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Deutsch-Israelische Gesellschaft
"Palästinenser sollen Existenzrecht Israels anerkennen"

Mit seinem Bekenntnis zum Existenzrecht Israels habe der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman eine Realität anerkannt, meint der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Hellmut Königshaus. Die Hamas müsse sich dem anschließen, sagte er im Dlf. Das könne der Schlüssel zur Verbesserung der Lage im Gaza-Streifen sein.

Hellmut Königshaus im Gespräch mit Christine Heuer | 03.04.2018
    Der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, Hellmut Königshaus
    Der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, Hellmut Königshaus (picture alliance /dpa /Bernd von Jutrczenka)
    "Wer Realitäten anerkennt, wer insbesondere anderen nicht das Existenzrecht abspricht, der kann natürlich auch im Rahmen einer vertraglichen Regelung auch mit einer vernünftigen zukünftigen Friedensregelung rechnen", kommentierte Königshaus das Interview, das der saudische Kronprinz dem US-amerikanischen Magazin "The Atlantic" gegeben hat.
    "Die Hamas bestreitet ja bis heute und sehr vehement das Existenzrecht Israels", sagte er weiter. Die Palästinenser müssten das Existenzrecht Israels anerkennen, wie es in den unter Jassir Arafat ausgehandelten Friedensverträgen vorgesehen sei. "Wenn das jetzt umgesetzt würde, dann gäbe es, glaube ich, keine Probleme. Das entscheidende Problem ist: Es schaut eben dort niemand vorwärts, alle schauen dort zurück."
    Israel habe sich seinerseits in der Vergangenheit bereit gezeigt, "wenn es denn Aussichten auf Frieden, auf ein vernünftiges Zusammenleben gibt, dann auch für Israel selbst schmerzhafte Schritte zu gehen", sagte Königshaus.
    Meinung des Kronprinzen oder des ganzen Landes?
    Ob das Bekenntis des saudischen Prinzen für ganz Saudi-Arabien gelte, sieht der Präsident der Deutsch-Israelischen skeptisch:
    "Mit Saudi-Arabien hätte Israel natürlich einen starken Partner an der Seite, wenn es denn tatsächlich auch die gesamtpolitische Auffassung ist und nicht nur die des Kronprinzen. Denn er ist ja nur eine Person, und die saudische Gesellschaft ist ja noch nicht ganz so weit, glaube ich."

    Sabine Heuer: Am Telefon begrüße ich den Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Hellmut Königshaus. Guten Morgen!
    Hellmut Königshaus: Schönen guten Morgen, Frau Heuer!
    Heuer: Wie finden Sie das, was der saudische Prinz da heute dem Magazin in den USA gesagt hat. Hat Sie das überrascht?
    Königshaus: Nein, eigentlich nicht, weil das ist ja eine sehr vernünftige Position. Das ist ja auch das, was eigentlich wir auch immer wieder sagen, auch in Deutschland, aber was auch eigentlich in Israel ja seit Jahrzehnten gesagt wird.
    Heuer: Aber die Saudis haben das ja anders gesehen, Herr Königshaus.
    Königshaus: Die haben das immer anders gesehen, richtig. Was die Motive sind, das nun vernünftig zu sehen, das weiß ich nicht. Man kann sich das denken, Herr Kühntopp hat das ja eben auch angedeutet. Aber entscheidend ist, die Position ist die richtige. Wer Realitäten anerkennt, wer insbesondere anderen nicht das Existenzrecht abspricht, der kann natürlich auch im Rahmen einer vertraglichen Regelung auch mit einer vernünftigen zukünftigen Friedensregelung rechnen. Nur das Problem ist eben, dass genau das ja, wie wir gerade sehen, eben nicht der Fall ist aufseiten der Palästinenser. Die Hamas bestreitet ja bis heute und sehr vehement das Existenzrecht Israels.
    Heuer: Aber immerhin, Saudi-Arabien bewegt sich, das ist ja ein starkes Pfund. Kann daraus konkret jetzt tatsächlich so etwas wie eine Wiederbelebung des Friedensprozesses erwachsen?
    Königshaus: Man kann das nur hoffen. Denn mit Saudi-Arabien hätte Israel natürlich einen starken Partner an der Seite, wenn es denn tatsächlich auch die gesamtpolitische Auffassung ist und nicht nur die des Kronprinzen. Denn er ist ja nur eine Person, und die saudische Gesellschaft ist ja noch nicht ganz so weit, glaube ich.
    Heuer: Kann man das konkret vorantreiben, haben Sie dafür einen Vorschlag?
    Königshaus: Nein. Wie man mit Saudi-Arabien umgehen soll, das, glaube ich, sollten andere entscheiden, die dort auch mehr wissen dazu. Ich meine aber, dass Israel jedenfalls, und dort, glaube ich, kennen wir uns etwas besser aus, jedenfalls auch in der Vergangenheit ja bereit war, gerade der Gazastreifen ist ja ein solches Beispiel, wenn es denn Aussichten auf Frieden, auf ein vernünftiges Zusammenleben gibt, dann auch für Israel selbst schmerzhafte Schritte zu gehen. Als der Gazastreifen geräumt wurde, ging man davon aus, dass man Dinge, wie man sie jetzt am Wochenende erlebt haben, eben nicht erleben wird. Stattdessen wird Israels Existenz immer wieder von dort bedroht.
    "Israel fühlt sich von UNO beleidigt"
    Heuer: Schmerzhaft waren ja die Ereignisse vom Karfreitag jetzt zunächst mal vor allen Dingen für die Palästinenser. Die israelischen Soldaten haben auf Demonstranten im Gazastreifen geschossen. Haben Sie dafür Verständnis, Herr Königshaus?
    Königshaus: Im Gegensatz zu all denen, die das jetzt kommentieren, war ich nicht dabei und habe ich keine Erkenntnisse darüber, was dort konkret passiert ist. Ich weiß nur, dass die israelische Armee eben sehr deutlich gesagt hat, dass sie sich nur gewehrt hat gegenüber nicht Demonstranten, wie sie sagen, sondern gegen Gewalttäter, die versucht haben, die Grenze zu überschreiten oder israelische Soldaten beschossen haben.
    Heuer: Augenzeugen berichten, die Demonstranten seien 500 Meter von der Grenze entfernt gewesen, nämlich in einer von Israel eingerichteten Pufferzone. Also wenn das stimmt, kann es keinen direkten Angriff auf Israel gegeben haben, oder?
    Königshaus: Wenn es denn stimmt, dann nein. Aber das ist eben der Unterschied, auch in Israel, auch zu anderen Bereichen. Dort gibt es eine funktionierende Justiz, die diese Dinge auch untersuchen wird, wenn es denn dort zu solchen Verstößen gekommen sein sollte. In Israel werden Leute, die gegen geltendes Recht verstoßen, und das wäre es ja, von der Justiz verfolgt. Auf der palästinensischen Seite werden Straftäter, Terroristen, als Märtyrer gefeiert und sogar noch mit Märtyerrenten dann belohnt.
    Heuer: Aber eine Untersuchung hat Israel ja gerade abgelehnt, was die Karfreitagsgeschehnisse angeht. Die Vereinten Nationen hatten das angeregt. Und Israel sagt nein, auf keinen Fall.
    Königshaus: Israel sagt, wir haben eine funktionierende Justiz, und es ist eine Beleidigung, und das verstehe ich auch, wenn ausgerechnet in Israel, dem Land, das eben tatsächlich dann auch Straftaten verfolgt, wenn sie denn tatsächlich passiert sein sollten, dort eine internationale Untersuchung dann versucht wird, aufzudrängen, während nebenan Hunderttausende von Menschen ums Leben kommen und sich offenbar in der UNO kein Mensch drum kümmert und das untersucht.
    Heuer: Also, Herr Königshaus, Sie sagen uns heute Morgen, da hat Israel recht, die Vereinten Nationen beleidigen Israel?
    Königshaus: Ja. Israel ist beleidigt, habe ich gesagt, und fühlt sich beleidigt.
    "Es ging darum, schlimme Bilder zu provozieren"
    Heuer: Aber Sie sagen ja auch, zu Recht. Oder?
    Königshaus: Ja, natürlich. Der Eindruck, dass man Israel – wenn Sie einfach mal schauen, wie die Resolution, und wie viele Resolutionen sich mit Israel befassen im Weltsicherheitsrat, und wie wenig sich mit anderen, viel gravierenderen Krisenfällen – denken Sie nur an solche Dinge wie Syrien, denken Sie an die Kurden und andere Dinge. Haben Sie dort jemals eine solche intensive Begleitung durch den Weltsicherheitsrat gesehen?
    Heuer: Also gerade durch Syrien, ja, sehr wohl. Da gibt es ja haufenweise Versuche, Resolutionen und den Frieden zustande zu bringen.
    Königshaus: Durch die Türkei gibt es dort etwas... dass die Türkei in ein anderes Land einmarschiert ist... Also, ich kann mich daran nicht erinnern. Und deshalb glaube ich, dass Israel sich zu Recht in besonderer Weise immer wieder behandelt sieht. Ob es klug ist, eine solche Untersuchung nun abzulehnen, das ist eine Frage der Klugheit, aber ich sage eben nur, ich hab schon Verständnis dafür, dass Israel sich ungerecht behandelt fühlt, weil man eben immer wieder einseitig auch Israel als den Täter ansieht, und nicht diejenigen, die diese Demonstranten dort in diese Situation ja geschickt haben. Es ging ja darum, dort zu provozieren, es ging ja darum, genau das, was wir jetzt erleben, nämlich schlimme Bilder zu provozieren, um damit dann eben wiederum die Hamas und andere Kräfte dann in der Weltpolitik wieder in irgendeiner Weise nach vorn zu bringen, was in der Vergangenheit eben nicht der Fall war.
    Heuer: Herr Königshaus, das sagen Sie, und Sie sagen, die Hamas instrumentalisiert – also ich übersetze das mal eben und fasse das zusammen – die Hamas instrumentalisiert diese Proteste. Aber es waren da ja Zehntausende Menschen, also ganz normale Palästinenser, die im Gazastreifen in großem Elend leben und auch dagegen auf die Straße gehen wollen.
    Königshaus: Sie sind aber dazu aufgefordert worden. Und wer die Situation im Gazastreifen kennt – ich persönlich war nicht dort, aber ich habe entsprechende Berichte, und auch Sie kennen die ja wahrscheinlich – erlebt dort – es ist eben nicht so, dass man einfach frei sich dort entscheiden kann, was man tut. Und der entscheidende Punkt ist doch, es gab eine Situation, unmittelbar, die leider Arafat hinterher dann kaputt gemacht hat, dort konnten die Menschen sich frei bewegen zwischen dem Gazastreifen und der Westbank. Es gab florierenden Handel, es gab eine freie Beweglichkeit. Das alles ist durch die Hamas kaputt gemacht worden.
    "Die sollen das Existenzrecht Israels anerkennen"
    Heuer: Das alles ist lange her, Herr Königshaus. Ich würde gern mit Ihnen nach vorn schauen. Was schlagen Sie denn vor, damit es den Palästinensern besser geht und die Situation da etwas entschärft wird?
    Königshaus: Die sollen das Existenzrecht Israels anerkennen, genauso, wie das ursprünglich ja auch mal in den Friedensverträgen vorgesehen war – dafür hat Arafat ja ungerechtfertigter Weise, wie wir jetzt wissen, sogar den Friedensnobelpreis bekommen – wenn das umgesetzt worden wäre und wenn das jetzt umgesetzt würde – Sie wollen ja vorwärts schauen –, dann gäbe es, glaube ich, keine Probleme. Das entscheidende Problem ist eben, es schaut eben dort niemand vorwärts, und alle schauen dort zurück.
    Heuer: Aber wenn man das erreichen möchte, dass die Palästinenser einlenken, Herr Königshaus, ist es dann der richtige Weg, auf Demonstranten zu schießen? 18 Menschen sind da ums Leben gekommen, weit über 100 sind verletzt worden. Das schafft doch nur wieder neue Gewalt.
    Königshaus: Das weiß ich nicht. Der entscheidende Punkt ist doch, dass, wenn Israel dort eben durch die Angriffstunnel, durch Terroristen, die versuchen, über die Grenze zu kommen, und auch im Schutz und der Deckung eben von möglicherweise friedlichen Demonstranten, das ist doch der alte Trick, dass man eben aus der Menge heraus, das kennen wir auch aus Deutschland, aus solchen unfriedlichen Demonstrationen, aus der Menge heraus dann Gewalt verübt. Israel ist ein kleines Land. Das muss sich ja auch verteidigen können. Es ist leicht, hier vom Sofa aus in Deutschland dort seine Meinung zu geben. Entscheidend ist, Israel und die israelische Regierung muss eben auch die Sicherheit und das Überleben, wenn Sie so wollen, auch seiner Bürger schützen.
    Flüchtlingsdiskussion auch deutscher Politik nicht unbekannt
    Heuer: Herr Königshaus, dann lassen Sie uns noch kurz über die israelischen Pläne sprechen, afrikanische Flüchtlinge aus Israel umzusiedeln, wie Benjamin Netanjahu gestern gesagt hat, zum Beispiel nach Italien oder nach Deutschland. Es gibt ein bisschen Verwirrung darüber, wie ernst er das meint, ob die UNO, wie er sagt, wirklich mitzieht. In Berlin und in Rom wusste keiner was von diesem Vorstoß, und Netanjahu hat die Sache dann gestern Abend auch vorerst mal auf Eis gelegt. Aber wenn das so käme, hätten Sie denn Verständnis dafür? Sollen wir afrikanische Flüchtlinge aus Israel aufnehmen?
    Königshaus: Das ist, glaube ich, zunächst mal eine Sache der UNHCR. Es geht ja um dieses Resettlement, das ist eine Aktivität des UNHCR. Und was die vereinbart haben, weiß ich nicht. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob die israelische Regierung sich darüber wirklich klar ist, was die UNHCR-Leute da im Kern vorhaben.
    Heuer: Aber haben Sie Verständnis für den Wunsch der israelischen Regierung, Flüchtlinge zum Beispiel nach Deutschland umzusiedeln?
    Königshaus: Nein, die israelische Regierung hat ja überhaupt meines Wissens gar nicht entschieden, wohin die sollen. Dieses Resettlement-Programm ist ja eine Aktivität der UNHCR, und Netanjahu hat, soweit ich weiß, als Beispiel nur genannt Länder, die eben Flüchtlinge aufgenommen haben in der Vergangenheit.
    Heuer: Ja, aber auf jeden Fall möchte Netanjahu ja diese Flüchtlinge irgendwo anders hin los werden. Verstehen Sie das?
    Königshaus: Es sind illegale Einwanderer, die eben dort über Jahre bisher geduldet wurden, und diese Duldung endet. Es ist, glaube ich, eine Diskussion, die mir auch aus der deutschen Politik nicht völlig unbekannt scheint.
    Heuer: Aber bei uns ist es schwer, die abzuschieben. Sollen wir die gegebenenfalls aufnehmen?
    Königshaus: Das ist richtig. Und in Israel eben nicht. Das ist möglicherweise eben der Unterschied. Aber es gibt, wie Sie sehen und auch eben ja gehört haben, auch in Israel eine Zivilgesellschaft, wo unterschiedliche Positionen vertreten werden, die auch diskutiert werden. Und die Tatsache, dass Netanjahu dort noch einmal drüber nachdenken will, ist ja genau das Ergebnis eines solchen in einer Demokratie und in einer offenen Gesellschaft ja auch selbstverständlichen Diskurses.
    Heuer: Hellmut Königshaus, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Haben Sie vielen Dank für das Interview, Herr Königshaus!
    Königshaus: Gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.