Donnerstag, 25. April 2024

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Deutsch-chinesische Konsultationen
"Die Chinesen müssen Teile ihrer Strategie ändern"

Die Abschottungspolitik der USA könnte nach Einschätzung des DIHK-Hauptgeschäftsführers Martin Wansleben zu Veränderungen in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen führen. Für eine bessere Zusammenarbeit müsse das Land aber seine "China first"-Politik überdenken, sagte Wansleben im Dlf.

Martin Wansleben im Gespräch mit Dirk Müller | 09.07.2018
    24.05.2018, Peking, China: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht bei einer Pressekonferenz in der Großen Halle des Volkes neben dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang.
    Im Mai 2018 steht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Pressekonferenz in der Großen Halle des Volkes neben dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang. Nun kommt der chinesische Regierungschef nach Deutschland. (picture-alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Dirk Müller: Handelskrieg mit Europa, Handelskrieg mit China – Donald Trump hat mit seinen Schutzzöllen und Strafzöllen kräftig vorgelegt. Auch die Chinesen haben dann am Ende umgehend geantwortet, Strafmaßnahmen gegen die Amerikaner: 25 Prozent höhere Zölle im Wert von 40 Milliarden Euro. Der US-Präsident wiederum hat damit gedroht, die Daumenschrauben noch härter anzudrehen. Die Spirale könnte sich also weiterdrehen. Da liegt es nahe, dass die beiden Geprellten sich zusammentun. Der chinesische Regierungschef Li trifft heute in Berlin die Kanzlerin. Vielleicht rücken sie enger zusammen.Europa und China, Deutschland und China – sollen, müssen beide enger zusammenrücken, zusammenarbeiten, eine Demokratie mit einem knallharten Ein-Parteien-Regime, ein liberales Wertesystem mit einer fernöstlichen Autokratie, oder wie man das immer auch bezeichnen soll? – Am Telefon ist nun Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Guten Morgen.
    Martin Wansleben: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Wansleben, passt das?
    Wansleben: Ja, was passt jetzt schon gerade? Ich glaube, dass Herr Trump uns dazu zwingt, von vielem von dem, was wir gewohnt waren, so zu haben, Abschied zu nehmen und uns selbst von Bisherigem zu emanzipieren. Um das konkret zu machen: Wir müssen Europa wieder in Schuss kriegen. Das stellen wir jetzt fest. Und die Chinesen merken auch, dass es nicht so ganz einfach wird auf der Welt, wenn Märkte wie die USA sich zunehmend schließen. Das heißt, auch China wird überlegen müssen, von seiner Politik "China First!", "China Only!" – da nehmen die sich ja nicht so ganz viel mit den Amerikanern – Abschied zu nehmen, wenn sie wirklich Verbündete brauchen, und da gibt es viele Felder: China, Europa, Afrika, Indien. Es ist eine ganze Menge auf der Tagesordnung und das wird auch für die Chinesen einige Änderungen bringen.
    "Politik und Wirtschaft besser voneinander trennen"
    Müller: Aber so richtig wohl fühlen Sie sich dabei nicht?
    Wansleben: Ja, da haben Sie recht. Mit Amerika hatten wir bislang einen guten Partner, mit dem wir ja mehr geteilt haben – Sie haben es ja eben in der Anmoderation gesagt – als nur wirtschaftliche Verbundenheit. Wenn jetzt Herr Trump ernst meint – und man hat ja inzwischen den Eindruck, man muss alles ernst nehmen, was er ankündigt -, dann wird sich da viel verändern. Nur dann verlieren wir zumindest einen engen wirtschaftlichen Partner.
    Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags
    Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (Deutscher Industrie und Handelskammertag / Jens Schicke)
    Müller: Sie haben auch immer gesagt, Herr Wansleben, in vielen Gesprächen hier mit dem Deutschlandfunk: Menschenrechtspolitik, die politische Situation allgemein, das Wertesystem, das ist auch für Sie wichtig, das ist für viele Unternehmen wichtig, weil es auch immer wieder Kritik gibt, weil es ja immer wieder auch Druck gibt. Das ist ja äußerst unangenehm. Dennoch sind die Investitionen ja rasant nach oben geschossen, auch die Gewinne deutscher Unternehmen in China. Heiligt dann letztendlich doch das Geld die Mittel?
    Wansleben: Sie sprechen den Zwiespalt an. Was wir aber jetzt erleben ist: Es wäre gut gewesen, von vornherein Politik und Wirtschaft besser voneinander zu trennen. Ich fange bewusst bei den Sanktionen mit Russland an – schwieriges Thema, politisch auch ein schwieriges Thema. Aber immer dann, wenn Politik Wirtschaft zum Faustpfand nimmt, kommt es dazu, dass Verbindungen komplett gekappt werden. Das sehen wir jetzt leider bei Amerika. Dort wird die Macht Amerikas genutzt, um politische und wirtschaftliche Themen durchzusetzen. Auch hier wird Wirtschaft als Faustpfand genommen. Ich glaube, wir sind jetzt wieder an dem Punkt, wo dieser Begriff "Wandel durch Handel" eine ganz neue Ernsthaftigkeit bekommt. Wir plädieren schon sehr dafür, es besser zu trennen. Aber keine Frage: Keinem ist egal, in welchem Land er wie operiert.
    Müller: Ist das ein bisschen so wie Putin hart zu kritisieren, zu sanktionieren und trotzdem dort Fußball zu spielen?
    Wansleben: Das Fußball-Thema sollten wir jetzt mal komplett draußen halten. Wenn wir jetzt auch noch den Sport politisieren, dann reden wir gar nicht mehr miteinander.
    "Nichts ist besser als eine solide gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit"
    Müller: Nein, als Beispiel jetzt gefragt, im übertragenen Sinne. Das heißt, die Politik muss nach wie vor die politische harte Auseinandersetzung, kritische Auseinandersetzung führen, aber die Wirtschaft soll Wirtschaft machen?
    Wansleben: Ja! Das wäre besser. Nehmen wir es mal am Beispiel Russland. Nichts ist besser als eine solide gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit. Ich weiß um die Ambivalenz dieser Aussage, gerade auch im Hinblick auf die Sanktionen, überhaupt keine Frage. Keine Illusionen sind da angebracht. Aber ich glaube, wir haben Grund dazu, nachdenklich zu werden, wie gehen wir vor, denn die Amerikaner zeigen uns gerade leider, wenn man Wirtschaft und Politik so vermengt, was dann da für ein Kuddelmuddel herauskommt und welcher Flurschaden weltweit entsteht.
    Müller: Aber das würde bedeuten, Herr Wansleben, Sie sagen indirekt, die Wirtschaft macht die Politik besser?
    Wansleben: Nein, das sage ich nicht, sondern ich sage: Wenn wirtschaftliche Verbindungen bestehen, dann hat man wenigstens Verbindungen. Wenn man so agiert, wenn ich das extrem formuliere, was die Amerikaner machen, "Willst Du nicht mein Bruder sein, so schlage ich Dir den Schädel ein", dann hat man überhaupt keine Verbindungen auf Dauer, und das hilft keinem.
    Müller: Jetzt haben wir die wirtschaftlichen engen Verbindungen mit China. Wenn wir das richtig gelesen haben, ist China ja seit zwei Jahren der wichtigste Handelspartner, vor den Niederlanden und den USA.
    Wansleben: Stimmt!
    Müller: Eine erstaunliche Entwicklung. Und dennoch hat sich politisch dort nicht viel in unserem Sinne getan. Wir haben die Stichworte eben genannt.
    Wansleben: Ja.
    "Chinesen müssen anfangen, ihre eigene Politik zu verändern"
    Müller: Aber ein klares Plädoyer von Ihrer Seite, das weiter auszubauen?
    Wansleben: Ein klares Plädoyer, das weiter auszubauen, und jetzt kommt ein großes Aber: Das Beispiel, was wir jetzt erleben anhand von Amerika, zeigt aber auch, dass die Chinesen anfangen, ihre eigene Politik verändern zu müssen. Wir erleben das im Moment kommunikativ. Es gibt eine große Kommunikationsoffensive in Richtung Europa, auch in Richtung Deutschland. Dort hat man gute Gespräche mit den Politikvertretern. Das muss man schon mal sagen. Aber es ist gar keine Frage: Die Chinesen müssen Teile ihrer Strategie auch ändern, denn sie hatten ja sehr stark die Strategie, dass man ab 2025 überwiegend in China produzieren muss und nicht mehr wirklich dorthin exportieren darf. Diese Politik wird sich ändern müssen, wenn eine bessere Zusammenarbeit zwischen Europa und China möglich sein soll.
    Müller: Das hat Li ja auch schon angedeutet, die vielen Kritikpunkte, die es dort gibt, wenn wir das jetzt rein unternehmerisch oder wirtschaftlich betrachten, dass die Märkte doch nicht offen sind, dass die Marktzugänge manipuliert werden, dass andere chinesische Unternehmen immer irgendwie dabei sein müssen, dass die deutschen Unternehmen als Beispiel sich da nicht voll entfalten können. Ist das wirklich relevant? Spüren das die deutschen Unternehmen?
    Wansleben: Das ist relevant bis hin zum Thema Internet. Wenn Sie dort ein Unternehmen haben und Sie können nicht selbstverständlich meinetwegen die Buchhaltung integrieren in die Konzernbuchhaltung, um mal ein ganz normales Beispiel zu nehmen, dann hat das schon Auswirkungen. – Ich glaube, die Chinesen wissen das. Wir sind selber in einem sehr intensiven Dialog mit der chinesischen Seite. Denen ist das bewusst und vielleicht führt ja das amerikanische, leider muss man sagen, schlechte Beispiel dazu, dass sich manches verändert auch im Verhältnis zwischen China und Europa.
    Müller: Raubkopieren, das war auch immer ein Schlagwort in den vergangenen Jahren.
    Wansleben: Ja, aber da gibt es noch mehr.
    Müller: Schutz des geistigen Eigentums, auch immer noch in der Praxis ein großes Problem.
    Wansleben: Es ist die ganze Bandbreite. Die Chinesen haben ja auch riesen Herausforderungen im Inland. Das heißt, sie versuchen, auch ihre Interessen und ihre Probleme zu lösen. Da muss man sich gar keine Illusionen machen. Aber jetzt stehen wir vor der Wahl: Fällt die Handelswelt auseinander, oder schaffen die anderen es doch noch, so was wie die WTO weiterzuführen? Die anderen, das sind dann Südamerika, Kanada, China, Russland darf man nicht vergessen, und Indien und Europa natürlich, um diese Länder aufzuzeigen.
    "Kaufen ist überhaupt nicht verboten"
    Müller: Jetzt haben wir, Herr Wansleben, relativ viel in Richtung China gesprochen, deutsche und europäische Unternehmen in China. Umgekehrt, China in Europa, das ist ja die Gegenseite der Medaille. Da hätten viele, auch Politiker noch vor einigen Jahren gesagt, Vorsicht vor der feindlichen Übernahme Chinas. Gilt das immer noch?
    Wansleben: Ich meine, die Diskussion gibt es ja, wer übernimmt da was. Es gibt ja auch die Diskussion, dass man seitens der Bundesregierung genauer hingucken will, wenn chinesische Unternehmen in Europa Unternehmen kaufen. Gerade auch hier in Deutschland kennen wir ja einige Beispiele. Das ist keine Frage: Auch hier brauchen wir mehr Transparenz und eine bessere Zusammenarbeit. Was wir erleben ist, dass es da ein gewisses Vertrauensdefizit gibt. Das brauchen wir jetzt dringend, um besser zusammenzuarbeiten.
    Müller: Kaufen ist ja nicht verboten.
    Wansleben: Kaufen ist überhaupt nicht verboten. Wir investieren ja auch in China.
    Müller: Das heißt, Sie haben nichts dagegen, wenn die Chinesen noch mehr investieren? Das ist gut für uns?
    Wansleben: Jetzt muss man immer unterscheiden, wer investiert warum und wie. Da muss man immer fein unterscheiden. Grundsätzlich ist es gut, wenn Unternehmen in einem anderen Land investieren können. Wir investieren in der ganzen Welt und es ist völlig in Ordnung, wenn unsere Wettbewerber und unsere Partner, in diesem Falle China, in Deutschland oder in Europa investieren können. Wer will was dagegen haben!
    "Vertrauen auch in schwierigen Situationen aufbauen"
    Müller: Egal wer das ist? China auch?
    Wansleben: Na ja, jetzt mal aufpassen. Vorsicht! Wenn ein Chinese hier in Deutschland investiert, ist er im deutschen Rechtsraum oder im europäischen Rechtsraum aktiv. Dann kann er nicht einfach deutsches Recht und europäisches Recht mit Füßen treten. Also immer Achtung! Die bringen ja nicht ihr chinesisches Rechtssystem mit nach Deutschland oder nach Europa.
    Müller: Aber immer mehr politischen Einfluss dadurch.
    Wansleben: Das ist genau der Punkt. Deswegen sage ich: Die Frage ist immer, wer was aus welchen Motiven kauft, und das ist eine Aufgabe, gar keine Frage, der chinesischen Regierung, in diese Fragen mehr Vertrauen hineinzubringen. Das Beispiel Amerika zeigt, was es bedeutet, wenn Unsicherheiten statt Vertrauen entstehen, und jetzt kann Europa - im Übrigen auch innerhalb Europas -, Europäer und Chinesen zeigen, dass man Vertrauen auch in schwierigen Situationen aufbauen kann und damit wieder mehr Investitionen in China und Europa zulassen kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.