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Detektivarbeit mit offenen Karten

Das wichtigste Werkzeug des Informationsbrokers ist der PC. Auf Kundenanfrage recherchiert er im Internet und durchforstet Datenbanken. Er führt Interviews am Telefon und befragt Bibliotheken. Am Ende packt er sein Wissen in elektronische Dateien und verschickt sie so wie der Auftrag gekommen ist: per Mail.

Von Michael Braun | 01.11.2005
    Ein eigenes Unternehmen auf gut 30 Quadratmeter erschließt sich Bernd Künstler jeden Morgen, wenn er ins Darmstädter Technologiezentrum kommt. Mit einer früheren Kommilitonin hat sich der 41 Jahre alte Mann nach acht Berufsjahren in einer Unternehmensberatung schließlich als Informationsbroker selbstständig gemacht. Seit nunmehr fünf Jahren Selbstständigkeit morgens der erste Schritt: Computer hochfahren und E-Mails prüfen:

    " Da haben wir neue Anfrage von unserem Kunden. Da geht es um Bremsbeläge für Schienenfahrzeuge, den ruf ich mal an! "

    Bernd Künstler arbeitet fast ausschließlich für Unternehmen, nicht für Studenten oder private Interessenten. Jetzt ruft er also den Vertriebschef einer Firma an. Die will Bremssysteme für Schienenfahrzeuge liefern. Grobe Vorkenntnis des Marktes ist vorhanden, aber es fehlen die Details: Wer sind die Anbieter welcher Produkte, wer sind die Kunden, wie sind die Umsätze, wie die Gewinne. Das will der Kunde wissen. Künstler schätzt den Rechercheaufwand ab, macht dem Kunden ein Angebot und legt los.

    " Unsere Werkzeuge: Alles, was mit PC zusammenhängt, Internet, Datenbanken, Produktverzeichnisse, Interviews über Telefon, Bibliotheken. "

    " Gehen Sie auch raus? Was unterscheidet Sie vom Detektiv?"

    " Wir versuchen, alles mit offenen Karten zu machen. Nicht Wirtschaftsspionage, um die Ecken schleichen, Berufsethik, nur öffentlich zugängliche Infos oder die bezahlt werden. "

    Künstler und seine Partnerin Patrizia Galbucci haben in Darmstadt studiert. Den Lehrstuhl für Informationswirtschaft an der Fachhochschule hat nun Professor Martin Michelson inne. Die Nachfrage nach Studienplätzen ist groß, fünfmal höher als das Angebot. So vielfältig wie die Nachfrage müssen die Lehr- und Lerninhalte sein:

    " Wir sind sehr stark interdisziplinär. Unser Kollegenkreis sind Physiker, Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler, Informatiker, interdisziplinär. "

    " Wie sind die Berufsaussichten? "

    " Es gibt einen kleinen Unterschied: Die größeren Unternehmen wissen, was wir tun. Diese Branchen sind wichtig als Abnehmer unserer Studenten. Wir haben noch Probleme bei kleineren Unternehmen klarzumachen, dass es lohnt, unsere Absolventen einzustellen, weil es dem Unternehmen hilft."

    " Bis Anfang des Jahrhunderts war der Markt sehr gut. Es hat, sicherlich wie in anderen Bereichen auch, ist es derzeit etwas schwieriger. Bis 2001 fanden alle Absolventen schnell einen Arbeitsplatz. Im Moment ist es schwerer, muss man zugeben. Die großen Abnehmer (Banken, Berater) sind selbst am Sparen. Aber wir versuchen, das zu ändern. Wir haben gute Kontakte, und die bauen wir auch aus. "

    In seinem Büro im Technologie- und Informationszentrum hat Bernd Künstler den Auftrag abgeschlossen. Er weiß nun, wer die Anbieter für Bremssysteme bei Schienenfahrzeugen sind, kennt die Kunden, die Umsätze, die Marktprognosen. Er packt sein Wissen in elektronische Dateien und verschickt sie so wie der Auftrag gekommen ist: per Mail. Drei Tage hat er dafür gearbeitet. Die Stundensätze bei Informationsbrokern lägen zwischen 30 und 150 Euro, seine Firma Information Experts mittendrin, erzählt er. Lohnt sich das Geschäft und macht es Freude?

    " Das Fachliche ist ungemein spannend. Viele unterschiedliche Themen. Man lernt hinzu. Das macht Beruf interessant. Aber es ist immer noch so, dass viele nicht wissen, was wir machen. Und wir haben immer noch das Problem, dass viele Unternehmer nicht einsehen, dass sie für Informationen bezahlen müssen. Das sind die zwei Seiten des Berufsfeldes."