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Deutsch-israelische Forschungskooperation
Wissenschaftler als Pioniere der Annäherung

Der Holocaust war gerade erst 14 Jahre her, als israelische und deutsche Wissenschaftler im Dezember 1959 eine Kooperation vereinbarten. Zunächst ging es dabei ausschließlich um Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften.

Von Christiane Habermalz | 11.09.2015
    Die Universität Beerscheva "Ben-Gurion University of the Negev"
    Die Universität Beerscheva "Ben-Gurion University of the Negev" (picture alliance / dpa)
    Es war eine Dienstreise, die Geschichte schrieb. Im Dezember 1959 reiste eine Delegation der Max-Planck-Gesellschaft, darunter ihr Präsident, der Chemie-Nobelpreisträger Otto Hahn, nach Israel. Empfangen wurden sie von Wissenschaftlern des Weizmann-Instituts, zuvorderst dem Physik-Professor Amos de-Shalit – es war der Beginn einer offiziellen Wissenschaftskooperation zwischen beiden Ländern.
    Der Holocaust war gerade 14 Jahre her, und an reguläre politische Beziehungen war noch nicht zu denken. Doch in der Wissenschaft waren bereits zwei Jahre zuvor vorsichtig erste Fäden geknüpft worden, die nun zu diesem Treffen führten – Wissenschaftler als Pioniere der Annäherung.
    Die Initiative ging von Israel aus. Dabei hatten sich die deutschen Wissenschaftsorganisationen in der NS-Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das galt für die Vorgängerorganisation der Max-Planck-Gesellschaft, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, ebenso wie für die "Notgemeinschaft", aus der nach dem Krieg die Deutsche Forschungsgemeinschaft hervorging, hob deren Präsident Peter Strohschneider hervor.
    "Bereits im Mai 1933 wurde die erste jüdische Mitarbeiterin aus der Geschäftsstelle der 'Notgemeinschaft' entlassen, jüdische Wissenschaftler wurden von der Forschungsförderung ausgeschlossen, später forderte die 'Notgemeinschaft' Forschungsprojekte, die radikal unethisch und inhuman waren."
    Heute arbeiten israelische und deutsche Universitäten in vielen Bereichen eng zusammen. Die DFG förderte seitdem – zumeist über ihre Tochter-Gesellschaft, die Minerva-Stiftung – 600 Einzelprojekte und 65 Projektkooperationen im Rahmen eines speziellen Exzellenzprogramms. Seit 1973 findet die Zusammenarbeit im politischen Rahmen eines offiziellen Kooperationsabkommens beider Wissenschaftsministerien statt.
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka: "Der DAAD förderte allein im vergangenen Jahr über 400 deutsche Studierende und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die zu Studienzwecken nach Israel gingen, und, fast genauso viele, 300 junge Israelis, die nach Deutschland kamen und hier studierten und forschten. Und es gibt 175 Partnerschaften von deutschen und israelischen Hochschulen."
    Zusammenarbeit hatte wissenschaftliche und politische Komponente

    Rückblickend ist das alles andere als selbstverständlich. Als 1952 das Wiedergutmachungsabkommen zwischen Bonn und Tel Aviv geschlossen wurde, war die Stimmung noch sehr "frostig“, beschreibt Dan Diner, Historiker an der Hebrew-University in Jerusalem, in seinem Buch "Rituelle Distanz“ über die Annäherung zwischen beiden Staaten. Doch mit dem Zusammenschluss Europas in der Wirtschafts- und Atompolitik begann Israel, das selbst an Nuklearwaffen arbeitete, sich für den Austausch mit europäischen, auch deutschen Forschern zu interessieren. Die Zusammenarbeit habe von Anfang eine wissenschaftliche und politische Komponente gehabt, erklärt Diner.
    "Das ist eine doppelte Beziehung. Man darf nicht vergessen, die Bundesrepublik war auch sehr daran interessiert, mit Israel Wissenschaftsbeziehungen einzugehen, auch was die eigene Akzeptanz der deutschen Wissenschaft international anging. Das war in den 50er und 60er Jahren der Fall. Aber dann entdeckte man, dass es in Israel auch Bereiche gibt, in denen die israelische Wissenschaft, die israelische Forschung auch international führend ist."

    Doch es gab auch eine gemeinsame Tradition: Viele deutsch-jüdische Wissenschaftler hatten während der NS-Zeit Deutschland verlassen müssen. Zunächst war die Zusammenarbeit auf die Naturwissenschaften begrenzt.

    "Und da auch keine angewandten Wissenschaften, sondern nur Grundlagenforschung. Und das hat viele Gründe gehabt, vor allem aber, dass man den Kontakt untereinander auf das Minimalste beschränken wollte. Bei den Anwendungswissenschaften wären Techniker und Ingenieure dabei gewesen, das wollte man nicht. Es waren nur die Köpfe, die miteinander in Kontakt waren."

    Heute ist das längst anders: Inzwischen arbeiten auch Geisteswissenschaftler in vielen gemeinsamen Projekten zusammen. Vor zwei Jahren wurde ein erstes deutsch-israelisches Graduiertenkolleg eingerichtet. Doktorandinnen und Doktoranden aus beiden Ländern arbeiten zum Thema "Menschenrechte unter Druck – Ethik, Recht und Politik".