrückt hatte. Und dann konnte Käutners Film als erster deutscher Film der Nachkriegszeit internationale Anerkennung finden. Was nicht zuletzt einer bewundernswerten Schar von Schauspielern zu danken war, unter ihnen Karl John als Oderbruch, Viktor de Kowa als Schmidt-Lausitz, die blutjunge Debütantin Marianne Koch als Schauspielelevin Dido, die letzte Liebe des General Harras. Mit dieser Rolle ist Curd Jürgens der Durchbruch zu seiner internationalen Karriere gelungen. Er hatte freilich nicht nur einen starken Auftritt, er durfte auch einen starken Abgang haben.

    Wer auf Erden des Teufels General war und ihm die Bahn gebombt hat, muss ihm auch Quartier in der Hölle machen. (Flugzeugabsturz)